Elektroautos: Die Last des Ladens

Der Markt für E-Autos wächst stark: Im August wurden 221 Prozent mehr ­zugelassen als im Vorjahresmonat. Das Abenteuer beginnt, wenn man sie mit Strom versorgt.

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Es gibt viele gute E-Autos. Unterwegs Strom zu tanken erfordert jedoch immer noch Gemütskühlung: Unkalkulierbare, teils sehr hohe Strompreise unterwegs, vor allem aber immer noch hohe Unzuverlässigkeit bei Ladesäulen haben dem Gespenst „Reichweitenangst“ Substanz gegeben. Wohl jeder E-Auto-Fahrer stand schon einmal mit niedrigem Akkustand an einer in der App als frei markierten Säule – um festzustellen, dass sie nicht funktioniert.

Die eine geniale Idee, die alle Missstände wegzaubert: Es gibt sie leider nicht. Es gibt allerdings einen Grund, warum der Staat so auf die Tube drückt beim Ausbau: Wir haben derzeit keine bessere Technik als das E-Auto, um den Pkw-Verkehr zu dekarbonisieren. Mit Umbruchschmerzen müssen wir also noch etwas länger leben.

Die meisten Elektroautofahrer laden immer noch zu Hause. Der Wert ist schwer genau zu bestimmen, liegt nach Schätzungen aber weiterhin bei mindestens 80 Prozent der Ladevorgänge. Zu Hause zu laden hat nur Vorteile: Dort steht das Auto lange, kann vom Benutzer bedient werden, der Strompreis ist leicht kalkulierbar. Auf dem Land mangelt es hierbei nicht an guten Voraussetzungen.

Deutlich komplexer ist die Lage in den Ballungszentren: hoher Anteil an Mietwohnraum, viele Vielparteienhäuser. Viele Mietshäuser haben gar keine Parkplätze, die sich als Ladestation eignen. Und wenn, dann bringen meist schon zwei, drei Wallboxen in einem kleinen Mietshaus den Hausanschluss an seine Grenze. Wahrscheinlich zum November 2020 tritt ein neues Gesetz in Kraft, nach dem Mieter eine Wallbox am Stellplatz montieren dürfen, wenn sie die Kosten selber tragen. Selbst mit diesem Recht gibt der Hausanschluss die Grenze vor. Der erste Mieter, der für seine zusätzliche Installation größer dimensionierte Hausleitungen oder eine stationäre Pufferbatterie kaufen müsste, wird das nicht mehr allein stemmen.

Der ADAC befragte zur Problematik 310 Unternehmen der Wohnungswirtschaft, die 4815 Objekte mit mehr als zehn Stellplätzen verwalten. Das Ergebnis war ernüchternd: Nur an vier Prozent der Stellplätze gibt es überhaupt Strom. Die Hälfte dieser Stellplätze hat bereits eine Wallbox. Wo also sollen die ganzen neu zuzulassenden E-Autos laden?

Immerhin stehen allein im aktuellen Konjunkturpaket 2,5 Milliarden Euro für Ladeinfrastruktur, Elektroautoforschung und Batteriezellfertigung bereit. Davon sind 50 Millionen vermerkt für private Ladestationen. Sind bestimmte Vorgaben erfüllt, deckt die Summe bis zu 50 Prozent der jeweiligen Kosten. Gedacht ist das Programm unter anderem für Tiefgaragen. Diese müssen bei hohem E-Auto-Anteil ans Mittelspannungsnetz angeschlossen werden, brauchen einen eigenen Trafo und ein Lastmanagement. Dazu kommen vielfältige Förderprogramme der Länder, Gemeinden oder Stadtwerke.

In Städten mit hohem Ladesäulen-Ausbaugrad – vor allem in Bayern und Baden-Württemberg – ist es schmerzfrei möglich, ohne einen eigenen Stellplatz rein öffentlich zu laden, wie unser Praxistest mit einem 64-kWh-Auto (Kia e-Soul) zeigte. Auf einen Ladepunkt kommen derzeit zehn zugelassene E-Autos. Diesen Faktor will die Bundesregierung in ihrem „Masterplan Ladeinfrastruktur“ halten. Bis 2030 erwartet sie zehn Millionen zugelassene E-Autos, für die eine Million öffentliche Ladepunkte zur Verfügung stehen sollen.

Im Moment steigen die Zulassungen von E-Autos allerdings stärker als der Zubau an Ladepunkten. Das Verkehrsministerium meldet „26500 öffentliche Ladepunkte für rund 314000 E-Pkws“. Kurzfristig kann es also durchaus Engpässe geben. Der schlimmste Fall ist das Schlangestehen bei Langstreckenfahrten. In Kalifor-nien erleben das Tesla-Kunden schon heute an Supercharger-Standorten.