Test: Mercedes A200

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Der schöne alte Begriff „Unterhaltungselektronik“ bekommt in der vierten A-Klasse endlich seine wortwörtliche Bedeutung, zumindest ein wenig. Denn die Spracherkennung funktioniert hier nicht nach dem Prinzip der maximalen Erheiterung, wie im Peugeot 5008 (Test) erlebt, sondern scheint tatsächlich mit dem Ziel programmiert worden zu sein, den Fahrer zu entlasten. Spätestens wenn Mitfahrer im Kindergartenalter dabei sind, die dann auch mal „Hey Mercedes: Abbruch“ rufen, wird es unterhaltsam. Denn wer der wahre Boss ist, erkennt die Sprachsteuerung natürlich noch nicht.

Macht nachdenklich

Eine späte Rache, weil ich mit den Vorgängern nie so recht warm wurde? Bei Nummer eins erschienen mir Anspruch und Wirklichkeit beim Thema „Anmutung Innenraum“ in einem Ausmaß voneinander entfernt, dass ich den Vermarktern zu den im Angesicht dessen geradezu erstaunlichen Verkaufszahlen nur meine Bewunderung aussprechen kann. Ein solches Auto von Toyota oder Opel wäre Kollegen weltweit drastische Worte wert gewesen. Nummer zwei behob die gröbsten Fehler, konservierte aber ausgerechnet die Neigung zum Rost. Die radikal auf Jugend getrimmte Nummer drei war qualitativ bislang die beste A-Klasse, doch unter anderem der miese Rundumblick schoben ihn stets von meinen Listen. Dazu kam anfangs ein Fahrwerk, das wohl auch der anvisierten Zielgruppe zu nah an tiefliegenden Discomobilen abgestimmt erschien. Und Nummer vier? Ein Test mit dem A200 macht in vielerlei Hinsicht nachdenklich.

Verbesserte Aussicht

Der wenig aussichtsreiche Rundumblick war auch bei Mercedes Thema. Schon vor der Vorstellung betonten sie, an diesem Punkt gearbeitet zu haben. Tatsächlich ist es weniger schlimm als bisher. Neuwagenkunden haben zudem in diesem Punkt die Sache etwas in der Hand: Nur mit den Sportsitzen gibt es hinten zwei große, starre Kopfstützen, die den Ausblick stärker beschneiden als die normalen. Anders als im Vorgänger jedoch nicht so weit, dass allein dieser Umstand das ganze Auto für mich untragbar machen würde. Da die Sportsitze im Lehnenbereich recht eng geschnitten sind, fällt der Verzicht hier leicht. Dies gilt auch für das teure AMG-Paket, das abgesehen von den Sportsitzen wenig „Nahrhaftes“ enthält. Anders ausgedrückt: Es gibt in der langen Preisliste praktischere Lösungen gegen einen eventuell zu gering erscheinenden Endpreis. Wobei die Sorge davor bei Mercedes grundsätzlich klein ist und im Fall der A-Klasse ein besonders solides Bollwerk davor errichtet wurde. Dazu später mehr.

Verständig

Äußerlich ist die neue A-Klasse eine Evolution des Vorgängers, wobei Mercedes kein Blechteil übernommen haben will. In zwei Bereichen lässt sie das bisherige Modell allerdings alt aussehen. Nämlich bei allem, was mit der Unterhaltungselektronik und dem Fahren zu tun hat. Über das Infotainment ist schon viel geschrieben worden, Clemens konnte es früh im stehenden Auto ausprobieren. Unterwegs fiel auf, dass die Spracherkennung nicht alles auf Anhieb erkennt, aber vieles, darunter auch Zielangaben wie „Hospiz Vilsbiburg“. Das System sucht sich dann online die Adresse. Auf die Sprachsteuerung sollte man allerdings auch setzen, denn im System bestimmte Funktionen aufzuspüren, ist mitunter etwas knifflig. Ein Beispiel dafür sind die Routenoptionen, die ich spontan nicht finden konnte. Mit der Spracherkennung sind sie nur einen Zuruf entfernt. Grenzen gibt es freilich auch: Der Befehl „Schiebedach öffnen“ bewegt nur das Sonnenschutzrollo, „vermeide Autobahnen“ führt ebenfalls nicht zum gewünschten Ergebnis.

Ja, das kostet viel Geld

Für die maximale Ausbaustufe des Infotainmentsystems kassiert Mercedes mehr als 3000 Euro. Doch wer das ohnehin empfehlenswerte Business-Paket wählt, bekommt die große Navi-Lösung für 1660 Euro, denn die kleine ist in dieser Zusammenstellung serienmäßig. Wer die etwas mickrigen Displays mit den breiten Rändern der Serienausstattung nicht mag, kann alternativ auch auf ein Navi verzichten und das „Displaypaket“ wählen. Dann sind die großen Displays enthalten, allerdings kein Navi. Und für die Integration eines iPhones oder eines Smartphones mit Android werden noch einmal 298 Euro fällig. Zudem ist das Displaypaket mit 1476 Euro ziemlich teuer. Meine Empfehlung: „Business-Paket“ plus „Navigation Premium-Paket“. Ja, das kostet viel Geld. Doch wer sich dem Thema Auto mit dem Ziel eines besonders hohen Gegenwertes nähert, bekommt bei anderen Firmen für viel weniger Geld nur etwas weniger geboten.

Grundsätzlich bin ich durchaus ein Befürworter von Assistenzsystemen. Wie in so vielen Autos bestärken jedoch zahlreiche Missgriffe, auch wenn sie oft nur knapp danebengreifen, meine Skepsis gegenüber Versprechungen, die suggerieren, dass das autonome Fahren direkt vor der Tür steht. Es fängt mit der Verkehrsschilderkennung an, die in der A-Klasse durchaus zu den besseren gehört. Es wird fast alles erkannt, was sich wahrlich nicht von jedem Auto sagen lässt – in dieser Klasse schon gleich gar nicht. Perfekt aber ist auch sie nicht. Auffällig ist, dass wenn überhaupt vor allem Ortsausgangsschilder und die Aufhebung von Tempolimits übersehen werden. Auch bei der Vernetzung bleibt noch etwas zu tun: Das Auto kann über sein Navigationssystem jederzeit erkennen, wo es ist. Warum nur wurde von dort kein – gedankliches – Kabel zum Fernlichtassistenten gezogen, der innerorts trotz guter Straßenbeleuchtung das Fernlicht an lässt?

Erwache!

Interessant war auch die indirekte Müdigkeitserkennung. Kommt man einer Fahrspurbegrenzung nach Ansicht der Assistenz unbemerkt zu nahe, wird extrem kurz heftig gebremst. Interessanterweise habe ich mich offenbar ein paar Mal einer imaginären Begrenzung genähert, jedenfalls war keine zu sehen. Wirft das Auto dann wie aus dem Nichts kurz den Anker, ist man wieder hellwach, glauben Sie mir.

Registriert das Auto eine längere Inaktivität des Fahrers, knipst es den Tempomaten aus. An sich eine kluge Lösung, doch die Erkennung, ob die Hände am Lenkrad sind, ist hier ähnlich überempfindlich wie in einigen Skoda-Testwagen. Es gibt nun mal Straßen, auf denen es ein gewisses Stück geradeaus geht. Folgt dann eine Warnung, obwohl beide Hände am Steuer sind, muss man dem System mit einer kleinen Lenkbewegung zeigen, dass man bei der Sache ist. Anders als in der S-Klasse eines ehemaligen ct-Chefredakteurs warnt die A-Klasse wenigstens erst einmal nur optisch, eine akustische Ermahnung folgt deutlich später. Nervig ist das trotzdem.

Nahe am C

Doch die vierte A-Klasse hat ein Pfund, mit dem sie abseits von Ausstattungsoptionen wuchern kann: Wer sie gleiten lässt, bekommt viel Komfort geboten. Sie federt vergleichsweise sanft, ist gut gedämmt – zwei Zutaten, die den Fahreindruck gerade bei gemäßigtem Tempo entscheidend prägen. Bei dieser Gangart lässt sie die meisten Konkurrenten hinter sich, der Vorgänger wirkt dagegen regelrecht ungehobelt. Sie kommt der C-Klasse nahe, wenngleich diese noch etwas leiser ist, noch geschmeidiger federt – doch es liegen keine Galaxien mehr dazwischen, und das ist in dieser Klasse außergewöhnlich. Zumal nicht übersehen werden darf, dass der Testwagen mit 18-Zoll-Felgen und Reifen mit 45er-Flankenhöhe ausgestattet war. Gerade letzteres ist einem guten Komfort nicht zuträglich.

Wer es eiliger hat, wird erfahren, dass die neue A-Klasse unbenommen ihres feinen Federungskomforts ziemlich handlich ist. Trotz Frontantrieb liefert die Lenkung ausreichend Rückmeldung. Mercedes hat sie also nicht vor lauter Angst vor Antriebseinflüssen zu Tode gedämpft. Chapeau, das muss man in der Qualität erst einmal hinbekommen.

In Teilzeit

In Zusammenarbeit mit Renault wurde der 1,3-Liter-Vierzylinder entwickelt, die Franzosen liefern Bauteile für den Rumpfmotor zu. In Verbindung mit dem optionalen Doppelkupplungsgetriebe, das Getrag zusteuert, gibt es eine Zylinderabschaltung. Wie bei Volkswagen bleiben auch hier die Ventile der beiden mittleren Zylinder geschlossen, wenn zahlreiche Bedingungen dafür erfüllt sind. Dazu gehören unter anderem eine bestimmte Maximal-Last, Geschwindigkeit, Drehzahlbereich zwischen 1250 und 3800/min und die Wahl des Eco-Modus. Dann arbeiten die beiden äußeren Zylinder unter höherer Last, was der Effizienz zugutekommt. Wer sehr genau hinhört, kann den Unterschied zwischen beiden Modi auch spüren. Im Zweizylinder-Modus läuft der Motor minimal rauer.

Die Maschine lässt sich recht gut mit dem gerade abgelösten 1.4 TSI ACT vergleichen, den wir im Seat Leon und im Skoda Superb (Test) hier hatten. Er wurde ersetzt durch den 1.5 TSI. Beide Volkswagen-Motoren leisten 150 PS, der 1,3-Liter-Vierzylinder im A200 160 PS. Gemein ist allen drei Motoren das maximale Drehmoment von 250 Nm und ein optionales Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Der Mercedes legt sich subjektiv insgesamt nicht ganz so ins Zeug wie der Seat Leon (Test), ist aber natürlich bei Bedarf ebenfalls ziemlich flott. Ab etwa 5000/min wird der Motor einen Hauch zäher, doch angesichts dessen, wie geschwind es davor vorangeht, sei ihm das verziehen. Wer es ruhig angehen lässt, stellt schnell fest: Weniger täte es ganz sicher auch.

Zumal dann auch die Schaltstrategie besser passt. Im Comfort-Modus muss sich das Getriebe bei einem spontanen Beschleunigungswunsch erst einmal kurz sortieren, im Sport-Modus klappt das flinker. Im Allgemeinen passen aber sowohl Schaltzeitpunkt wie auch Übersetzung gut zueinander, wenngleich das Getriebe die Gangwechsel nicht ganz so fein verschleift wie die Neungang-Wandlerautomatik von Mercedes.

Nicht besonders sparsam

Beim Verbrauch liegt die brandneue Maschine etwas oberhalb der Werte, die wir im Seat gemessen haben. Dort kamen wir – unter sommerlichen Bedingungen – auf minimal 4,9 Liter, im Mercedes bei kalten Temperaturen nicht unter 5,2. Auch insgesamt lag der A200 mit 6,7 Litern oberhalb der Werte des Leon. Beide wurde überwiegend über Land bewegt, der geringe Autobahnanteil wurde zumeist mit Geschwindigkeiten zwischen 120 und 130 km/h absolviert. Was in unserem Verbrauchsmix fehlt, ist ein extremer Kurzstreckenanteil. Alles in allem: Bei einer brandneuen Maschine dürfte der Kraftstoffkonsum niedriger sein.

Nackt

So ein A200 ist insgesamt durchaus ein sehr feines Auto: Leise, gut gefedert, ausreichend stark und im Großen und Ganzen auch ordentlich zusammengesetzt – kleinere Schnitzer haben wir in Bildern festgehalten. Doch vor das Vergnügen hat Mercedes eine hohe Hürde installiert. Ein nackter A200 mit Schaltgetriebe kostet schon 30.232 Euro. Inklusive sind dann Kunststofflenkrad, Radkappen und Halogenlicht. Eine solche Bestellung erscheint wenig sinnvoll, denn wer nicht viel Geld ausgeben möchte, findet bei anderen Herstellern günstigere Angebote.

Mercedes darf wohl berechtigterweise erwarten, dass die meisten Kunden zumindest in eine der Linien „Style“ oder „Progressive“ investieren und auch das Business-Paket hinzunehmen. Offenbar zeitlich begrenzt gibt es ein Start- zum Preis des Business-Pakets, indem auch LED-Scheinwerfer enthalten sind. Zusätzlich würden wir noch in Doppelkupplungsgetriebe, das große Navi, Digitalradio, Smartphone-Integration, Lordosenstütze und Lederlenkrad investieren. Für einen derart gerüsteten A200 Progressive stehen dann unverhandelt 38.538 Euro auf der Rechnung. Da ist natürlich noch lange nicht Schluss: Verlockend erscheint der geringe Aufpreis zum vorzüglichen Multibeam-Licht, auch das große Glasschiebedach und das wohltönende Soundsystem von Burmester haben allen Fahrern in der Redaktion gut gefallen.

Mittelklasse-Preis

Der Listenpreis für den nahezu komplett ausgestatteten Testwagen schockt dann aber auch in dieser Hinsicht abgehärtete Menschen: Für rund 55.000 Euro lässt sich nicht nur eines der besten Autos dieser Klasse zusammenstellen, und das ist die A-Klasse zweifelsohne, sondern auch eine halbwegs sinnvoll konfigurierte C-Klasse. Von anderen Herstellern ähnlich großer Autos ganz zu schweigen. Wer den Weg über einen Reimporter nicht scheut, bekommt sehr gut ausgestattete Ford Focus (Test) oder Seat Leon mit jeweils 150 PS für weniger als die Hälfte. Dieser Vergleich scheint unfair, doch in diese Preisregionen kommt eine ähnlich ausstaffierte A-Klasse auch über solche Anbieter bei weitem nicht. Sie wird sie erst als Gebrauchtwagen erreichen. Trotz unbestreitbarer Qualitäten erscheint das reichlich ambitioniert.

Die Kosten für die Überführung hat Mercedes übernommen, jene für Kraftstoff der Autor.