Die Mär vom rasenden Fortschritt

Der Fortschritt wird immer schneller. Geschluckt werden alle, die jetzt nicht richtig Gas geben. Das jedenfalls behaupten Medien, Vordenker oder Unternehmensberater immer wieder. Nur: Es stimmt nicht.

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Von
  • Eva Wolfangel
Inhaltsverzeichnis

Die Wände voller Post-its, dazwischen Tische, an denen junge Menschen sitzen, die sich nur mit ihrem Vornamen vorstellen, nachdenklich Legoteile zusammenstecken und betonen, keinen Chef und tolle Ideen zu haben: So präsentiert der Technologiekonzern Bosch seine sogenannten Disruption Teams auf YouTube. Das schwäbische Familienunternehmen gibt es seit 125 Jahren – aber wie bei vielen deutschen Unternehmen ist die Angst groß, den Anschluss zu verpassen, von diesen gefürchteten Start-ups mit ihren gefährlichen Ideen abgehängt zu werden. Die Disruption Teams sollen diese drohenden Veränderungen im Blick behalten – und sie idealerweise selbst machen. Der erste Schritt dazu: Start-ups imitieren. Schneller sein, weil die Welt sich schneller dreht.

Der rasante technologische Wandel, so die Botschaft, kann jederzeit das Leben umkrempeln und Unternehmen hinwegfegen. Schau nur, wie es Kodak ergangen ist. Der Umbruch zur digitalen Fotografie hat den Filmhersteller komplett aus dem Markt gedrängt. Schau nur, wie Apples iPhone die Wertschöpfung verändert hat. Das Wort Disruption wurde 2011 nur fünfmal in deutschen Medien erwähnt, 2015 bereits 205-mal, hat das Medienforschungsinstitut Prime Research im Auftrag der "FAZ" herausgefunden. Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart stellt auf einer Diskussionsveranstaltung klar: "Die Gegenwart wird nicht bleiben, sie wird untergehen." Der "Spiegel" widmete gleich eine ganze Titelgeschichte dem Thema "Was der rasante digitale Fortschritt dem Menschen abverlangt". Und das Beratungsunternehmen KPMG ist der Meinung, dass "die Geschäftswelt gerade kräftig von neuen, disruptiven Technologien durchgerüttelt" wird.

TR 6/2017

Doch die Beobachtung hat einen Haken: Ihr fehlen die Belege. Der technologische Wandel vollzieht sich keineswegs schneller als früher. Bei Vorträgen zum Thema Disruption fallen vor allem zwei Umstände immer wieder auf. Erstens: wie alt die angeführten Beispiele sind. Die digitale Fotografie wurde 2003 zum Massenphänomen, das erste iPhone kam 2007 auf den Markt. Beides krempelte Branchen nachhaltig um. Aber wenn sich der Fortschritt derart beschleunigt, sollte es dann nicht Beispiele geben, die weniger als zehn Jahre alt sind?

Zweitens: dass der Umsturz selten über Nacht kam. Schon 1992, zehn Jahre vor dem Durchbruch auf dem Massenmarkt, stellten alle namhaften Hersteller Digitalkameras auf der Photokina vor. Amazon gibt es seit 1994, aber erst weit über ein Jahrzehnt später entwickelte es sich zur wirklichen Bedrohung für den Einzelhandel. Google existiert seit 1997, macht seit 2001 Gewinn mit Werbung – und seitdem wissen Verlage, dass wichtige Teile ihres Geschäftsmodells angegriffen werden. Trotzdem gibt es sie auch im Jahr 2017 noch. Zweifel sind daher angebracht, ob wir wirklich in einer Zeit rasanter technologischer Entwicklungen leben. Mehr noch: Die Behauptung verdeckt ein Problem, das viel grundlegender ist.

Die Ökonomie

Beginnen wir mit der Wirtschaft. Wie lange dauert es, bis sich Innovationen durchsetzen? Ökonomen dient die Zeit als Maßstab, die es braucht, bis 50 Prozent aller Haushalte mit einer neuen Technologie ausgestattet sind: So können sie unterschiedliche Technologien und deren Verbreitungstempo miteinander vergleichen. Wenn wir wirklich in der schnellsten Zeit leben, müssten sich die aktuellen Innovationen schneller durchsetzen als die in früheren Zeiten. Aber: Fehlanzeige, wie David Moschella, wissenschaftlicher Leiter des "Leading Edge Forum", einem IT-Forschungs- und Beratungsunternehmen, zeigt. Er hat diese Zahlen für die USA erhoben.

"Sowohl das Radio als auch der Fernseher erreichten diese 50-Prozent-Grenze schneller als der Computer oder das Mobiltelefon", so Moschella. 1939 wurde der Fernseher erstmals verkauft, bereits neun Jahre später war er in jedem zweiten US-Haushalt zu finden. Das Radio verbreitete sich gar in acht Jahren (1922 bis 1930). Das Mobiltelefon hingegen brauchte 15 Jahre (1980 bis 1995), der Computer gar 17 Jahre (1976 bis 1993). Für Deutschland ist es zwar schwieriger, vergleichbare Zahlen zu finden. Aber jene, die es gibt, legen einen vergleichbaren Schluss nahe.

Das Statistische Bundesamt führt seit 1962 eine Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, in der auch die Ausstattung deutscher Haushalte mit Unterhaltungselektronik enthalten ist. Daraus lässt sich ablesen, wie schnell sich technologische Neuerungen am Markt durchsetzen. Besonders auffällig ist der Vergleich zwischen Fernseher und Computer. TV-Geräte verbreiteten sich deutlich schneller als Computer – mit massiven Auswirkungen für Kinos, Theater, Zeitungen oder Radiosender. Ähnliches gilt jedoch auch für Privatautos, das Telefon oder die Waschmaschine. Schneller als frühere Technologien verbreitete sich nur das Mobiltelefon. Ein Beispiel aber beweist noch keinen grundlegenden Trend.

Auch der US-Ökonom Robert J. Gordon findet keinerlei Beweise für massenhaft technische Innovationen. In seinem Buch "The Rise and Fall of American Growth" zeigt er das anhand der Gesamtfaktorproduktivität, einem volkswirtschaftlichen Maß, das den technischen Fortschritt abbildet. Während Produktivität das meint, was ein Arbeiter in einem gewissen Zeitraum produziert, sammelt sich in der Gesamtfaktorproduktivität alles, was einen Produktivitätszuwachs verursacht – jenseits von Arbeit und Kapital. Dieser auf den ersten Blick unerklärliche Rest an Zusatzproduktivität bietet sich als Maß für den technischen Fortschritt an. Von 1920 bis 1970 sei sie durchschnittlich um 1,89 Prozent pro Jahr gestiegen, zwischen 2004 und 2014 hingegen nur um 0,4 Prozent. Gordons Resümee: Der technische Fortschritt hat sich sogar dauerhaft verlangsamt.

Selbst die Start-up-Kultur scheint längst nicht den behaupteten Einfluss zu besitzen. In den USA hat sich der Anteil der Firmen, die jünger als ein Jahr sind, von 1978 bis 2011 fast halbiert. Wer Erfolg hat, wird oft von den Großen aufgekauft und integriert. "Es ist zunehmend vorteilhaft geworden, ein etablierter Anbieter zu sein, und weniger vorteilhaft, als Neueinsteiger zu agieren", schreiben die Ökonomen Ian Hathaway und Robert Litan in einer Studie der Brookings Institution.

Lässt sich die Entwicklung wenigstens an vermehrten Pleiten oder Übernahmen von Unternehmen messen? Beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW stößt diese Frage auf Schulterzucken. Sowohl Gründungsraten als auch Insolvenzen von Unternehmen seien derzeit tendenziell rückläufig. "Alle Indikatoren zum Strukturwandel weisen auf eine normale Situation hin", sagt Wirtschaftsprofessor Martin Gornig.

Wer bei der Deutschen Börse nachfragt, erhält eine ähnliche Reaktion. Im Dax, dem Aktienindex der 30 größten und umsatzstärksten deutschen Unternehmen, zeigt sich vor allem eins: zähe Konstanz. Seit der ersten Zusammenstellung im Dezember 1987 wurde im Schnitt pro Jahr etwa ein Unternehmen ausgetauscht. Zwischen 2012 und 2015 blieb die Zusammensetzung sogar konstant. 2016 gab es einen Wechsel. Und im technologieorientierten TecDax, in dem die 30 größten und umsatzstärksten deutschen Technologiewerte vertreten sind? Dort fallen im Schnitt immerhin zwei bis drei Unternehmen pro Jahr heraus. Wer aber genauer hinsieht, erkennt, dass sich oft kaum mehr als die Namen der beteiligten Unternehmen ändern: Ein gutes Beispiel dafür ist Jenoptik. Im März 2003 war es in der ersten Zusammenstellung enthalten, heute taucht der Name nicht mehr auf, dafür die Carl Zeiss Meditec AG, ebenfalls aus Jena und ein Tochterunternehmen der Carl Zeiss AG.

Beide verdienen ihr Geld mit optischen Technologien und haben ursprünglich sogar die gleichen Wurzeln: 1846 eröffnete der Mechanikermeister Carl Zeiß seine feinmechanisch-optische Werkstatt in Jena. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen aufgespalten: Das Jenaer Werk wurde als VEB Carl Zeiss Jena in die DDR-Staatsindustrie integriert und wuchs schnell: In den 1980er-Jahren umfasste das Zeiss-Kombinat 25 Betriebe mit bis zu 70000 Beschäftigten. Im Westen wurde in Oberkochen die Opton Optische Werke Oberkochen GmbH gegründet, die später umbenannt wurde in "Zeiss-Opton Optische Werke Oberkochen GmbH". Das Unternehmen verbesserte die Brillengläser-Technologie und baute unter anderem das weltweit am häufigsten verkaufte Mikroskop sowie eines der ersten Elektronenmikroskope. Nach der Wiedervereinigung entstanden zahlreiche Tochterunternehmen, darunter die Meditec AG. Disruption sieht anders aus.

Die Psychologie

"In der Regel kommt die Entwicklung nicht mit Lichtgeschwindigkeit", sagt Kai Goerlich, Chief Futurist des Softwarekonzerns SAP und als solcher qua Stellenbeschreibung auf Veränderungen gepolt. "Ich als Biologe setze eher auf das Prinzip Evolution." Das Gerede von der überraschenden und schlagartigen Disruption hält er für wenig zielführend. Denn eine häufige Reaktion darauf ist: Festhalten am Alten und Klage darüber, dass alles viel zu schnell geht, um ein Unternehmen rechtzeitig darauf einzustellen.

Tatsächlich beobachtet das DIW hierzulande eine ausgesprochen schwache Investitionstätigkeit. "Das kann Ausdruck einer hohen Unsicherheit über die neue digitale Welt sein", sagt DIW-Ökonom Gornig. "Die Unternehmen wissen nicht, ob ihre bisherigen Technologien noch zukunftsfähig sind." Doch diese Furcht verhindert Kreativität, und ohne sie fehlen neue Ideen. "Wenn ich angstgetrieben auf die Disruption schaue, nehme ich Chancen nicht mehr wahr", sagt Goerlich. Wer gelähmt wie das Kaninchen vor der Schlange sitzt, muss sich nicht wundern, wenn sie zubeißt. Das liegt dann aber nicht an der Schnelligkeit der Schlange. Viele vermeintliche Umwälzungen seien erstens "technologisch nicht wirklich verblüffend" und kämen zweitens meist mit langem Anlauf. Man denke nur an den Übergang von der SMS zu WhatsApp. Die Kommunikationsfunktion sei die gleiche geblieben. "Wenn das als Revolution gesehen wird, ist das gutes Marketing von WhatsApp."

Warum glauben dennoch so viele an die These? Weil unser Zeitgefühl sie als zutreffend erscheinen lässt, meint die Philosophin Yvonne Förster von der Universität Lüneburg. Ursache sei die gestiegene Informationsdichte. "Vor 30 Jahren war ein normaler Tagesablauf: arbeiten, einkaufen, essen, ,Tagesschau' sehen." Wenn es hoch kam, gab es die Zeitung schon zum Frühstück: Das Weltgeschehen hatte seinen festen Platz. Heute fällt es uns an, sobald wir das Handy einschalten. "Deshalb haben wir den Eindruck, die Zeit vergeht schneller", sagt Förster. Das Leben scheint dichter zu werden, überall auf einmal Neues aufzukommen. "Aber es gibt kaum Phänomene, die objektiv als beschleunigt beschrieben werden können".

Bei dieser Analyse könnte man es belassen und sich beruhigt zurücklehnen. Wenn sich alles doch nicht so schnell ändert, kann man auch weitermachen wie bisher. Das aber wäre ein Fehler. Denn die Beschleunigung mag lediglich gefühlt sein. Aber hinter diesem Gefühl verbirgt sich ein ernstes Problem. Und das lässt sich nicht aussitzen.

Um den Gedankengang zu veranschaulichen, holt Goerlich Stift und Papier aus der Tasche. Dann zeichnet er eine Kurve. Es sind die langen Wellen des russischen Ökonomen Nikolai Kondratjew, die die langfristige Konjunkturentwick-lung in Zyklen von 40 bis 60 Jahren beschreiben. Am Beginn jeder Welle steht eine neue Technik, die zu Veränderungen führt. So wurde die erste lange Welle von 1787 bis 1842 laut Kondratjew durch die Erfindung der Dampfmaschine ausgelöst. Goerlich zeigt auf die jüngste, fünfte Welle etwa ab Beginn der 70er Jahre: Die Informations- und Kommunikationstechnologie steht am Anfang. Goerlichs Kurve steigt nur sehr langsam. "Hier werden die Technologien erfunden." Das Mobiltelefon etwa stammt von 1973. Dann wird der Anstieg immer steiler, schließlich verharrt der Stift an der steilsten Stelle der Kurve, kurz vor dem Plateau etwa im Jahr 1990. "An diesem Punkt bemerken die Unternehmen, dass es eine neue Technologie gibt", sagt Goerlich. Weil die Grundlagen vorhanden sind, kann die Entwicklung schnell vonstatten gehen.

Und dieser letzte, rasche Anstieg der Kurve prägt die Wahrnehmung. Die Ursache für hektische Betriebsamkeit ist daher nicht der rasante Fortschritt. Sondern die Unbeweglichkeit vorher. Auf dem falschen Fuß erwischt die Entwicklung nur jene, die den langen Anlauf übersehen und seinen transformativen Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft unterschätzt haben. "Die Wirtschaft hinkt oft 15 bis 20 Jahre hinterher", kritisiert Goerlich.1976 kam der erste für Privathaushalte erschwingliche PC auf den Markt (Apple I). 1990 erfand der britische Informatiker Tim Berners-Lee das weltweite Netz – und "es hat 20 Jahre gebraucht, bis es wirklich eingeschlagen ist". Viele Unternehmen bemerken neue Technologien erst dann, wenn die Kurve schon fast wieder auf dem absteigenden Ast ist. Wenn sie dann Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln, übersehen sie, dass bereits das nächste Neue entsteht.

"Viele Prinzipien, mit denen wir arbeiten, sind wahnsinnig alt", sagt auch Daimler-Zukunftsforscher Alexander Mankowsky. "Das Prinzip der Prozessoren wurde Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelt, das maschinelle Lernen wird in C++ programmiert, einer 40 Jahre alten Programmiersprache." Was wirklich passiert: Bereits Bekanntes wird immer schneller. Während sich das Grundprinzip der Computerchips in all den Jahrzehnten nicht geändert hat, ist ihre Leistung exponentiell gestiegen. Wer daraus jedoch schließt, dass fortan der gesamte technologische Fortschritt exponentiell verläuft, begeht einen Denkfehler. Weil jedes Jahr neue Smartphones auf den Markt kommen, können wir in zehn Jahren noch lange keinen Krebs heilen.

Die Zukunft

Nur wer später startet, muss schneller rennen. Das beste Rezept gegen den atemlosen Wettlauf ist daher: früher loslaufen. "Disruption kommt nur für die überraschend, die sich nicht mit den wissenschaftlichen Trends beschäftigen", sagt Wolfgang Wahlster, Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz DFKI. Zu seinem Leidwesen tun das deutsche Unternehmen nicht. "Der Begriff Industrie 4.0 ist ein Konzept aus Deutschland, das wir 2010 geprägt haben." Erst als er zeitverzögert als Industrial Internet in den USA aufgegriffen wurde, stieg in deutschen Unternehmen das Interesse stark an. Chatbots? Schon Ende der 1990er habe er den ersten seiner Art für den Versandhändler Otto entwickelt.

"Vor 60 Jahren hatte man schon einfache mehrschichtige neuronale Netze – und viele Vorstandsvorsitzende hören jetzt den Begriff maschinelles Lernen zum ersten Mal." Warum sich dennoch viele förmlich überrannt fühlen, komme daher, "dass Entwicklungen oft erst dann ernst genommen werden, wenn sie aus dem Silicon Valley in englischer Übersetzung zurückkommen".

Die Folgen sind kühne Zukunftspläne, die zum hektischen Innovationstheater verkommen: zum So-tun-als-ob. Plötzlich wimmelt es von superintelligenten Robotern, Ideen für Gehirn-Uploads und fliegenden Autos – gerade so, als stünden diese Dinge direkt vor der Tür. "Das fliegende Auto wird Realität" titelten viele Medien (wie hier die "Welt") angesichts einer Ankündigung der europäischen Firma AeroMobil – ungeachtet dessen, wo eigentlich der praktische Nutzen liegen soll, ungeachtet des hohen Preises – vor allem aber ungeachtet dessen, ob ein Kleinflugzeug überhaupt etwas Neues ist. Von fliegenden Autos träumen wir schon eine ganze Weile – "und im privaten Segment werden wir davon auch noch eine Weile weiterträumen", sagt Daimler-Zukunftsforscher Mankowsky.

Noch ferner der Realität ist die Idee, Gehirne von Menschen auf Maschinen zu übertragen. Über das menschliche Gehirn ist schlicht noch viel zu wenig bekannt, Forscher des Human Brain Project zweifeln sogar, ob es überhaupt einigermaßen realistisch simuliert werden kann.

Aber Konzepte und Computeranimationen sind leicht zu erfinden. Sobald es konkret werden soll, bleiben die Aussagen erstaunlich nebulös. "Wir entwickeln intelligente, bedeutsame Geräte", sagt beispielsweise einer von Boschs Disruptionsexperten im YouTube-Film. "Wir werden Zeit sparen und in der gleichen Zeit mehr arbeiten. Das wird die Zukunft sein – und Bosch weiß das." Das also ist das nächste große Ding.

Dabei entstehen auch im Silicon Valley keine Wundermaschinen. Kuri beispielsweise ist derzeit einer der meistgehypten Roboter für Privatkunden. Er erinnert in Gestalt und Größe an einen Pinguin, das Start-up Mayfield Robotics hat ihn im Januar 2017 auf der Hightech-Messe CES in Las Vegas vorgestellt. Was kann er? Vielleicht sprechen? "Nein, das kann Kuri natürlich nicht", sagt Marketingchef Chris Matthews. Trotz der jüngsten Erfolge im maschinellen Lernen gibt Kuri nur roboterartige Laute von sich. Die Technologie sei viel zu fehleranfällig, ständig gebe es Missverständnisse, sagt Matthews.

Das verärgere die Nutzer doch nur. "Wir wollen, dass die Begegnung mit Kuri zu einem perfekten Erlebnis wird." Er kann auf Wunsch beispielsweise Musik abspielen, seinen Besitzer informieren, falls eine bestimmte Person das Haus betritt. Kuri lässt sich per Smartphone fernbedienen, wenn sein Besitzer nicht zu Hause ist. Dann kann dieser durch Kuris Kamera-Augen schauen und durch seinen Lautsprecher reden. Während Forscher davon schwärmen, wie eine KI-Methode namens Deep Learning die Spracherkennung vorantreibt, verzichten die Praktiker lieber noch auf sie.

Vielleicht tun wir gut daran, uns einen Umstand einzugestehen: Wirklich bahnbrechende Erfindungen fallen unglaublich schwer. Die Erwartung, dass exponentiell ansteigende Rechenpower und künstliche Intelligenz die Prozesse beschleunigen, wird sich wohl nicht erfüllen. Vielleicht droht sogar das Gegenteil. "Künstliche Intelligenz könnte für eine Verlangsamung der Entwicklung sorgen, weil sie auf Basis von Daten aus der Vergangenheit lernt", fürchtet Daimler-Zukunftsforscher Mankowsky.

Konsequent zu Ende gedacht sei eine Zukunft mit künstlicher Intelligenz eine Wiederholung des ewig selben. "Wenn man zehn Rembrandts hat, kann man den elften automatisch malen." Filme und Fernsehserien könnten zwar auf der Basis von KI geschrieben werden – aber mit dem Erfolg, dass alle ähnlich wären. Eine Neuerung wie Dada, was damals eine echte Innovation war, sei in einer solchen Zukunft undenkbar. "KI ist das Gleiche in Varianten", sagt Mankowsky. Computer haben keine Visionen. Und sie sind nicht innovativ. Menschen sind es. Aber dafür brauchen sie Zeit. Das Denken lässt sich nicht auf Befehl beschleunigen.

(bsc)