Neues Verfahren bringt ein Alzheimer-Medikament durch die Blut-Hirn-Schranke

​Fokussierter Ultraschall ist nur eine der Strategien, mit der Forscher Medikamente ins Gehirn bringen wollen. ​

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(Bild: WVU Rockefeller Neuroscience Institute)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Cassandra Willyard
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Die verschiedensten Therapien zur Behandlung von Hirnerkrankungen haben ein gemeinsames Problem: Sie erreichen ihr Ziel nur schwer. Die Blutgefäße, die das Gehirn durchziehen, haben eine spezielle Auskleidung, die so dicht mit Zellen gepackt ist, dass nur sehr kleine Moleküle hindurch gelangen können. Diese Blut-Hirn-Schranke "wirkt wie eine Dichtung", die das Gehirn vor Giftstoffen oder anderen schädlichen Substanzen schützt, sagt die Molekularbiologin Anne Eichmann von der Yale University. Aber die Dichtung hält auch die meisten Medikamente draußen. Seit Jahrzehnten arbeiten Forscher an Methoden, um Medikamente durch die Blut-Hirn-Schranke zu schleusen.

Neurowissenschaftlern der West Virginia University ist es nun gelungen, mit fokussiertem Ultraschall die Blut-Hirn-Schranke zu öffnen und die Verabreichung eines neuen Alzheimer-Medikaments zu verbessern. Wie sie Mitte Januar im Fachjournal "New England Journal of Medicine" berichteten, beschleunigte das den Abbau der klebrigen Plaques, die mit einigen der kognitiven und Gedächtnisprobleme von Alzheimer-Patienten in Verbindung gebracht werden, um 32 Prozent.

In der Studie aus West Virginia erhielten drei Personen mit milder Alzheimer-Krankheit monatliche Dosen von Aducanumab, einem im Labor hergestellten Antikörper, der per Infusion verabreicht wird. Dieses 2021 erstmals zugelassene Medikament hilft bei der Beseitigung von Beta-Amyloid, einem Proteinfragment, das sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten verklumpt. Die Zulassung des Medikaments war umstritten, und es ist immer noch nicht klar, ob es das Fortschreiten der Krankheit tatsächlich verlangsamt.

Nach der Infusion behandelten die Forscher bestimmte Hirnregionen der Patienten mit fokussiertem Ultraschall, allerdings nur auf einer Seite. So konnten sie die andere Gehirnhälfte als Kontrolle verwenden. PET-Scans (Positronen-Emissions-Tomographie) zeigten einen stärkeren Rückgang der Amyloid-Plaques in den mit Ultraschall behandelten Regionen als in denselben Regionen auf der unbehandelten Seite des Gehirns. Das deutet, dass auf der behandelten Seite mehr Antikörper in das Gehirn gelangten.

Aducanumab beseitigt die Plaques auch ohne Ultraschall, aber es dauert lange. Vielleicht auch deshalb, weil der Antikörper nur schwer in das Gehirn eindringen kann. "Anstatt die Therapie 18 bis 24 Monate lang intravenös zu verabreichen, um den Rückgang der Plaques zu erzielen, wollen wir sehen, ob wir diesen Rückgang in wenigen Monaten erreichen können", sagt Ali Rezai, Neurochirurg am Rockefeller Neuroscience Institute der West Virginia University und Autor der neuen Studie. Eine Verkürzung der Zeit, die für die Beseitigung dieser Plaques benötigt wird, könnte dazu beitragen, den Gedächtnisverlust und die kognitiven Probleme zu verlangsamen, die die Krankheit kennzeichnen.

Das Gerät zur Ausrichtung und Abstrahlung der Ultraschallwellen besteht aus einem Magnetresonanztomographen (MRT) und einem mit Ultraschallwandlern bestückten Helm. Entwickelt wurde es von einem Unternehmen namens Insightec. Es ist von der FDA zugelassen, allerdings für einen ganz anderen Zweck: Es soll helfen, das Zittern bei Parkinson-Patienten zu stoppen, indem es Läsionen im Gehirn erzeugt. Um die Blut-Hirn-Schranke zu öffnen, "injizieren wir den Patienten intravenös Mikrobläschen", sagt Rezai. Diese winzigen Gasbläschen, die üblicherweise als Kontrastmittel verwendet werden, wandern durch den Blutkreislauf.

Mithilfe der MRT können die Forscher die Ultraschallwellen auf ganz bestimmte Teile des Gehirns ausrichten, "und zwar mit Millimeterpräzision", so Rezai. Wenn die Wellen auf die Mikrobläschen treffen, beginnen sich diese auszudehnen und zusammenzuziehen, wodurch die dicht gepackten Zellen, die die Kapillaren des Gehirns auskleiden, physisch auseinandergedrückt werden. "Diese vorübergehende Öffnung kann bis zu 48 Stunden andauern, was bedeutet, dass während dieser 48 Stunden Therapeutika besser in das Gehirn eindringen können", sagt er.

Fokussierter Ultraschall wird schon seit Jahren als Methode zur Öffnung der Blut-Hirn-Schranke erforscht. Das ist jedoch das erste Mal, dass sie mit einer Alzheimer-Therapie kombiniert und am Menschen getestet wurde.