40 Jahre Kawasaki GPZ 900 R Ninja: Die Überfliegerin

Die GPZ 900 R erreichte mit dem ersten 16-V-Reihenvierer mit Wasserkühlung in Serie 115 PS und fuhr damit 246 km/h. Kawasaki behielt sie 20 Jahre im Programm.

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Kawasaki GPZ 900 R Ninja

(Bild: Kawasaki)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Vor 40 Jahren kam die Kawasaki GPZ 900 R auf den Markt. Sie war 1984 das schnellste Serienmotorrad und ließ mit ihrem wassergekühlten Reihenvierzylinder mit 16 Ventilen und zwei obenliegenden Nockenwellen die Konkurrenz verblassen. Damit setzte sie einen Trend, der bis heute andauert. Noch dazu sah sie verboten gut aus.

Die Journalisten trauten kaum ihren Augen, als Kawasaki sie auf der kalifornischen Rennstrecke Laguna Seca präsentierte. Die GPZ 900 R Ninja stellte alle bisher dagewesenen Sportbikes in den Schatten. Mit ihrer aggressiv designten Vollverkleidung und dem dennoch gut sichtbaren Reihenvierzylinder war sie ein einziges Statement für Power und Speed. Noch dazu jagte ein Dragster-Profi vor der versammelten Weltpresse die 900er in 10,6 Sekunden über die 400-Meter-Distanz, was einen neuen Weltrekord für Serienmotorräder bedeutete. Auch in Sachen Topspeed markierte die GPZ 900 R mit 246 km/h die Bestmarke – kein anderes Serienbike war schneller.

40 Jahre Kawasaki GPZ 900 R Ninja (8 Bilder)

Vor 40 Jahren kam die Kawasaki GPZ 900 R auf den Markt. Sie war das schnellste Serienmotorrad und auf Anhieb ein Verkaufsschlager.
(Bild: Kawasaki)

Sofort degradierte sie die sportlichen Viertakt-Rivalinnen zu Statisten. Der 908 cm3 große, kurzhubige Reihenvierzylinder drehte vehement hoch, legte ab 7000/min noch einmal merklich nach, um bei 9500/min auf 115 PS zu kommen – und sogar klaglos noch weiter bis an den roten Bereich von 10.500/min. In Deutschland musste sie zwar aus gesetzlichen Gründen auf 100 PS gedrosselt werden, was aber ihrer Beliebtheit auch hierzulande keinen Abbruch tat. Die GPZ 900 R wurde ehrfürchtig umlagert, wenn sie am Straßenrand parkte und sobald sie im Rückspiegel auftauchte, räumten Fahrer anderer Modelle freiwillig die linke Autobahnspur.

Kawasaki war sich zu Beginn der 1980er Jahre bewusst, dass seine Modelle mit luftgekühlten Reihenvierzylindermotoren und je zwei Ventilen pro Zylinder langsam in die Jahre kamen und beschloss, einen Vierventil-Motor mit zwei obenliegenden Nockenwellen zu bauen. Zunächst experimentierten sie mit einem V6-Motor und einem Vierzylinder-Boxer, doch die Prototypen erwiesen sich als zu schwer und die sanfte Leistungsentfaltung war nicht sportlich genug, deshalb entschieden sich die Entwickler für einen Reihenvierzylinder. Doch ihnen wurde bald klar, dass sie die anvisierte Leistung mit einem luftgekühlten Vierventil-Motor nicht standfest bekommen würden. Um den Hitzekollaps zu vermeiden, gab es nur die Lösung Flüssigkeitskühlung. Die GPZ 900 R kann zwar nicht für sich in Anspruch nehmen, als erstes Serienmotorrad der Nachkriegszeit über Wasserkühlung verfügt zu haben – die gab es schon 1970 im Zweitakter Suzuki GT 750 "Wasserbüffel" und Honda führte 1975 in der Gold Wing den ersten wassergekühlten Viertakt-Boxermotor im Serienbau ein. Doch die Kombination mit einem Reihenvierzylinder samt Vierventiltechnik war ein Novum.

Die Steuerkette des Vierzylinders befand sich nicht in der Mitte, sondern auf der linken Seite, die Lichtmaschine wanderte hinter die Zylinder, um das Aggregat kompakt zu halten. Vier 34er-Keihin-Vergaser bereiteten das Gasgemisch und zur Unterdrückung von Vibrationen erhielt er als erster Vierzylinder eine Ausgleichswelle. Der Motor wurde als tragendes Element in den Stahlrohr-Rückgratrahmen mit angeschraubtem Aluminiumheck integriert, um Gewicht zu sparen und den Schwerpunkt zu senken. Weil es damals schlicht keine Computer mit genügend Rechenkapazität gab, mussten die Testfahrer jeden Tag hunderte von Kilometern auf den Prototypen fahren, bis die Ingenieure mit dem Ergebnis endlich zufrieden waren. Die Vollverkleidung war für ihre Zeit ausgefeilt, Kawasaki hatte viel Zeit im Windkanal verbracht und konnte einen cW-Wert von 0,33 vorweisen. Ihr Windschild schützte den Fahrer ausgesprochen gut.

Vorn rollte die GPZ 900 R auf einer Leichtmetall-Gussfelge in der Dimension 16 Zoll, hinten dagegen auf einer in 18 Zoll. Das kleine Vorderrad war damals eine gängige Maßnahme, um die Handlichkeit zu steigern, was aber wegen des Radstands von 1495 mm und einem flachen Lenkkopfwinkel von 61 Grad nur leidlich gelang, zudem musste ein Gewicht von vollgetankt 257 kg um die Kurve gewuchtet werden. Die Gabel verfügte über einen "Anti-Dive-System" genannten Bremsnickausgleich, wie er in den 1980er Jahren von vielen Herstellern eingesetzt wurde. Die Wirkung blieb jedoch stets überschaubar. Dafür zog die GPZ 900 R selbst bei Höchstgeschwindigkeit unerschütterlich ihre Bahnen und auch in Schräglage war ihr Nervosität fremd. Die Doppelscheibenbremse mit 280 mm Durchmesser vorne verlangte zwar hohe Handkräfte, packte dann aber kräftig zu. Eine Neuheit bei Kawasaki bildete der elegante Exzenter-Kettenspanner am Hinterrad. Im Cockpit blickte der Pilot auf einen groß dimensionierten Drehzahlmesser, damals Merkmal eines Sportmotorrads, rechts davon war der etwas kleinere Tacho und darunter befanden sich zwei winzige Rundinstrumente für Tankinhalt und Kühlflüssigkeitstemperatur.

Die GPZ 900 R wurde den Kawasaki-Händlern weltweit aus den Schaufenstern gerissen, nicht zuletzt, weil sie mit 11.390 Mark ein vergleichsweise günstiges Angebot darstellte, die BMW K 100 RS kostete rund 4000 Mark mehr, bot aber nur 90 PS, eine Yamaha FJ 1100 hatte zwar deutlich mehr Hubraum und 126 PS, war aber über 1300 Mark teurer, schwerer und längst nicht so handlich. Ihr sportliches Talent bewies die GPZ 900 R schon im ersten Jahr bei der TT Isle of Man, als Geoff Johnson auf ihr die Production-Class C bis 1500 cm3 gewann.

Kawasaki GPZ 900 R (6 Bilder)

Das Hinterrad wurde über das "Uni-Trak"-System mit Umlenkung gefedert und gedämpft. Die GPZ 900 R war die erste Kawasaki mit Exzenter-Kettenspanner.
(Bild: Kawasaki)

Zwar verlor die GPZ 900 R bereits 1985 ihren Ruf als sportlichstes Viertakt-Motorrad an die Suzuki GSX-R 750, die mit einem Aluminiumrahmen, nur 200 kg Gewicht und einer fulminanten Handlichkeit aufwarten konnte. Doch im Gegensatz zur radikal sportlichen Suzuki verband die Kawasaki gekonnt Sport mit Tourentauglichkeit, dank ihrer relativ aufrechten Sitzposition, denn die Stummellenker waren hoch gekröpft und die Fußrasten erlaubten einen entspannten Kniewinkel, obwohl der Fahrer auf nur 780 mm Höhe hockte. Ihre Sitzbank erwies sich als sehr bequem auch für zwei Personen, selbst Koffer ließen sich montieren und der 22-Liter-Tank ermöglichte große Reichweiten.

Doch nicht nur deshalb gehörte die GPZ 900 R lange zu den beliebtesten "Big Bikes", wie die Verkaufszahlen bewiesen. Sie bestach auch durch Zuverlässigkeit, Laufleistungen von über 100.000 km waren mit dem Motor problemlos möglich, lediglich der Steuerkettenspanner der ersten Baujahre machte gelegentlich Kummer. Bei einer Literleistung von 127 PS war eine solche Standfestigkeit früher längst keine Selbstverständlichkeit gewesen. Unerwartete Hilfestellung erhielt Kawasaki 1986 aus Hollywood. Tom Cruise fuhr im Blockbuster "Top Gun" werbewirksam mit der GPZ 900 R (allerdings ohne Kawasaki- und Modell-Schriftzügen) über die Leinwand. Die meisten Amerikaner kannten die GPZ 900 R nur unter dem Namen "Ninja", dabei hatte Kawasaki zunächst arge Bedenken ihr diesen Beinamen zu verleihen. In Japan genossen die Schattenkrieger bis dahin einen eher schlechten Ruf als Meuchelmörder, doch der Kawasaki-Marketing-Director Mike Vaughan konnte die Chefetage schließlich überzeugen. Der Name dient bis heute der sportlichen Kawasaki-Baureihe als Bezeichnung.

Als Kawasaki 1993 die GPZ 900 R vom deutschen Markt nahm, waren im Werk in Akashi bereits über 74.000 Stück produziert worden. Wie beliebt sie war, lässt sich allein schon aus der Tatsache schließen, dass ihre eigentliche Nachfolgerin GPZ 1000 RX nur von 1986 bis 1988 und ihre Nach-Nachfolgerin ZX-10 von 1988 bis 1990 produziert wurden. Für den US-Markt wurde die GPZ 900 R gar bis 2003 weitergebaut und erreichte damit die biblische Produktionszeit von 20 Jahren. Damit hatte sie sogar ihre Urenkelin ZZ-R 1100 überdauert.

Im Laufe ihrer Historie hatte die GPZ 900 R nur wenige Änderungen erfahren wie etwa ein 17 Zoll großes Vorderrad, eine breitere Hinterradfelge, Vierkolben-Bremszangen und größere Bremsscheiben vorne. Heute gilt die GPZ 900 R als Meilenstein im Motorradbau. Ihr modernes Design und der brillante Vierzylindermotor mit 16 Ventilen und Flüssigkeitskühlung waren wegweisend für nachfolgende Generationen – bis heute haben alle japanischen Superbikes und BMW in der S 1000 RR dieses Motorenkonzept beibehalten. Die Talente der GPZ 900 R sowohl im Sport als auch im Touring waren bemerkenswert und ihre Fahrleistungen können sich immer noch sehen lassen.

(fpi)