iX 10/2021
S. 3
Editorial
Oktober 2021

Eigenartig bummelig

Superlative gehören zur IT wie die Butter aufs Brot. Das gilt insbesondere bei der Öffentlichkeitsarbeit. Selbst kleinste Minor Releases kündigen Anbieter mit großem Tamtam an. Im Getöse der Werbetrommeln müssen Nutzer stets mit Obacht der wahren Absicht auf den Grund gehen. Wer weiß, vielleicht versteckt sich dahinter ja doch eine wichtige Nachricht.

Bleibt es hingegen ruhig, ist erst recht Skepsis geraten: Lässt ein Hersteller ein Update auf die Welt los und man erhält keine Buzzword-Bingo-Ankündigung, hat da jemand was zu verstecken – so zumindest der erste Eindruck, dessen man sich auch bei Microsofts jüngstem Windows Server 2022 nicht erwehren konnte.

Anfang 2021 wurde das finale Release quasi nebenher fürs Ende des Jahres in Aussicht gestellt, irgendwann rieselten nach und nach Nutzerstimmen über fertige und verfügbare Images ein. Bei Microsoft herrschte Schweigen. Verlässliche Beobachter schrieben: Ja, der neue Windows Server ist da. Aber Microsoft blieb bei seiner stoischen Zurückhaltung.

Redakteure und Profis aus der Praxis gleichermaßen begannen sich zu fragen: Was stimmt denn hier nicht? Schnell entwickelte sich die übliche Ankündigungsberichterstattung zu einer Jagd auf wegfallende Funktionen und Drückermethoden. Letztere, weil die meisten interessanten Neuerungen den Azure-Editionen vorbehalten sind.

Und außerdem stellte Microsoft klammheimlich beliebte Editionen ein. Natürlich nicht ohne ein verlockendes Angebot: Statt den kostenlosen lokalen Virtualisierungsserver zu verwenden, könne man doch viel einfacher ein Azure-Abonnement abschließen. Einst beliebte Lizenzen wie die Essentials waren mit einem großen Fragezeichen versehen – gibts die denn noch?

Nach mehreren Wochen trudelte dann doch die übliche Meldung zum neuen Windows Server 2022 ein. Microsoft tat so, als sei nichts gewesen. Und irgendwie stimmt das auch, denn tatsächlich kann man das Release getrost als Update-Sammlung bezeichnen. Wenigstens fehlten die Buzzwords nicht.

Aber der Ruf des Cloud-Nudging haftet Microsoft nun erneut an. Zu Recht – und eigentlich tut der Konzern auch nicht mal so, als stimme das nicht. Azure ist die Zukunft, ganz offiziell. Immerhin gibt es noch On-Premises-Lizenzen mit garantierten Updates für ein ganzes Jahrzehnt. Also bleibt genug Zeit, sich Gedanken über Alternativen zu machen.

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