MIT Technology Review 1/2024
S. 83
Report
Jubiläum

Das unbekannte Genie

Sadi Carnot entwickelte entscheidende Konzepte der Thermodynamik. Sie sind die Grundlage für Verbrennungsmotoren, Turbinen und Wärmepumpen.

Wolfgang Stieler

1824 veröffentlichte der 28-jährige Ingenieur Nicolas Léonard Sadi Carnot eine kurze Broschüre mit einem langen Titel: Réflexions sur la puissance motrice du feu et sur les machines propres à développer cette puissance (Betrachtungen über die bewegende Kraft des Feuers und die zur Entwicklung dieser Kraft geeigneten Maschinen). Das Werk erwies sich als Flop. Dabei hatte Carnot ein Rätsel gelöst, das nicht nur wissenschaftlich, sondern auch wirtschaftlich bedeutsam war: Er hatte eine wissenschaftliche Theorie zu „Wärmekraftmaschinen“ entwickelt – den Carnot-Kreisprozess.

Dass seine Ideen nicht aufgegriffen wurden, dürfte eher mit den politischen Turbulenzen der Zeit zusammenhängen als mit Carnots mangelndem Talent als Autor. Sein Vater Lazare Carnot, beim Militär zum Ingenieur ausgebildet, hatte sich an der Französischen Revolution beteiligt. 1795 wurde er Mitglied der republikanischen Regierung. 1796 kam Sadi zur Welt. Im Jahr darauf gab es einen Staatsstreich, worauf die junge Familie ins Schweizer Exil fliehen musste, aus dem sie 1799 zurückkehrte. Von Napoleon Bonaparte wurde Lazare Carnot dann 1800 zum Kriegsminister ernannt. Obwohl Lazare dieses Amt aus Protest gegen Napoleons Krönung niederlegte, wurde er 1815 – nach der kurzzeitigen Rückkehr Napoleons  – erneut Minister. Was allerdings zur Folge hatte, dass er nach dem Sturz Napoleons 1815 ins Exil musste, wo er 1823 starb.