Make Magazin 4/2021
S. 3
Make
Editorial

Allgemeiner Warnhinweis

Mal ehrlich: Hat Ihr Hirn bei dieser Überschrift auch automatisch auf Durchzug geschaltet? Verständlich wäre es ja, denn die Gegenwart ist schließlich gepflastert mit Warnhinweisen, die die meisten von uns schon gar nicht mehr wahrnehmen. Seien es Warnungen, keine defekten Geräte zu öffen oder Akkus niemals ins Feuer zu werfen. Das steht gefühlt in jeder Gebrauchsanweisung. Als Maker hält man sich an das eine eher nicht, beim anderen hingegen käme man niemals auf die Idee, das zu tun. Ebenso wenig liest man die Hinweise für Allergiker auf Lebensmitteln, wenn man bisher noch nie auf bestimmte Zutaten reagiert hat. Ganz zu schweigen von den Beipackzetteln zu Medikamenten, die auch nur eine Minderheit genau studieren dürfte, bevor es an die Einnahme geht.

Alle diese Warnhinweise haben eines gemeinsam: Sie dienen unter anderem dazu, die Hersteller von Haftung freizuhalten. Deshalb werden dort auch manchmal Risiken breitgetreten, die zwar einen fatalen Ausgang haben können, aber maximal unwahrscheinlich sind.

Doch man muss genauer hinschauen, denn es gibt auch Warnhinweise, die den eben beschriebenen zwar sehr ähnlich sehen, die aber kein Risiko beschreiben (bei dem der Schaden nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintritt), sondern eine Gefahr, die auf jeden Fall besteht. Eine giftige Flüssigkeit ist immer giftig, weshalb auch wohl niemand den Totenkopf auf dem Etikett auf die leichte Schulter nimmt. Ein Stromschlag ist ab einer gewissen Energie lebensgefährlich und wer die Finger in die Kreissäge bekommt, wird schwer verletzt. Deshalb enthalten unsere Artikel auf den Seiten 104 und 120 die ernstgemeinten Hinweise, dass Sie sich nur dann am Studioblitz im Eigenbau oder an der Fingerzinkung als Holz-Eckverbindung versuchen sollten, wenn Sie den sicheren Umgang mit Hochspannungen beziehungsweise Tischkreissägen wirklich beherrschen.

Strom und Säge stellen für Experten ebenso eine Gefahr da wie für unbedarfte Laien, der Unterschied ist nur: Wer sich gut auskennt, ist sich der Gefahr bewusst und kann gezielt damit umgehen. Fatal ist meist das, womit man nicht rechnet. Machen Sie also nur Dinge, bei denen Sie die Gefahren einschätzen können. Diese Einschätzung müssen Sie selbst treffen, die kann Ihnen niemand abnehmen, auch kein noch so großer Warnhinweis in einer Gebrauchsanweisung oder in einem Heft.

Bis vor kurzem hätte man es mit diesem Lebenstipp (oder auch: Allgemeinem Warnhinweis) bewenden lassen können. Aber speziell die Hochwasserkatastrophe der jüngsten Zeit hat deutlich gemacht, dass es – unter anderem durch den Klimawandel – inzwischen Risiken und Gefahren gibt, die kaum jemand realistisch einzuschätzen vermag. Ich bin sicher, dass jede reflexhafte Erklärung oder gar Schuldzuweisung, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte, zu kurz greift. Ich bin mir aber ebenso sicher, dass wir uns wieder mehr mit Risiko- und Gefahreneinschätzung beschäftigen müssen, um besser individuell entscheiden zu können, was wir tun oder lassen sollten, welche Warnungen wir beherzigen und welche wir ausblenden. Auch wenn in der Vergangenheit bei manchen ein anderer Eindruck entstanden sein mag: Das kann und wird uns niemand abnehmen. Das gilt für die eigenen Bastelprojekte ebenso wie für die elementaren Fragen des Lebens.

Peter König