Elektroauto VW ID.5 GTX im Fahrbericht: Flotte Hülle mit frischer Software

VW will mit dem SUV-Coupé ID.5 GTX Softwareprobleme hinter sich lassen und solvente Kunden anlocken. Eine erste Ausfahrt klärt die Chancen auf einen Erfolg.

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VW ID.5 GTX

(Bild: VW)

Lesezeit: 8 Min.
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Rational ist das eigentlich kaum zu erklären: Man denke sich ein Fahrzeugformat, das vortäuscht, abseits befestigter Straßen mehr zu können als ein gewöhnliches Auto, versehe es mit riesigen Rädern und geringfügig mehr Bodenfreiheit, ergänze ein flaches Heck und dichte dem ganzen Paket eine sportliche Attitüde an – fertig ist das SUV-Coupé. Gut für die Industrie, dass Kaufentscheidungen auch bei Autos eben nicht allein nach praktischen Gesichtspunkten gefällt werden. Für die Konzerne ist entscheidend, ob sie ihre Produkte in gewünschter Stückzahl loswerden, und mit den aufgebockten Coupé-Darstellern scheint es, global betrachtet, dafür eine ausreichend große Zahl an Interessenten zu geben. Der VW ID.5 ist deshalb nicht etwa allein auf dem Markt, sondern befindet sich in einem rasch wachsenden Umfeld. Wir konnten bereits eine erste Runde mit dem SUV drehen.

Spannend dabei war vor allem, ob es Volkswagen endlich gelungen ist, seine Software-Probleme in den Griff zu bekommen. Denn technisch trennt den ID.5 nichts von den anderen Modellen auf dieser Plattform. Es bleibt bei maximal 77 kWh Energiegehalt in der Batterie, die Ladeleistung wurde leicht auf 135 kW angehoben – kein großer Schritt also. Der Antrieb des ID.5 GTX wird ebenfalls schon in diverse Setzlinge dieser Plattform verpflanzt. Die Systemleistung liegt bei 220 kW. An der Vorderachse arbeitet ein Asynchronmotor mit 70 kW, hinten ein Synchronmotor mit 150 kW. VW nennt 6,3 Sekunden im Standardsprint, mit 180 km/h darf der GTX 20 km/h schneller fahren als die Modelle mit weniger Leistung.

VW ID.5 GTX (5 Bilder)

Bisher konnten Autos auf Basis des Modularen Elektrobaukastens mit maximal 125 kW laden. Nun sind bis zu 135 kW möglich.

Im direkten Vergleich zu diesen Versionen merkt man vom zweiten Aggregat an der Vorderachse bei der Testfahrt vergleichsweise wenig. Das ist jedoch vor allem der Tatsache geschuldet, dass die verstopften Landstraßen rund um Salzburg dem GTX nicht viel Raum für dynamisches Fahren gaben. Leistung ist mit 220 kW weit mehr als nur ausreichend vorhanden, die meisten Fahrer dürften mit der 150-kW-Varianten bereits vollauf zufrieden sein. Das Geld lieber in etwas mehr Ausstattung zu stecken, erscheint uns sinnvoll, wenngleich die Zeiten, in denen man sich einen Neuwagen individuell mit einzelnen Extras zusammenstellen konnte, vorbei sind. Für den ID.5 gibt es nur wenige Pakete, die dazugebucht werden können.

Die Maximalleistung von 220 kW steht in vollem Umfang ohnehin nur unter exakt definierten Bedingungen zur Verfügung. VW macht daraus kein Geheimnis, sondern benennt die Vorbedingungen ganz klar:

Elektrische Maximalleistung 220 kW: Gemäß UN-GTR.21 ermittelte Maximalleistung, welche für maximal 30 Sekunden abgerufen werden kann. Die in der individuellen Fahrsituation zur Verfügung stehende Leistung ist abhängig von variablen Faktoren wie zum Beispiel Außentemperatur, Temperatur-, Lade- und Konditionierungszustand oder physikalische Alterung der Hochvoltbatterie. Die Verfügbarkeit der Maximalleistung erfordert insbesondere eine Temperatur der Hochvoltbatterie zwischen 23 und 50 Grad Celsius und einen Batterieladezustand mehr als 88 Prozent. Abweichungen von vorgenannten Parametern können zu einer Reduzierung der Leistung bis hin zur Nichtverfügbarkeit der Maximalleistung führen.

Den Verbrauch im WLTP beziffert VW mit 17,7 bis 20,5 kWh/100 km. Als maximale Reichweite in diesem Zyklus werden 491 km angegeben.

Das Panoramadach verleiht dem ohnehin geräumigen Innenraum gefühlt zusätzliche Größe. Leider spart sich VW eine Öffnung, was diesem Extra einiges an Charme nimmt. Überzeugend funktionierte im Testwagen die Pilot-Assist-Funktion, die dem Fahrer auch bei miesen Wetterbedingungen viel Arbeit abnimmt. Selten mahnt das System das Festhalten des Lenkrads an. Während manch anderer Hersteller den Fahrer mit ständigen Warnungen eher nervt, lässt einem der ID.5 schon eine leichte Berührung des Lenkrads als Fahrtätigkeit durchgehen.

VW ID.5 GTX Innenraum (9 Bilder)

Erkennungsmerkmal des GTX-Innenraums ist die rote Naht quer übers Armaturenbrett. 

Der Assistent funktioniert so gut, hält Abstand zum vorausfahrenden Verkehr, zeigt Lastwagen oder PKW im AR-Head-up-Display korrekt an und bietet mit der Cloud-Unterstützung ein interessantes Feature. Aktiviert man die Datenfreigabe, ziehen die ID-Modelle digitale Spuren durchs Land und bauen so eine Karte aus Fahrwegen auf, die sich aus den gemittelten Fahrspuren der unterschiedlichen Fahrten ergibt. Sind genügend unterschiedliche IDs ein und denselben Weg gefahren, können andere Fahrzeuge die Spur über die Cloud abrufen und sie für Assistenz- und später auch Pilotfahrten nutzen. In Österreich waren noch keine dieser Spuren zu sehen – man erkennt sie an einer gepunkteten Linie im Assistenz-Display.

Das Mitteldisplay ist mit 13 Zoll recht üppig, der winzige Bildschirm des Kombiinstruments mag im ID.3 noch als witzig durchgehen, im ID.5 wirkt er leicht verloren. Bei der Navigation passen hier kaum Informationen drauf und die drei Infokacheln drängeln sich beim Betätigen der View-Taste am Lenkrad gegenseitig aus dem Sichtfeld, als ob sie einfach nicht genug Platz hätten. Im ID.5 ist das Head-up-Display mit Augmented Reality Serie. Es dupliziert einige der auf dem Kombiinstrument angezeigten Informationen, sodass noch Platz verschenkt wird.

Im Testwagen arbeitete schon das OS 3.1. Ausgeliefert wird die erste Charge des ID.5 noch mit OS 3.0. Es bringt vorwiegend eine gegenüber der Vorversion verbesserte Routenplanung mit automatischen Ladestopps. Die Navigationsanfrage ins entfernte Hannover wird nach ein paar Gedenksekunden höflich bedient – inklusive zwei Ladestopps sollen wir laut Navi innerhalb von 8 h und 25 min mit einer Restkapazität von 12 Prozent eintreffen. Wie zuverlässig die Prognose ist, kann man erst bei einem Test des Systems validieren. Ein beiläufiger Kommentar eines Mitarbeiters bei der Fahrzeugübergabe bringen die Befürchtungen auf den Punkt: "Wir haben erstmal in Google Maps nachgeschaut, wie die Routen heute sind". Zwei der drei Routen zum Hotel wurden an diesem Tag ausgeklammert, weil Google – nicht das VW-System – es so vorgeschlagen hat.

Das Navi im ID.5 ist auch in der Version 3.1 optimierungsbedürftig. Immer mal wieder werden Sprachbefehle als Zieleingabe missinterpretiert. Die Teststrecke führt durchs Grenzgebiet zwischen Deutschland und Österreich, was offensichtlich zu häufigem An- und Abmelden des Fahrzeugs in unterschiedlichen Mobilfunknetzen führt. Die Onbord-Spracherkennung von Cerence funktioniert grundsätzlich auch ohne Internetverbindung, allerdings ordnet sie Spracheingaben nach einem statistischen Verfahren im Zweifelsfall als mögliche Navi-Eingabe ein. Ist das Fahrzeug online, funktioniert die Spracheingabe deutlich flüssiger.

Auch die Darstellung bei aktiver Zielführung hat so ihre Tücken. Die voreingestellte Zoomstufe etwa will die Routenführung übersichtlicher gestalten, indem sie kleinere Seitenstraßen komplett ausblendet. Bei der Orientierung sind diese jedoch äußerst nützlich und das Fehlen genau dieser Information macht das Abbiegen teils unnötig schwierig. Bei in den Alpen recht häufigen Kurvenfahrten wird die Fahrzeugausrichtung zudem nur stockend nachgeführt, was die Orientierung zusätzlich erschwert.

VW ID.5 GTX außen (4 Bilder)

Der VW ID.5 ist füllig im Design.

Perfekt gelungen ist die kabellose Version von Android Auto und Apple CarPlay. Das Smartphone ruht auf dem QI-Charger in der Mittelkonsole und füllt das Display mit Navi-Inhalten, Musikdiensten und allem, was die beiden Automotive-Einbindungen fürs Smartphone zu bieten haben.

Der ID.5 ist derzeit in drei Versionen zu haben: Das Basismodell mit 128 kW kostet 46.515 Euro, die Variante mit 150 kW rund 1000 Euro mehr. Der von uns gefahrene ID.5 GTX startet bei 53.615 Euro. VW zieht im Konfigurator den Herstelleranteil des Umweltbonus standardmäßig bereits ab. Falls jemand ein weiteres Argument suchen sollte, warum Konzerne ein Fahrzeugformat auf den Markt werfen, das auf den ersten Blick so sinnvoll erscheint wie die geschmackliche Kombination aus Erdbeereis und Leberwurst: Es gibt dafür nicht nur eine relevante Zahl an Kunden, sondern sie akzeptieren für diese besondere Verpackung im Falle des ID.5 auch noch rund 3000 Euro Aufpreis. Ganz rational betrachtet ist Format SUV-Coupé für die Industrie also ziemlich sinnvoll. Alle anderen dürfen sich damit trösten, dass die praktischere Version für etwas weniger Geld zu haben ist.

(mfz)