Fahrbericht Jeep Grand Cherokee L 5.7 V8 Overland

Mit der Neuauflage des Grand Cherokee setzt Jeep auf klassische Werte, die diesen Riesen auf dem US-Markt bislang erfolgreich gemacht haben. Eine erste Ausfahrt

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 6 Kommentare lesen
Jeep Grand Cherokee L 5.7 V8

(Bild: press-inform)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Stefan Grundhoff
Inhaltsverzeichnis

Wer über den großen Teich in das Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten schaut, wird schnell feststellen, dass die dortige Sicht auf die Dimensionierung von Fahrzeugen sich von der hiesigen erheblich unterscheidet. Zwar hat Kalifornien seit Jahrzehnte die weltweit strengsten Abgasvorschriften, doch zum Verbrauch hat man ein eher entspanntes Verhältnis. Gleiches gilt für die Fahrzeuggröße. Auf deutschen Straßen sind Autos mit einer Länge von deutlich mehr als fünf Metern selten, dort sind sie Normalität. Ein Ausflug mit dem neuen Jeep Grand Cherokee L 5.7 V8 Overland, der im kommenden Jahr als Kurzversion, also ohne den Zusatz "L", auch hier angeboten wird.

Räumen wir es gleich zu Beginn ab: "Neu" heißt in diesem Fall nicht maximal effizient, sondern "leicht verändert bei Beständigkeit in bisherigen Werten". Der 5,7-Liter-V8 ist technisch trotz Zylinderabschaltung vergleichsweise simpel aufgebaut, eine Aufladung gibt es nicht. Hubraum soll es richten, und mit 5654 cm3 wurde diesbezüglich reichlich eingeschenkt. 268 kW und 520 Nm sind das Resultat, das ein Fahrzeuggewicht von mindestens 2370 kg in Bewegung setzen sollen. Schon den Normverbrauch gibt Stellantis mit 17 mpg (miles per gallon) an, was umgerechnet 13,68 Liter/100 km bedeutet. Betrachten Sie dies als untere Grenze dessen, was möglich ist. Wer den bulligen Durchzug und den brabbelnden V8-Klang häufig verkostet, darf sich auf eine heftige Spritrechnung einstellen. 15 mpg dürften es zumeist werden, umgerechnet also rund 15,7 Liter auf 100 km.

Für europäische Verhältnisse, in denen SUVs selbst für einen zu erwartenden Praxisverbrauch von unter fünf Litern in unserem Forum heftig gescholten werden, sind solche Werte nur noch einer Minderheit vermittelbar. Dessen ist man sich natürlich auch bei Stellantis bewusst. Für Europa rechnen die Verantwortlichen damit, dass der Grand Cherokee vor allem mit Diesel und Plug-in-Hybrid geordert wird. Auf dem US-Markt hat er eine Reihe von ähnlich konzipierten Konkurrenten: Cadillac Escalade, Ford Expedition oder Chevrolet Tahoe sind ebenfalls Großabnehmer an Tankstellen – und trotzdem nicht etwa Exoten.

Unterwegs kommt der Achtzylinder mit dem mächtigen Geländewagen ausgezeichnet zurecht und es kann dem Fahrer relativ egal sein, ob er allein oder in voller Mannstärke in dem bis zu siebensitzigen Koloss unterwegs ist. Aus jedem Tempo geht es dank kräftigem Drehmoment schon bei geringen Drehzahlen und der gut abgestimmte Achtgang-Wandlerautomatik bullig und kraftvoll voran. Der Allradantrieb ist im V8 serienmäßig, im V6 optional. Auf Unebenheiten reagiert der Grand Cherokee dank elektronischer Dämpferabstimmung deutlich feinfühliger als der Vorgänger. Das Leergewicht ist mit 2370 Kilogramm jedoch stattlich. Das spürt man insbesondere in schnell gefahrenen Kurven und beim Verzögern. Dabei ist die Gewichtsverteilung nahezu ausgeglichen, was sich in einem neutralen Fahrverhalten zeigt.

Die Lenkung könnte präziser sein, bietet dem Fahrer jedoch den Komfort, den er in dieser Klasse erwartet. Kaum ein Kunde dürfte den massigen Amerikaner eilig über die Landstraße scheuchen. Wer mag, kann ein Offroad-Paket ordern, das unter anderem Schutzplatten für den Unterboden, Tank, Getriebe und Aufhängung umfasst. Eingebaut ist dann auch eine elektronische Differenzialsperre an der Hinterachse. Spätestens dann dürfte der Grand Cherokee L abseits befestigter Wege weiter kommen, als es der Durchschnittskunde je überprüfen wird.

Der Grand Cherokee L misst 5,2 Meter in der Länge, 3,09 m davon entfallen auf den Radstand. Zur groben Einordnung: Ein Mercedes GLS kommt auf 5,2 m/3,13 m, ein Audi Q7 auf 5,06 m/3 m. Dementsprechend großzügig ist das Platzangebot überall, auch in der dritten Reihe können Erwachsene menschenwürdig untergebracht werden, sofern sie keine ausgesprochenen Riesen sind. Je nach Bestuhlung fasst der Kofferraum hinter der sich etwas langsam elektrisch öffnenden Heckklappe 490, 1330 oder 2390 Liter.

Großen Wert legen viele Kunden auf dem US-Markt auf das Soundsystem, wobei der amerikanische Hörgeschmack etwas anders ausfällt. Dort sind voluminöse Bässe gefragt – nicht unbedingt besonders tief reichend oder präzise, aber eben füllig. Ein Verstärker beliefert insgesamt 19 Lautsprecher – und einen 25,4-cm-Subwoofer, der das abliefert, was viele Kunden vermutlich genau so haben wollen. Im Prospekt ist von einem 760-Watt-Verstärker die Rede, im Konfigurator hat er 950 Watt. Was auch immer stimmen mag: Die Anlage, die McIntosh zuliefert, spielt sehr kraftvoll.

Jeep Grand Cherokee L 5.7 V8 Overland (19 Bilder)

Für europäische Verhältnisse ist der Jeep Grand Cherokee L 5.7 V8 Overland ein riesiges SUV, auf dem US-Markt ist diese Fahrzeuggröße nicht selten.

(Bild: press-inform)

Das Infotainmentsystem ist auf der Höhe der Zeit, was einerseits eine umfangreiche Funktionalität bedeutet. Die Rückbank lässt sich mit einer Kamera im Dachhimmel beobachten, der Nachwuchs kann also nicht mehr heimlich Unsinn treiben. Android Auto und Apple Carplay können kabellos eingebunden werden, auch für die Aufladung braucht es keine Strippe mehr. Andererseits bedeuten viele Funktionen auch, dass sich der Nutzer mit dem System etwas beschäftigen muss, wobei es Hersteller gibt, die diesbezüglich mehr Einarbeitung verlangen.

In den USA kostet das Basismodell des Grand Cherokee derzeit 39.220 US-Dollar. Dafür gibt es einen V6 mit 215 kW, Hinterradantrieb und eine bereits recht umfangreiche Serienausstattung. In der von uns gefahrenen, sehr luxuriösen "Overland"-Version mit V8 sind es schon mehr als 60.000 US-Dollar, wobei es dann, anders als bei deutschen Autoherstellern, nicht mehr viel gibt, was der Kunde hinzubestellen kann. Den Ausstattungsumfang mit üppig zu umschreiben, wäre eine maßlose Untertreibung. Dazu kommt, dass die Verarbeitung im Testwagen sehr ordentlich war. Der Markt für solche Riesen ist hierzulande klein, aber vorhanden. Diese erste Ausfahrt zeigt: Den in diesem Segment etablierten Herstellern bleibt ein gestärkter Kontrahent erhalten.

(mfz)