MIT Technology Review 2/2021
S. 96
Meinung

Mehr Transparenz wagen

Eine Klage gegen die Universität Mainz wirft ein Schlaglicht auf die intransparente Finanzierung von Forschungsprojekten durch Unternehmen.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) will die Universität Mainz per Klage beim Verwaltungsgericht dazu zwingen, Informationen über Forschungskooperationen mit chinesischen Unternehmen zu veröffentlichen. Die Hochschule weigert sich, obwohl die Veröffentlichung solcher Informationen nach Ansicht der Kläger ihre gesetzliche Pflicht ist. Denn laut GFF möchte sie so verhindern, dass umfangreiche Kooperationen mit chinesischen Firmen öffentlich werden, die „massiv in Menschenrechts-­Verbrechen involviert sind“, so die Pressemitteilung zu der Klage.

Doch der Fall geht weit über die möglicherweise ethisch problematische Zusammenarbeit der Universität Mainz mit bestimmten Unternehmen hinaus. Er wirft ein Schlaglicht auf die Intransparenz der deutschen Forschungslandschaft. Die beklagen Experten zwar seit Jahren immer wieder, es ändert aber kaum etwas. Die Mainzer mögen besonders verstockt sein – die Einzigen, die versuchen, ihrem privaten Geldgeber möglichst diskret zu Diensten zu sein, sind sie jedoch nicht. Zwar wächst das Drittmittel-Aufkommen an deutschen Universitäten seit Jahren. Wer da für wen mit welchen Interessen forschen lässt, bleibt jedoch oftmals im Dunkeln.

Die Regeln, nach denen solche Informationen offen gelegt werden müssen, sind Ländersache – und deshalb höchst unterschiedlich. Soll heißen: unterschiedlich löchrig. In Nordrhein-Westfalen müssen die Hochschulen erst dann über Drittmittelprojekte informieren, wenn das Projekt abgeschlossen ist. In anderen Bundesländern wie in Bremen sind die Projekte erst ab einer bestimmten Fördersumme – hier 50000 Euro – meldepflichtig. In Rheinland-Pfalz darf die Hochschule ihren Projektpartner anonymisieren, wenn „vom Namen des Drittmittel­gebers auf den Forschungsgegenstand geschlossen werden“ kann. Und auch in Niedersachsen dürfen die Unis die Namen der Projektpartner durch eine abstrakte Umschreibung ersetzen, sofern wirtschaftliche Interessen verletzt werden könnten. „Vertraulich zu behandelnde Projekte“ dürfen sie sogar ganz verschweigen.

Als wären diese Bestimmungen nicht schon zahnlos genug, verstecken Universitäten die Informationen zu Drittmittelprojekten in den Tiefen ihrer Webpräsenz, spalten sie auf nach Fakultäten, oder listen statt kurzer Beschreibungen bestenfalls technokratische Projekttitel auf. Und wer als Auftraggeber nicht offen auftreten möchte, hat immer die Möglichkeit, eine Stiftung, oder einen Verein vorzuschieben. Die eigentlich von den Gesetzen geforderte Transparenz wird so scheibchenweise wieder aufgeweicht.

Kurz gesagt: Eine öffentliche Kontrolle von mit Drittmitteln finanzierter Forschung findet nicht statt – obwohl die Auftraggeber die öffentlich finanzierten Universitäten nutzen und durch ihre Aktivitäten die Richtung von Forschung maßgeblich beeinflussen. Und man kann – ohne damit gleich Verschwörungstheorien zu verbreiten – behaupten, das soll auch so sein. Denn an zu viel Transparenz, die möglicherweise den einen oder anderen scheuen Geldgeber verscheuchen könnte, haben weder die Bundesregierung, die Landesregierungen oder die Hochschulen ein Interesse und schon gar nicht die beteiligten Unternehmen. Nur die Öffentlichkeit könnte sich dafür interessieren. Das ist der eigentliche Skandal und nicht die Frage, ob irgendwelche chinesischen Unternehmen Forschung an der Uni Mainz finanzieren.