MIT Technology Review 3/2024
S. 73
Report
Déjà-vu

Geistreiche Simulation

An dieser Stelle blicken wir auf frühere Artikel der MIT Technology Review zurück, die heute wieder aktuell sind. Diesmal: die Simulation eines Gehirns im Computer.

Wolfgang Stieler

„Das ist ganz und gar nicht der Prototyp des verrückten Wissenschaftlers, kein Frankenstein-Erbe mit wirren Haaren und stechendem Blick; viel eher der abgeklärte Manager eines erfolgreichen Unternehmens“, schrieben wir in TR 1/2006. Die Rede war von Henry Markram, Neurowissenschaftler und seinerzeit Leiter des Blue Brain Project, in dem der Forscher Tausende von Neuronen in einem Supercomputer „biologisch plausibel“ modellieren wollte. Seine These war, dass sich dieses simulierte Gewebe verhalten werde wie echtes Gewebe – und dass man auf diese Weise vielleicht sogar ein menschliches Gehirn simulieren könnte. „Das kleinstmögliche Netzwerk, das man sinnvollerweise untersuchen muss, besteht aus mindestens 1000, besser noch 10 000 Neuronen“, sagte uns Markram damals. „Da gibt es keine Grenze nach oben.“ Und: „Dabei kann durchaus so etwas wie Intelligenz entstehen.“ Das klang, als „sei der Geist in der Maschine reine Fleißarbeit“, notierten wir mit innerlich hochgezogenen Augenbrauen.

TR 1/2006: Vielleicht war die Titelzeile damals etwas zu optimistisch.
TR 1/2006: Vielleicht war die Titelzeile damals etwas zu optimistisch.

Und was wäre, wenn ihm das wirklich gelänge? Wäre das nicht ein revolutionärer Schritt? Der Forscher hatte immerhin IBM überzeugt, modernste Großrechner zu spenden. Also machten wir uns auf den Weg und befragten zahlreiche Experten – Informatiker, Neurologen und auch Philosophen: Könnte so ein simuliertes Gehirn wirklich intelligent werden? Was ist eigentlich diese Intelligenz? Und was ist mit Bewusstsein? Manche Experten hielten sein Vorhaben für illusorisch, reine Zeit- und Geldverschwendung. Andere waren skeptisch, aber vorsichtig optimistisch.