Zukunftsrat: ARD und ZDF sollen gemeinsame technologische Plattform erhalten

Ein Expertenrat empfiehlt, ein gemeinsames technisches System für die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen zu schaffen. Auch zu den Gebühren äußert er sich.

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(Bild: heise online / dmk)

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Der im März 2023 von den Ländern eingesetzte Expertenrat zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks empfiehlt ARD, ZDF und Deutschlandradio, "eine Gesellschaft für die Entwicklung und den Betrieb einer gemeinsamen technologischen Plattform zu gründen". Ein solcher Schritt sei nötig, um "die Digitalisierung rasch, erfolgreich und zu vernünftigen Kosten voranzutreiben". Die vorgeschlagene Gesellschaft stelle "das technische System für alle öffentlich-rechtlichen digitalen Plattformen bereit", also insbesondere für die Mediatheken und das Streaming. Gemeinsame Inhalte sollen dabei aber nicht produziert werden: Hier blieben die drei Partner autonom.

"Die Media- und Audiotheken der Öffentlich-Rechtlichen konkurrieren mit internationalen Anbietern", begründet der "Zukunftsrat" seine Initiative. Größen wie Netflix setzten hier "gerade auch technisch und im Nutzungserlebnis" längst "höchste Standards". Trotz "mühsam erkämpfter Fortschritte" fehle es an einer durchgängigen Interoperabilität technischer Systeme bei ARD, ZDF und Deutschlandradio. Es sei nun aber angesichts der internationalen Konkurrenz im Streaming-Markt "unerlässlich, Größeneffekte zu nutzen. Es bedarf daher einer einheitlichen technologischen Infrastruktur für alle öffentlich-rechtlichen digitalen Plattformen."

Die vorgesehene Gesellschaft "entwickelt oder erwirbt die digitale Technik einschließlich" von Komponenten wie Player, Algorithmus, Empfehlungen, Suche, Login, Personalisierungen und Metadaten, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht für die Rundfunkkommission der Länder. Design und Anordnung könnten sich unterscheiden, "sofern ARD, ZDF und Deutschlandradio dies für sinnvoll erachten und ein zu bestimmender Kostenrahmen nicht überschritten wird". Eine gewisse Modularität sei zweckmäßig, habe aber unter dem Dach der Plattform-Gesellschaft zu erfolgen: "Eigenständige technologische Entwicklungen von ARD, ZDF und Deutschlandradio gibt es im Bereich der Mediatheken daher künftig nicht mehr." Damit werde sichergestellt, "dass alle Kräfte gebündelt werden".

"Querverweise zwischen den Angeboten der verschiedenen Anbieter sind zwingend und teilweise schon umgesetzt", betont der achtköpfige Rat, dem unter anderem die Ex-Vorstandsvorsitzende von Gruner+Jahr, Julia Jäkel, der Schweizer Publizist Roger de Weck, der einstige Bundesverfassungsrichter Peter Huber sowie Journalisten und Wissenschaftler angehören. Auch ein Austausch von Inhalten, wie er bereits in Teilen praktiziert werde, sei sinnvoll. Die
Öffentlich-Rechtlichen müssten zudem Sorge tragen, dass verwendete Technologie "die Gemeinwohlorientierung unterstreicht". Dafür nötig seien "Public-Service-Algorithmen", die den öffentlich-rechtlichen Auftrag transportieren und unterstützen. Sie müssten also Kriterien wie Relevanz und Vielfalt berücksichtigen und transparent sein.

Der Angebotsauftrag müsse generell auch "die Möglichkeiten der digitalen Partizipation der Gesellschaft und ihrer Akteure in den Blick nehmen", fordern die Sachverständigen. "Non-lineare Formate eignen sich besonders, zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen." Mediatheken spricht der Rat also eine Art soziale Befriedungsfunktion zu.

"Mittelfristig liegt es im elementaren Interesse der Öffentlich-Rechtlichen, dass die Zahl ihrer Mediatheken, Audiotheken, Mobil-Applikationen und sonstigen Streamingdienste sinkt", ist den Empfehlungen zu entnehmen. Ob am Ende eine einzige Plattform mit einem einheitlichen Angebot existiere oder "möglichst unterschiedliche, jedoch intelligent orchestrierte Zugänge" zu den Angeboten sinnvoller seien, "muss sich zeigen". ZDF-Intendant Norbert Himmler sprach sich Ende 2022 weiterhin für zwei eigenständige Mediatheken beim Ersten und Zweiten aus. ARD-Vertreter plädierten dagegen wiederholt für ein einziges großes Portal. Die beiden Sender haben ihre Mediatheken seit 2021 zwar verknüpft, betreiben sie aber weiterhin eigenständig.

Der Rat drängt unter anderem auch auf eine Umstellung des Finanzierungsverfahrens der Öffentlich-Rechtlichen. Demnach soll die Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) nicht mehr vorab Gebührenvorschläge machen. Vielmehr würden diese erst nachträglich "am Maßstab der Auftragserfüllung" durch ein modifiziertes Gremium erarbeitet.

Die Höhe des Beitrags solle durch ein Modell ermittelt werden, "das Auftragserfüllung und Indexierung kombiniert", bringen die Experten vor. Bei einem reinen Indexansatz würden die Gebühren automatisch regelmäßig erhöht. Dies möchte der Zukunftsrat aber vermeiden. Die vorgeschlagenen Reformen, mit denen etwa auch die Intendanten entmachtet werden sollen, könnten "mittelfristig zu signifikanten Einsparungen führen". Inwieweit diese zur Absenkung des Beitrags "oder zur besseren Auftragserfüllung verwendet werden, müssen die Länder entscheiden". Die grüne Digitalpolitikerin Tabea Rößner kritisiert, manche Anregungen des Rats seien weder mutig noch revolutionär, sondern "schlicht unrealistisch, wenig durchdacht, missbrauchsanfällig".

(dmk)

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