Herdentrieb

Apple hat den Durchbruch ins Tablet-Zeitalter eingeläutet, Google, Intel, Nokia, Microsoft und HP folgen. Wer liefert das beste Paket aus Hardware, Apps und Inhalten?

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Inhaltsverzeichnis

Apple hat den Durchbruch ins Tablet-Zeitalter geschafft und eilt der Konkurrenz davon. Google zieht als Erster nach, gefolgt von Intel, Nokia, Microsoft und HP. Wer liefert das beste Paket aus Hardware, Apps und Inhalten?

Ein Auditorium in Kalifornien. Der Redner trägt Brille, Jeans und einen schwarzen Rollkragenpulli. Er hat sein neues Spielzeug mitgebracht. Mit beiden Händen fuchtelt er auf dem Bildschirm herum, sortiert Fotos, vergrößert sie mit zwei Fingern und staucht sie wieder zusammen. „Es gibt keine Bedienungsanleitung. Es passiert genau, was man erwartet.“ Er dreht einen virtuellen Globus, zoomt heran, alles in einer einzigen, flüssigen Bewegung. Die anwesenden Fachleute sind verwirrt, als schauten sie einem Magier zu. Langsam dämmert ihnen, dass sie dem Beginn einer neuen Ära beiwohnen. „Wo ist Dein Labor?“, ruft einer. „Ich bin Forscher an der New York University“, antwortet der Redner. Sein Name: Jeff Han.

Der im Februar 2006 auf der TED-Konferenz gehaltene Vortrag befördert den jungen Wissenschaftler über Nacht zum Helden. Wired nennt ihn einen „Geek-Rockstar“, Time zählt ihn zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Touchscreens gibt es zwar seit Jahrzehnten, auch Multitouch ist nichts Neues, aber Han zeigt das erste praxistaugliche und erschwingliche System, mit perfekt abgestimmten Anwendungen. Er gründet die Firma Perceptive Pixel und verkauft seine Multitouch-Computer an das Pentagon, die CIA und Fernsehsender wie CNN.

Für den Durchbruch auf dem Massenmarkt sorgt aber ein anderer Rolli-und-Jeans-Träger: Im Januar 2007 stellt Steve Jobs das iPhone vor, im Januar 2010 das iPad.

Seitdem steht fest, dass wir unsere Rechner bald streicheln werden, statt auf ihnen herumzuhacken. Das sanfte Antippen mit dem Finger ist der neue Klick. Die Frage ist nur: Wird Steve Jobs das Tablet-Zeitalter dominieren wie Bill Gates die Desktop-Ära? Oder beendet bald der omnipräsente Internetkonzern Google das iPad-Monopol? Gelingt Microsoft vielleicht doch das Comeback? Und welche Rolle spielen der Handy-Marktführer Nokia, der CPU-Marktführer Intel und der PC-Marktführer HP, die allesamt mitmischen wollen?

Diese Fragen bewegen nicht nur Analysten, die die Potenziale der Silicon-Valley-Konzerne bewerten. Apple sperrt seine Kunden in einen goldenen Käfig. Programme und Inhalte werden bequem serviert, vorher aber streng kontrolliert. Google bietet mehr Freiheit, umarmt die Nutzer aber mit so vielen netten Zusatzdiensten, dass viele sich freiwillig binden und die Werbemaschine mit Daten füttern.

Tablets bilden nicht nur eine neue Gerätekategorie. Tablets bedienen wir mit natürlichen Gesten statt mit Krücken wie dem Mauszeiger. Wir blättern fast mit den gleichen Bewegungen durch ein digitales Magazin wie durch ein gedrucktes. Zur Texteingabe wird eine virtuelle Tastatur eingeblendet, die ihre Sprache und Größe an unsere Bedürfnisse anpasst. Einige dieser flexiblen Tastaturen arbeiten sogar adaptiv, sie ahnen voraus, welchen Buchstaben man vermutlich als nächstes drückt und vergrößern die unsichtbare Touch-Fläche dieser Taste. Ein weiterer Vorteil: Geräte ohne Tastatur und Maus sind leichter und damit auch umweltfreundlicher.

Tablet-Historie (12 Bilder)

Tablet-Historie

1977: Samuel Hurst entwickelt den ersten Touchsensor. Seine Firma Elographics bringt einen 5-Wire-Touchscreen namens Accutouch auf den Markt. Seine Nachfolger werden heute in Ladenkassen, Industriesystemen und Info-Terminals eingesetzt. (Bild: Elo Touch Sytems)

HP, Dell und die asiatischen Hersteller stellen sich längst nicht mehr die Frage, ob sie eigene Tablets auf den Markt bringen. Sie müssen, wenn sie im PC-Markt der Zukunft eine Rolle spielen wollen. Das wurde auch auf der IFA Anfang September deutlich. Samsung und Toshiba zeigten ihre Geräte, zahlreiche weitere Hersteller ließen durchblicken, dass sie 2011 nachziehen wollen.

Doch welches Betriebssystem soll auf dem iPad-Konkurrenten laufen? Windows hat als Desktop-Betriebssystem die schlechtesten Voraussetzungen aller Kandidaten. Daran ändert auch die jahrelange Erfahrung mit Tablet-PCs nichts, diese taugen eher für die Stiftbedienung. Probleme gibt es zum Beispiel bei

  • Schaltflächen: Viele sind für Finger zu klein, beispielsweise das Kreuz zum Schließen von Fenstern. Der Usability-Experte Dan Saffer empfiehlt in seinem Buch „Designing Gestural Interfaces“ eine Mindestgröße von 1 cm × 1 cm.
  • Nutzerführung: Viele Aufgaben löst man nur umständlich. Zum Beispiel muss man erst in ein Textfeld und dann auf ein weiteres Symbol tippen, um die Tastatur einzublenden.
  • Performance: Smartphone-verwöhnte Nutzer empfinden die langen Aufwachzeiten als Zumutung, und selbst auf flotten Rechnern ruckeln Zoom-Manöver im Browser.

CEO Steve Ballmer zufolge schläft Microsoft keineswegs. Apple habe vom iPad mehr verkauft, als ihm lieb sei, erklärte er Ende Juli einer Runde von Analysten. Nun sei das Fitmachen von Windows 7 für Tablets die „wichtigste Aufgabe“. Einen Termin nannte Ballmer nicht: Die Geräte würden ausgeliefert, „sobald sie fertig sind“.

Was Microsoft im Detail plant, ist nicht bekannt. Multitouch unterstützt Windows 7 bereits, aber es liegt auf der Hand, dass die Oberfläche aufgeräumt werden muss. Die Ruckler beim Scrollen und Zoomen könnten mit Hilfe der Softwareschnittstelle Direct2D reduziert werden.

HP hat in den USA den „Slate“ mit Windows 7 auf den Markt gebracht, einen klassischen Tablet-PC im Slate-Format (also ohne Tastatur oder drehbarem Bildschirm). Als Betriebssystem kommt Windows 7 Professional zum Einsatz, außer dessen integrierten Tablet-Funktionen wie Stifteingabe und Handschrifterkennung es keine weiteren Anpassungen an eine Bedienung per (mitgeliefertem) Stift oder Finger gibt. Eine HP-Sprecherin erklärte der dpa, dass der Slate in erster Linie auf Profi-Nutzer zielt: „Wenn der Tablet PC auch im Unternehmen erfolgreich sein soll, muss er mit seinem Betriebssystem einfach in die existierende IT-Landschaft einzubinden sein.“

Ein weiteres Handicap können weder Microsoft noch HP aus dem Weg räumen. Windows 7 läuft nur auf x86-Systemen – und diese sind selbst bei niedriger Leistung noch zu stromhungrig. Das Archos 9 mit Atom-Z-CPU hält mit einer Akkuladung nur rund vier Stunden durch und trödelt schon beim normalen Arbeiten, Videos in der kleinen HD-Auflösung (720p) ruckeln. Ein anderes aktuelles Windows-Tablet, das Hanvon B10, rechnet dank Celeron-Prozessor schneller, allerdings rauscht der Lüfter ständig, der Akku macht noch schneller schlapp, und Scroll- und Zoom-Bewegungen ruckeln. Einen Spezial-Atom für Tablets – Codename Oak Trail – liefert Intel frühestens 2011.

Microsoft hat zwar auch Betriebssysteme für die sparsameren ARM-Prozessoren, zum Beispiel Windows Phone 7 und Embedded Compact 7. Tablet-Oberflächen für diese sind aber noch nicht in Sicht.

Bezeichnend: Für Privatanwender plant HP einen Slate mit WebOS, dem mit Palm zugekauften Smartphone-Betriebssystem. Es gibt noch keinen offiziellen Zeitplan, keine Screenshots der Oberfläche und keine Hardwaredetails, aber die Erwartungen sind aufgrund des guten Rufs von WebOS groß. Usability-Experte Dan Saffer sieht das WebOS-Tablet sogar als einzigen ernst zu nehmenden iPad-Konkurrenten – neben der Android-Fraktion.

Google hat ebenfalls noch kein Tablet-Betriebssystem veröffentlicht. Samsung, Toshiba, Archos und weitere Hersteller nutzen mangels Alternative das auf Smartphones ausgerichtete Android. Es ist auf Fingerbedienung ausgelegt und unterstützt mittlerweile auch Multitouch-Gesten.

Android krankt allerdings an seiner zwar für Touch, aber nicht für Tablets optimierten Oberfläche. Viele Hersteller laden es von der Webseite der Open Handset Alliance herunter und passen lediglich die Auflösung an. Dann wird der zusätzliche Bildschirmplatz aber nicht gewinnbringend genutzt.

Kleines Tablet mit Smartphone-Innenleben: Samsungs Galaxy Tab passt in keine der gängigen Gerätekategorien, dürfte aber zum schärfsten iPad-Konkurrenten avancieren – wenn es genügend Apps im passenden Format gibt.

Für ein gutes Android-Tablet muss viel umgebaut werden. Dell spendiert seinem 5-Zöller Streak eine virtuelle Tastatur inklusive Ziffernblock und zusätzlichen Widgets. Samsung gibt dem 7-Zöller Galaxy Tab die Wischtastatur Swype sowie eigene Widgets und Menüs mit auf den Weg, die vorinstallierten Programme wie Adressbuch und E-Mail-Client wurden sorgfältig angepasst und aufgehübscht.

Trotzdem merkt man auch Streak und Galaxy an, dass Android kein Tablet-System ist. Zum Beispiel an den Tasten für Home, Menü, Suchen und Zurück: Bei Smartphones liegen sie immer in Reichweite, bei Tablets müssen die Finger von der Bildschirmmitte bis zum Rand einen weiten Weg zurücklegen. Außerdem muss man sich beim Wechsel zwischen Hoch- und Querformat stets neu orientieren: Sind die Tasten jetzt oben, unten, rechts oder links? Das nervt besonders bei Sensortasten, die man nicht fühlen kann. Sinnvoller wäre eine Steuerleiste auf dem Touchscreen, die sich mit dem restlichen Bildschirminhalt dreht. Im Grunde sei „dieses ganze Tastengeraffel“ nur ein Überbleibsel früher Android-Versionen, schrieb ein Leser von heise online nach der Vorstellung des Galaxy Tab.

Google will demnächst Abhilfe leisten und die Oberfläche selbst umbauen. Die nächste Android-Version („Gingerbread“) ist fertig; ob diese allerdings bereits auf Tablets zugeschnitten sein wird ist derzeit noch unbekannt – möglicherweise erscheint die Tablet-Version erst im kommenden Jahr. Auf der IFA sagten viele Hardwarehersteller, die noch kein Tablet zeigten, dass sie das Update abwarten.

Allerdings könnte Google statt Android 3.0 ein anderes Tablet-Betriebssystem aus dem Hut zaubern: Chrome OS, bei dem Anwendungen im Browser laufen und Daten in der Cloud lagern. Es zielt Google zufolge in erster Linie auf Netbooks, aber vor dem iPad-Start veröffentlichte einer der Entwickler Skizzen eines Chrome-OS-Tablets. Unsere Anfrage zu diesem Thema blieb unbeantwortet – mit den Hardwareherstellern sollte Google offener kommunizieren, wenn die iPad-Aufholjagd reibungslos starten soll.

Wenig Konkretes gibt es bislang von Intel und Nokia. Der Prozessor- und der Handymarktführer arbeiten zusammen an einer Tablet-Version von MeeGo, einem Mobil-Betriebssystem, das wie Android auf Linux basiert. Auf der Computex im Juni demonstrierte ein Intel-Manager die Oberfläche: Ein klassischer Startbildschirm zeigt wie beim iPad die Apps. Zusätzlich gibt es eine dynamische Ansicht, die Fotos, Videos, E-Books und Nachrichten aus dem Social Web in riesigen Widgets darstellt. Multitouch-Gesten erkennt MeeGo natürlich.

Kleine Firmen, großes Display: Neofonie und 4tiitoo heißen die beiden treibenden Kräfte hinter dem WeTab, einem 11,6-Zoll-Tablet mit selbstentwickelter Oberfläche und dem Mobil-Linux MeeGo als Basis.

Die erste für Anwender interessante MeeGo-Version (1.1) haben Intel und Nokia für Oktober angekündigt. Das erste MeeGo-Tablet ist schon im September auf den Markt gekommen, ist aber auf den ersten Blick nicht als solches erkennbar: Das WeTab nutzt MeeGo als Betriebssystem, aber in Kombination mit einer vom Münchner Startup 4tiitoo entwickelten Oberfläche.

Diese zeigt auf dem Startbildschirm Verknüpfungen und Widgets. Statt wie bei Android oder iOS horizontal von Screen zu Screen zu hüpfen, scrollt man von oben nach unten. Eine wichtige Rolle spielt dabei eine Miniaturansicht am rechten Bildschirmrand, die mit dem Daumen bedient wird. So kann man das Tablet mit beiden Händen festhalten und gleichzeitig flott navigieren.

Nicht das erste Tablet, aber das erfolgreichste: Das iPad setzt mit langer Laufzeit, brillantem Display und riesigem App-Angebot Maßstäbe.

Während Microsoft, Google, Intel und Co. noch Allianzen schmieden und ihre Software polieren, kassiert Apple bereits ab. Vor Kurzem meldeten Analysten von Morgan Stanley, dass der Konzern die monatlich produzierte Stückzahl von einer Million auf zwei Millionen verdoppelt habe und vom vierten Quartal an sogar drei Millionen iPads pro Monat fertigen lassen will. Die Analysten von iSuppli erwarten, dass Apple nächstes Jahr 36,5 Millionen iPads verkauft und im Jahr 2012 50,4 Millionen. Zum Vergleich: Das erste Netbook gab es Ende 2007, im laufenden Jahr sollen 40 Millionen dieser relativ billigen Geräte über den Ladentisch gehen, von Dutzenden Herstellern.

Der iPad-Erfolg kommt nicht von ungefähr: Apple hat sein erfolgreiches iPhone-Betriebssystem iOS und die mitgelieferten Standard-Apps umgebaut. Zum Beispiel gelangt man auf der virtuellen Tastatur mit Wischgesten schneller zu den Sonderzeichen. Mit dem für November angekündigten Update auf iOS 4.2 bekommt das iPad die vom iPhone bekannten Ordner, mehr Hintergrunddienste, eine Druck- und eine Videostreaming-Funktion.

Die Schwächen liegen unter der Oberfläche. Selbst eingefleischte Apple-Fans frustriert die Erkenntnis, die sich an Orten ohne iTunes-Rechner sowie ohne WLAN- und UMTS-Empfang einstellt: Das iPad rückt keine Daten heraus, weil man nicht einmal einen USB-Stick anschließen kann. Und es spielt keine Flash-Inhalte ab, deshalb bleiben dem Nutzer manche Webseiten und viele Videos verborgen. Eine Webcam auf der Vorderseite? Eine Fotokamera hinten? Fehlanzeige.

Das sind Punkte, bei denen Google, Microsoft & Co. leichtes Spiel haben. Manche Konkurrenten weisen bei jeder Gelegenheit auf die Anschlussfreudigkeit ihrer Tablets hin. Die WeTab-Macher betonen, dass man „vorhandene Geräte wie Kamera, Drucker, Tastatur und Fernseher“ problemlos anschließen könne.

Flash und mehr Schnittstellen werden jedoch nicht reichen, um Apples Vorsprung aufzuholen, abgesehen davon, dass das iPad 2 sicherlich einige Defizite beseitigen wird. Das liegt an Apples blühendem Ökosystem aus Apps und Inhalten. Rund zwei Monate vor dem iPad-Start standen die Werkzeuge für die Entwickler bereit, zum Verkaufstermin war bereits ein Grundstock an angepassten Anwendungen verfügbar. Bis Juni schnellte die Zahl auf 8500, aktuell gibt es rund 35.000.

Weil die meisten Programmierer nicht bei null anfangen, sondern eine bestehende iPhone-App portieren, erklärt Apple in den „iPad Human Interface Guidelines“, dass es nicht ausreicht, die Auflösung aufzublasen:

  • Die Apps sollen neue Ansichten nutzen. Der „Split View“ sorgt für eine flache „Informationshierarchie“, Nutzer müssen also seltener hin- und herspringen. „Popovers“ bieten die Möglichkeit, zusätzliche Inhalte oder Bedienfelder temporär einzublenden.
  • Menüleisten können frei platziert werden und müssen nicht wie beim iPhone am unteren Bildschirmrand liegen.
  • Die Bildschirmtastatur kann passend zum Kontext umgebaut werden.

Außerdem ermahnt Apple die Programmierer, alle Bildschirmausrichtungen zu unterstützen und eine „realistische, physische Dimension“ in ihre App einzubauen. Je „lebensnäher“ die App, desto einfacher sei sie zu verstehen.

Einzelne, gelungene Programme wie „Die Elemente“ können jedoch nicht davon ablenken, dass die Mehrzahl umständlich zu bedienen ist und nicht gerade umwerfend aussieht. Das war zu erwarten: Das Entwickeln von Multitouch-Oberflächen ist noch eine Spielwiese – es gibt viele Möglichkeiten, wenige Konventionen und so gut wie keine Erkenntnisse über die Fähigkeiten der Nutzer.

Eine Studie der Nielsen Norman Group mit sieben Probanden stellt der ersten App-Generation ein schlechtes Zeugnis aus. Nur wenige Gesten wurden intuitiv genutzt, oft entdeckten die Nutzer Funktionen nur zufällig oder gar nicht. Für Verwirrung sorgt auch das Aufeinandertreffen von neuen Gesten und alten Gewohnheiten im Umgang mit PCs.

Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass Gesten von App zu App unterschiedlich eingesetzt werden. Schon beim Wechsel zwischen den mitgelieferten Programmen von Apple stolpert man; zum Beispiel löscht eine Wischgeste Mails, aber keine Kontakte. Im App Store herrscht naturgemäß noch weniger Konsistenz. Wünschenswert wäre zum Beispiel, dass Lese-Apps ein Standardrepertoire zum Blättern und Navigieren adaptieren. Zum Inhaltsverzeichnis sollte man über eine Schaltfläche springen können – nicht durch das Wischen mit zwei oder drei Fingern.

Die Probleme bei Android-Apps für Tablets werden am Beispiel der beiden IFA-Neuheiten Galaxy Tab von Samsung und Folio 100 von Toshiba deutlich. Das Folio kann nicht auf Googles Android Market zugreifen, nur auf einen kleinen Toshiba-Shop. Viele Nutzer dürfte das enttäuschen, sie erwarten bei Android-Geräten ein großes Angebot.

Doch die Hersteller dürfen den Market nur mit Googles Einverständnis installieren. Die erste Hürde: Ihr Gerät muss von Google als „kompatibel“ anerkannt werden. Die Kriterien stehen im 20 Seiten langen „Android Compatibility Definition Document“. Dieses listet unter dem Punkt „Display“ eine Reihe von Auflösungen auf, die standardmäßig kompatibel sind – bei Android 2.2 maximal 480 × 854 Pixel. Andere Auflösungen sind möglich, aber nur nach Rücksprache mit Google. Außerdem müssen eine Kamera (auf der Rückseite), ein Beschleunigungssensor, ein Kompass, GPS und Bluetooth vorhanden sein. Eine Telefonfunktion und UMTS werden nicht vorausgesetzt. Das Folio 100 hat nur auf der Vorderseite eine Kamera, wäre also gescheitert.

Die Anforderungen sind nachvollziehbar: Sie garantieren einen Mindeststandard, mit dem die Entwickler rechnen können. Für Nutzer wäre es frustrierend, wenn sie Apps zwar herunterladen, aber nicht vernünftig nutzen können.

Allerdings ist die Kompatibilität nur die erste von zwei Hürden auf dem Weg zum Android Market. „Aus einer Reihe von rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen“, so schreibt Google auf Android.com, „sind wir nicht in der Lage, automatisch alle kompatiblen Geräte zu lizenzieren“. Wer mehr wissen will, soll sich melden – unsere Anfrage nach weiteren Bedingungen für die Market-Lizenz beantwortete Google nicht.

Samsungs Galaxy Tab hat beide Hürden genommen, der Market ist installiert. Trotzdem dürften viele Nutzer sich wundern: Warum gibt es zusätzlich einen Shop von Samsung? Suche ich meinen Lieblings-Twitter-Client zuerst in Googles Market oder in Samsungs Sammlung?

In Googles Market werden sie zwar zig Twitter-Apps finden, die Oberflächen sind aber nicht an die Auflösung angepasst (1024 × 600). Im Samsung-Shop ist es umgekehrt: Hier stehen nur wenige Apps bereit, diese haben Samsung und Partner dem Galaxy aber auf den Leib geschneidert.

Sollte Google die nächste Android-Version umbauen, bekommt der Market vermutlich eine Tablet-Abteilung. Samsung wird seinen eigenen Laden aber kaum aufgeben wollen. Im ersten Zukunftsszenario bleibt es bei der unpraktischen Doppellösung. Die zweite Möglichkeit: Google und Samsung einigen sich auf ein gemeinsames Einkaufszentrum. Die Frage ist nur: Wer wird Untermieter bei wem?

Die WeTab-Macher wollen ihren bislang kümmerlich bestückten App-Markt im November ausbauen: Dann soll es auch Android- und Adobe-Air-Apps geben. Da der Android Market nicht angezapft werden darf, gibt es eine Schnittstelle zu dem deutlich kleineren Verzeichnis AndroidPIT, außerdem wird sich laut 4tiitoo die Android-Unterstützung zum Startzeitpunkt noch im Betastadium befinden. Ein weiterer Kanal könnte in Zukunft zum AppUp-Center führen, das Intel für alle MeeGo-Geräte mit Intel-Hardware vorsieht (im WeTab rechnet ein Atom). Mitte August hatte Intel nach eigenen Angaben rund 500 Apps im Programm. Der Store richtet sich aber in erster Linie an Netbooks, Touch-optimierte Programme dürften noch die Ausnahme sein.

Für Windows existiert zwar ein scheinbar unerschöpfliches Reservoir an Anwendungen, aber nur wenige taugen für Touch. Neben der Schwerfälligkeit und der wenig fingertauglichen Oberfläche von Windows selbst ist das ein weiterer Grund für die schlechte Ausgangsposition im Rennen mit dem iPad.

Bei digitalen Zeitungen und Zeitschriften liegt das iPad zwar einsam an der Spitze, erspart aber noch lange nicht den Fußweg zum Briefkasten oder Kiosk. Der Spiegel und die Welt haben Apps, auch einige weniger bekannte Titel wie Brand Eins. Die große Masse lässt auf sich warten: Stern, Focus, Süddeutsche, FAZ, die meisten Regionalzeitungen (c’t startet demnächst).

Auch bei Büchern haben iPad-Nutzer die größte Auswahl. Zwar bietet der Apple-eigene iBookstore erst einige tausend E-Books in deutsch, englisch und anderen Sprachen an. Doch über die Kindle-App stellt Amazon seine über 450.000 englischsprachigen Titel bereit. Mit der txtr-App kann man das über 20.000 Titel große Angebot deutschsprachiger Epub-Bücher lesen. Hinzu kommen E-Books, die Verlage als separate App anbieten.

Für Android gibt es ebenfalls eine Kindle-App und den Txtr-Reader. Samsung hat für das Galaxy Tab zusätzlich eine eigene Lese-App gebastelt, deutschsprachige Bücher sollen die Nutzer demnächst in einem Libri-Shop herunterladen können.

Zum WeTab als Lesegerät hatten sich im Frühjahr Gruner + Jahr und der Schweizer Ringier-Verlag („Cicero“) bekannt, Gruner + Jahr hat die Unterstützung aber derweil wieder abgekündigt.

Auch bei Musik hat Apple einen Vorsprung: Der iTunes Store hält im US-Download-Markt einen Anteil von rund 80 Prozent, entsprechend gut ist Apples Position in Verhandlungen mit den Labels. Momentan bietet der Store rund 14 Millionen Songs. Außerdem erhältlich: Über 10.000 Hollywood-Filme (davon 3000 in HD) und 65.000 Folgen von TV-Serien.

Android-Nutzer kaufen Musik im Moment zum Beispiel bei Amazon, per App auch von unterwegs. Einen eigenen Musikladen will Google Ende des Jahres eröffnen. Der Los Angeles Times zufolge sollen darin Songs und Alben nicht nur einzeln, sondern auch im Abo verkauft werden – wie bei Microsoft: US-Kunden haben für 15 US-Dollar pro Monat Zugriff auf den gesamten Musikkatalog des Zune Marketplace, im Herbst soll das Angebot nach Europa kommen. Bei Videos hat Microsoft ebenfalls schon Vorarbeit geleistet und ein eigenes Portal aufgebaut. Unter Windows sind natürlich auch Quellen wie Amazon, Maxdome und nicht zuletzt iTunes anzapfbar.

Welcher iPad-Konkurrent liefert also das beste Gesamtpaket? Microsoft traut man wenig zu, auch mit renovierter Oberfläche. Die aktuellen Geräte von Archos und Hanvon wirken im Vergleich zum iPad oder Galaxy Tab einfach zu schwerfällig. Das zweite Problem ist das fehlende Angebot an Touch-optimierten Programmen.

Das WeTab hat immerhin eine schlanke Tablet-Oberfläche. Es bleibt aber ein Rückstand beim Ökosystem, den auch der Partner Intel mit seinem Store nicht ausgleichen kann.

Anders sieht es bei Android aus: Google startet seine Aufholjagd nicht bei null, sondern kann auf die Nutzerbasis und Entwicklergemeinde von Android zählen. Immer mehr Handynutzer gewöhnen sich an das Bedienkonzept und Googles allgegenwärtige Webdienste. Glaubt man Marktforschern, nutzen in zwei Jahren mehr Menschen Android als Apples iOS. Und für die Entwicklergemeinde bedeutet es wenig Aufwand, Apps für höhere Auflösungen umzubauen.

Trotzdem muss man bei der Entscheidung für ein Android-Tablet abwägen. Wer Wert auf ein großes App-Angebot legt, hat nur die Wahl zwischen wenigen Kandidaten wie Samsungs Galaxy Tab und Dells Streak. Außerdem lehrt die Erfahrung aus der Smartphone-Welt, dass wohl nicht alle Hersteller das nächste Android-Update für ihre bereits verkauften Tablets anpassen und ausliefern – Samsung hat es immerhin versprochen.

In puncto Ausstattung überholen die Android-Tablets das iPad locker, und das Galaxy Tab lässt sich genauso flüssig bedienen. Apples Konkurrenz schließt also schneller auf als zuvor bei den Smartphones, wo das iPhone seine Spitzenposition über Jahre verteidigte. Das Duell zwischen Apple und Google dürfte die ersten Jahre der Tablet-Ära prägen. Nach einer Alleinherrschaft von Steve Jobs sieht es nicht aus – auch wenn ihm iTunes und der App Store momentan noch einen Vorsprung garantieren. (cwo)