"Assassin's Creed Nexus VR" angespielt: Frischer Wind für eine alte Formel

Keine offene Welt, eigenhändiges Klettern und Heuhaufen-Sprünge aus der Egoperspektive: Wir testen, ob "Assassin's Creed" auch in VR funktioniert.

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(Bild: Ubisoft)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

"Assassin's Creed Nexus VR" stellt die Grundpfeiler der Open-World-Reihe auf den Kopf. Der exklusive Virtual-Reality-Ableger für Meta Quest verlegt die Schleich-Action von der offenen Welt in überschaubare Areale, die aus der Egoperspektive erkundet werden. Ich habe mich mit der Quest 3 in die wechselnden Geschichten von Ezio Auditore da Firenze, Kassandra und Connor Kenway gestürzt, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Sogar der Sprung vom hohen Turm findet hier aus der eigenen Sicht statt – mit ausgebreiteten Armen, damit das Manöver nicht über der realen Kloschüssel endet.

Der Trick ist erstaunlich effektiv: Zumindest mein VR-gestählter Magen ließ sich von dem Sturz nicht beeindrucken. Auch darüber hinaus hat Ubisoft viele sinnvolle Komfort-Optionen eingebaut und ausgetüftelt. Neben freier Bewegung und optionaler Teleportation gibt es zum Beispiel ein eingeblendetes Drahtgitter, das tatsächlich gegen Höhenangst hilft.

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Es empfiehlt sich, zumindest einige der Vorsichtsmaßnahmen zu aktivieren, denn schließlich führen die Schleich- und Kampfeinsätze der drei Protagonisten oft über die Dächer. Zusammengehalten werden ihre Geschichten von einer übergreifenden Rahmenhandlung als Doppelagent. In der Rolle eines Elite-Hackers gilt es, Mixed-Reality-Minispiele zu lösen, bei denen die zu bewegenden Blöcke im eigenen Wohnzimmer schweben.

Assassin's Creed Nexus VR angespielt (5 Bilder)

Die Geschichte rund um Ezio & Co. hat auch eine deutsche Tonspur, was bei VR-Spielen noch keine Selbstverständlichkeit ist. (Bild: heise online, jpw)

Mein Auftraggeber, der Templer-Konzern Abstergo, sucht in den historischen Erinnerungen nach hochgefährlichen Artefakten. Also versuche ich im Auftrag von zwei weiteren Klienten, den Plan zu durchkreuzen und Schadsoftware zu platzieren. Im Venedig der Renaissance zum Beispiel warten eine Reihe unterhaltsamer Diebstähle und Sabotageakte auf Ezio. Die begrenzte Größe der offenen Areale erinnert an Schleichspiele wie "Aragami 2" oder "Tenchu" und passt gut zu den Missionen.

Das Klettern auf dem Weg zu kleinen Safe-Rätseln oder einer wertvollen Maske geht meist angenehm flüssig von der Hand, auch wenn es nicht ganz den eleganten Flow von "Stride" oder "Horizon Call of the Mountain" erreicht. An hervorstehenden Steinen oder Vorsprüngen ziehe ich mich eigenhändig per Bewegungssteuerung empor. Waagerechte Stangen erfordern sogar eine schwungvolle Bewegung, um nicht ins Wasser zu plumpsen. Über Brücken und Pfeiler im Kanal springen die Helden dagegen automatisch, sofern ich richtig ziele und einen Knopf gedrückt halte.

Trotz der begrenzten mobilen Hardware-Power ergeben sich dabei hübsche Panoramen. Aus der Nähe trüben allerdings hier und da grobe Texturen, hölzerne Animationen und kleine Grafik-Glitches das Bild. Auch die direkten Kämpfe konnten mich noch nicht vollends überzeugen. Das System aus Klingenhieben, Paraden und schnellen Vorstößen funktioniert passabel, erreicht aber nicht die schweißtreibende Herausforderung des ausgeklügelten Asgard’s Wrath oder die wuchtige Physik von Dungeons of Eternity. Wer trotz der etwas zaghaften KI-Krieger eine Herausforderung sucht, kann den Schwierigkeitsgrad aber in verschiedenen Bereichen nachjustieren.

Meine Empfehlung: Wo es geht, sollten Sie die Missionen auf leisen Sohlen angehen! Das Heranschleichen an Wachen mit versteckter Klinge, Bogen oder Armbrust sorgt schnell für eine diebische Genugtuung. Besonders viel Spaß macht es, die Gegner aus der Luft mit einem tödlichen Stich zu überraschen. Einige altbekannte Mechaniken sind ebenfalls vertreten. Dazu gehören Wurfgegenstände zur Ablenkung, das Untertauchen in Menschenmasse und das Verfolgen von Zielpersonen, die sich neuerdings mit einem langen Blick markieren lassen.

Über einen Mangel an Abwechslung kann ich mich bisher nicht beklagen. Ob im Krieg zwischen Athen und Sparta oder bei Connors Ausflügen über die Dächer Bostons: Immer wieder lockern willkommene Nebenaktivitäten die Schleich-Action auf. Es gibt knifflige Parcours-Herausforderungen auf Zeit, Schlösserknacken per Bewegungssteuerung, mechanische Puzzles und natürlich Sammelobjekte wie historische Fragmente. Hoffentlich reicht die Story-Spielzeit auch aus, um all diese Mechaniken zu verinnerlichen.

Meinem Fortschritt nach zu urteilen, dürfte sie etwa bei zehn bis zwölf Stunden liegen. Für 40 Euro geht das in Ordnung, allerdings dürfen Fans kein riesiges Open-World-Abenteuer wie in den Vorgängern erwarten. Wer mehr Umfang will, sollte sich das Action-Rollenspiel "Asgard’s Wrath 2" vormerken, das am 15. Dezember exklusiv für Meta Quest erscheint.

"Assassin’s Creed Nexus VR" hat mich bisher zwar nicht so gepackt wie der PSVR2-Modus von "Resident Evil Village" oder "Vertigo 2", gehört aber schon in den ersten sechs Stunden zu den unterhaltsamsten VR-Abenteuern des Jahres. Andere VR-Spiele mögen einzelne Mechaniken besser umsetzen, aber Ubisoft bietet hier endlich wieder ein abwechslungsreiches Action-Adventure mit hohem Story-Anteil – also genau das, woran es dem Medium Virtual Reality derzeit mangelt. Das Spiel ist seit Donnerstag, 16. November 2023 für Quest 2, 3 und Pro erhältlich.

(jpw)