Elektroauto BYD Atto 3 im ersten Fahrbericht: Hochwertig, aber noch zäh ladend

Chinesische Autohersteller versuchen, in Europa Fuß zu fassen. Der BYD Atto 3 zeigt, dass die Chance auf einen Erfolg groß ist. Ein erster Fahrbericht.

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BYD Atto 3

(Bild: BYD)

Lesezeit: 5 Min.
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Vermutlich wiederholt niemand in der Autoindustrie jenen Fehler, den sie einst mit den Japanern machte: Sie zu unterschätzen. Der erste Anlauf der Chinesen auf den europäischen Automarkt mag mit dem fatalen Zerschellen im Crashtest erledigt gewesen sein, der schon begonnene ist damit jedoch nicht zu vergleichen. Autos aus dem Reich der Mitte werden Teile des europäischen Marktes besetzen, das ist ziemlich sicher. Gute Chancen dabei hat Build Your Dreams (BYD). Mit dem Atto 3 soll im Herbst ein kompaktes E-SUV auf den Markt kommen. Wir konnten uns bereits einen ersten Eindruck verschaffen.

Die Chinesen setzen genau dort an, wo es aktuell die größte Nachfrage gibt: bei den kompakten SUV. Mit einer Länge von 4,46 m ist der Atto 3 etwa so lang wie ein Mercedes EQA. Der Radstand misst 2,72 m. Platz ist reichlich, vor allem vorn. Hinten wird es erst dann knapp, wenn drei Leute dort sitzen möchten. Vorn sind auch die Sitze deutlich bequemer als hinten. Der Bezug aus Kunstleder wirkt weniger billig, als es die Bezeichnung andeutet. Zum luftigen Raumgefühl trägt auch das serienmäßige Glasschiebedach bei. Der Kofferraum fasst 440 Liter – kein Spitzenwert, bezogen auf das Verhältnis zur genutzten Verkehrsfläche.

Die Chinesen sparen offenbar nicht an der oberflächlichen Qualität. Nichts im direkt sichtbaren Bereich wirkt, als hätten strenge Controller diesbezüglich das letzte Wort gehabt. Auch die Verarbeitung erscheint solide. Von einem billig zusammengeschusterten Auto ist der Atto 3 angenehm weit entfernt. Sollte es noch leise Hoffnungen der europäischen Hersteller gegeben haben, sich in dieser Hinsicht abzusetzen, können sie diese begraben.

BYD Atto 3 (9 Bilder)

Ein schlankes Armaturenbrett mit eigenwilligen Lüftungsdüsen und einem drehbaren ...

BYD fängt außerdem zaghaft an, eigene Akzente zu setzen. Damit ist weniger der Wählhebel gemeint, der an einen Schubhebel aus einem Flugzeug erinnert, und auch nicht die Spanngummis an den Türverkleidungen. Doch die Idee, den 12,8 Zoll großen Hauptbildschirm in der Mitte des Armaturenbretts einfach nach Belieben drehen zu können, hat schon seinen Charme.

Der BYD Atto 3 soll vorerst mit nur einem Antrieb angeboten werden. Der leistet 150 kW und bietet 310 Nm und hat damit exakt jene Daten, die auch VW für einen Strang auf Basis des Modularen Elektrikbaukastens nennt. 7,9 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h mögen in dieser Klasse kein neuer Rekord sein, flott genug geht es im Atto 3 aber wahrlich voran. Bei 160 km/h ist Schluss, was global nur in wenigen Staaten jemanden interessiert. Angetrieben werden hier, anders als im VW, die Vorderräder, die bei der Kombination aus feuchter Straße und flottem Beschleunigungswunsch schon mal an gewisse Grenzen stoßen.

Die Batterie hat einen Energiegehalt von 60 kWh, die Reichweite gibt BYD mit 420 km an. Zum Verbrauch wird erst ein Test Erkenntnisse liefern. Als einer der ersten Hersteller setzt BYD auf LFP-Zellen, also einen Materialmix aus Lithium und Eisenphosphat. Der ist etwas schwerer als die aktuell meist verwendeten NMC-Zellen, gilt aber als zyklenfest und ist billiger. Aktuell liegt die Spannungsebene noch bei 400 Volt, die Vorbereitung auf 800 Voilt läuft jedoch bereits. Dann wird sich auch an der Ladeleistung etwas tun, denn das ist aktuell noch der größte Hemmschuh des Atto 3. Maximal 85 kW sind nicht mehr zeitgemäß, wenngleich die Peakleistung über die Ladedauer nur begrenzt etwas aussagt. Wichtig für die Ladezeit im Alltag ist, über welchen Bereich des Ladefensters die Leistung anliegt. Mercedes hat im EQA gezeigt, dass 100 kW nicht viel erscheinen mögen, doch liegen sie dort lang an.

Auf den paar Kilometern holpriger und kurviger Rundstrecke, auf denen wir mit dem Atto 3 unterwegs sein konnten, zeigte er sich als sehr gelassen in der Federung und spurstabil in den Kurven. Das allerdings nur als ersten Eindruck, ausführlichere Tests stehen noch aus.

BYD Atto 3 (8 Bilder)

Äußerlich setzt der BYD Atto 3 keine ...

Noch gibt es keine Informationen zu den Preisen. Die hiesige Konkurrenz darf sich aber darauf einstellen, dass die Chinesen mit einer aggressiven Preispolitik in den Markt einsteigen werden, schon um das anfangs dünne Vertriebsnetz und das fehlende Image zu kompensieren. Wir rechnen mit einem Basispreis von rund 30.000 Euro – nach Abzug der im kommenden Jahr noch ausgezahlten Kaufprämie. Auch dieser Umstand dürfte dazu beitragen, dass die aufziehende Konkurrenz die hiesigen Anbieter in Unruhe versetzt, und das zu Recht.

(mfz)