MIT Technology Review 11/2017
S. 76
Fokus
Quantentechnik

Auf dem Quantensprung

Die EU will eine Milliarde Euro in die Quantentechnologie stecken. Das Geld soll deren irre Phänomene nutzbar machen. Erste Projekte zeigen, was künftig möglich wird.

Fotografieren im Dunkeln, Erdöllager mit Atomwolken aufspüren: Die Grenzen der Technik sollen bald durch bizarre Phänomene der Quantenphysik verschoben werden. Binnen zehn Jahren will ein Forschungsgroßprojekt der EU die Quantentechnik marktreif machen und so die Vorreiter in den USA und Fernost – Google, Intel, Microsoft oder die chinesische Regierung – einholen. Geplantes Budget: eine Milliarde Euro.

Wird die Aufholjagd gelingen? Die Europäer haben sich in der Quantentechnologie schon einmal die Butter vom Brot nehmen lassen. Deutsche Forscher legten die Grundlagen für die „erste Quantenrevolution“ im 20. Jahrhundert, die Laser, Computerchips und Kernspintomografen brachte. Hierzulande etwa wurde das Funktionsprinzip des Lasers entdeckt, aber es war ein US-Wissenschaftler, der den Weg für ein marktfähiges Produkt ebnete. Gleiches gilt für den sogenannten Riesenmagneto-Widerstand. Forscher in Jülich und Paris entdeckten ihn, aber die US-Firma IBM verwendete ihn erstmals für Festplatten. Beide Anwendungen nutzen die Tatsache, dass sich die kleinsten, unteilbaren Pakete der Natur, sogenannte „Quanten“, gezielt zu einem vergleichsweise geordneten Verhalten anregen lassen.

Nun jedoch wollen Physiker einen entscheidenden Schritt weiter gehen: Sie wollen das verrückte Herz der Quantenphysik technisch nutzbar machen. Phänomene wie Verschränkung (siehe Seite 68) oder die Überlagerung von mehreren Möglichkeiten in einem Zustand (Superposition). Dafür genügt die pauschale Kontrolle über ein Kollektiv vieler gleichartiger Quanten nicht mehr. Vielmehr erfordert es die Steuerung einzelner Quanten. Physiker erzeugen auf Knopfdruck einzelne Photonen und manipulieren sie, oder sie schalten einzelne Atome gezielt zwischen Superpositionszuständen hin und her. Das ist experimentell sehr anspruchsvoll: Quanten-Hightech sozusagen.