Günstiger ins Gelände: 15 Enduros zum halben Preis einer BMW R 1250 GS

Kaum eine Klasse ist in Deutschland so beliebt wie die nicht gerade billigen Reiseenduros. Welche neuen und gebrauchten für unter 8000 Euro sind zu empfehlen?

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Reisen statt Rasen steht bei den deutschen Motorradfahrern hoch im Kurs. Dazu braucht es nicht immer das neueste oder teuerste Bike.

(Bild: Ingo Gach)

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  • Ingo Gach
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Kaum eine Motorradklasse erfreut sich bei uns so großer Beliebtheit wie die Enduros. Das ist umso bemerkenswerter, weil es fast nirgendwo in Deutschland legal ist, ins Gelände abzubiegen. Doch der Gedanke von Freiheit und Abenteuer, neuen Horizonten am Ende der Schotterpiste reicht. Deshalb bewerben die Hersteller ihre Enduro-Modelle auch meist mit Fotos von wild driftenden Bikes in Wüste oder Gebirge. Die ursprüngliche Idee der Enduros – mit einem leichten Motorrad, das über viel Federwege und Bodenfreiheit verfügt, auch im Gelände fahren zu können – ist schon lange verwässert worden.

Die Hersteller machen es den Enduristen heutzutage im wortwörtlichen Sinne schwer: Kaum eine Reiseenduro wiegt unter 200 Kilogramm, viele überspringen sogar die Fünf-Zentner-Marke. Bis auf ganz wenige Ausnahmen hat der klassische Einzylinder als Antrieb bei den Reiseenduros ausgedient. Stattdessen huldigen die Entwickler dem Leistungsgedanken und pressen aus den zwei bis vier Zylindern immer mehr Power: 160 PS und 250 km/h waren vor nicht allzu langer Zeit noch den Superbikes vorbehalten – heute bieten das schon Reiseenduros.

Es gibt fast nichts, wofür eine Suzuki DR 350 S nicht geeignet ist.

(Bild: Ingo Gach)

Leider haben viele aktuelle Enduromodelle den Nachteil, dass sie nicht gerade billig sind. Der Deutschen liebstes Motorrad, die BMW R 1250 GS, kostet schon in der Basisausstattung 16.850 Euro und für unter 20.000 verlässt so gut wie keine den Laden. Doch nicht jeder verfügt über ein gut gepolstertes Bankkonto, deshalb haben wir uns umgesehen, was der Endurist für rund die Hälfte des Listenpreises der BMW R 1250 GS (Test) an aktuellen Modellen oder auf dem Gebrauchtmarkt bekommt. Wir haben eine Auswahl von 15 empfehlenswerten Reiseenduros für unter 8000 Euro getroffen. Die Liste erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Reine Sportenduros wie die KTM EXC oder die Yamaha WR haben wir bewusst ausgeklammert, denn ihre Alltagstauglichkeit tendiert gegen null und zulassungsfähig sind sie nur mit arg gedrosselten Motoren. Außerdem sollte eine Enduro zuverlässig sein, deshalb wurde die Suche auf dem Gebrauchtmarkt auf maximal 25 Jahre alte Motorräder eingegrenzt, um hohe Reparaturkosten für altersbedingte Schäden weitestgehend zu vermeiden.

Als Aprilia 2013 die Caponord 1200 auf den Markt brachte, wies sie eine Menge Verbesserungen gegenüber ihrer Vorgängerin auf. Nicht nur war der Hubraum um rund 200 Kubikzentimeter und die Leistung auf 125 PS sowie 115 Nm gestiegen, sondern es kamen auch viele elektronische Assistenzsysteme zum Einsatz, wie ABS, Schlupfregelung, Ride-by-wire und drei Motor-Mappings, allerdings ist die Bedienung des Bordcomputers alles andere als intuitiv. Der 1197-cm3-V2 stammte aus der Dorsoduro, wurde aber um ein paar PS reduziert, zugunsten eines besseren Durchzugs, leider schwächelt der Motor ausgerechnet im mittleren Drehzahlbereich leicht.

Aprilia Caponord 1200

(Bild: Aprilia)

Ansonsten erweist sich die Aprilia als komfortabel und die 840 Millimeter Sitzhöhe als gemäßigt. Gabel und Federbein funktionieren gut, aber mit 255 Kilogramm ist die Caponord 1200 kein Leichtgewicht, gegen Aufpreis gab es ein semi-aktives Fahrwerk. Dank eines 23-Liter-Tanks kommt sie auf über 400 Kilometer Reichweite. Wie bei Italienerinnen üblich, ist sie akustisch stets präsent. Aprilias waren hierzulande noch nie große Verkaufsschlager, weil ihnen hartnäckig der Ruf schlechten Qualität anhängt – im Falle der Caponord 1200 gilt der zu unrecht, was aber günstige Gebrauchtpreise nach sich zieht. Ab 2015 gab es sie als Caponord 1200 Rally (Test) auch mit Drahtspeichenrädern. Auf dem Gebrauchtmarkt beginnen die frühen Baujahre der Caponord 1200 mit mäßiger Laufleistung ab etwa 7000 Euro.

Die italienische Traditionsmarke Benelli gehört schon seit 2005 der Qianjiang-Gruppe. Die chinesische Geschäftsführung war so klug, das Design-Center im italienischen Pesaro zu lassen. Vor drei Jahren überraschte Benelli mit einer durchaus gefälligen Reiseenduro. Bei der TRK 502 hatten die Entwickler zwar eindeutig in Richtung der Ducati Multistrada 950 geschielt, denn die Front mit dem Entenschnabel und der Gitterrohrrahmen ähnelten ihr sehr, aber dennoch – oder gerade deshalb – überzeugte das Konzept, obwohl die Leistung deutlich tiefer angesiedelt war.

(Bild: Benelli)

Der 500-cm3-Reihenzweizylinder ist mit seinen 48 PS für die Führerscheinklasse A2 tauglich. Zwar muss sie 235 Kilogramm Leergewicht schleppen, dennoch schlägt sie sich wacker und erreicht immerhin 165 km/h. Es gab sie mit Gussrädern und als TRK 502 X mit Drahtspeichenrädern und einem 19-Zoll-Vorderreifen. Die bequeme Sitzposition liegt mit 850 Millimeter nicht zu hoch. Das Fahrwerk ist ziemlich soft ausgelegt, arbeitet aber zufriedenstellend. Gepäck und Zwei-Personen-Betrieb erträgt sie klaglos und der 20-Liter-Tank sichert ihr eine Reichweite von über 400 Kilometern zu. Ihr überzeugendstes Argument ist jedoch bis heute der Preis: die TRX 502 X (Vorstellung) kostet aktuell 6499 Euro. In Italien mauserte sich die Benelli auf Anhieb zum zweitmeistverkauften Motorrad.

Die F 800 GS stand immer etwas im Schatten ihrer übermächtigen Schwester R 1200 GS, erfreute sich aber trotzdem großer Beliebtheit, da sie deutlich günstiger war. Die ab 2008 zehn Jahre lang produzierte 800er-Reiseenduro verfügt über einen 85 PS starken Reihenzweizylinder. Offroad ist sie mit 220 Kilogramm Leergewicht der großen Boxer-Enduro sogar überlegen. Dank eines maximalen Drehmoments von 83 Nm bei 5750/min verfügt sie über guten Durchzug und lässt untertourige Fahrweise im Gelände zu, auch ihr 21-Zoll-Vorderrad und die Drahtspeichenfelgen sind für losen Untergrund bestens geeignet.

BMW F 800 GS

(Bild: BMW)

Dabei kann sie auf der Autobahn 204 km/h rennen und zwar, trotz des 21-Zoll-Vorderrads, ohne zu Pendeln. Die F 800 GS hat zwar nur einen 16-Liter-Tank (die teurere Adventure-Version der BMW F 800 GS fasst 24 Liter Sprit), aber durch den geringen Verbrauch schafft sie gut 350 Kilometer Reichweite. 2013 kam eine Modellpflege mit neuen Verkleidungsteilen, verbessertem Cockpit und das ABS war nun serienmäßig, gegen Aufpreis gab es sogar das elektronische Fahrwerk ESA. BMW bot natürlich reichlich Extras an und fast alle F 800 GS wurden mindestens mit Koffern ausgerüstet. Sie verkaufte sich über 13.000 Mal in Deutschland und die Besitzer loben sie als robust und zuverlässig. Das Gebrauchtmarktangebot für die BMW F 800 GS ist groß und startet bei knapp unter 5000 Euro, allerdings dann meist mit sehr hohen Laufleistung, für geringe Kilometerstände werden mindestens 6500 Euro verlangt.

Die BMW R 1200 GS galt ab 2004 als die Königin der Reiseenduros, bis sie 2018 von ihrer Nachfolgerin R 1250 GS entthront wurde. Die große Enduro erfreute mit einem durchzugsstarken Boxermotor, hohem Komfort und Zuverlässigkeit. Es gab zwar stärkere, sportlichere, handlichere oder noch tourentauglichere Motorräder, aber das Erfolgsgeheimnis des Bestsellers lag darin, dass sie in der Summe ihrer Eigenschaften unschlagbar war. Zudem hatte sie den Bonus des legendären Fernreise-Bikes R 80 G/S aus den 80er-Jahren. Die R 1200 GS startete ihre Laufbahn mit 98 PS, 2008 steigerte sie sich auf 105 PS und zwei Jahre später schließlich auf 110 PS.

BMW R 1200 GS

(Bild: BMW)

Sie erwies sich auf dem täglichen Weg zur Arbeit als genauso problemlos wie auf der Weltumrundung – bei der R 1200 GS saß der BMW-Fan immer im richtigen Sattel. Die ersten Baujahre nerven noch mit dem überflüssigen Bremskraftverstärker, danach gab es aber an dem Integral-ABS nichts mehr zu beanstanden. Der Motor ist für hohe Laufleistungen gut, der Kardanantrieb erspart die leidige Kettenpflege und wenn es überhaupt Ausfälle bei der R 1200 GS gab, dann betrafen sie meist die Elektronik. BMW-Boxer-Fahrer sind meistens penible Werkstattbesucher, so dass beim Gebrauchtkauf wohl stets ein lückenloses Serviceheft vorliegt. Für kaum ein Modell gab es eine umfassendere Sonderausstattungsliste, deshalb sind so ziemlich alle Exemplare mit reichlich Extras ausgerüstet. Ihre Begehrtheit beschert der BMW R 1200 GS (Test) ein stabiles Preisniveau, allerdings drückt das riesige Angebot wiederum etwas die Preise, wobei die ersten Baujahre mit sechsstelliger Laufleistung bei 4000 Euro starten. Für Tachostände unter 50.000 Kilometer muss der Gebrauchtkäufer mindestens eineinhalb Tausender mehr investieren.

Die Honda CRF 300 Rally gibt es nagelneu schon für 6820 Euro. Wer jetzt denkt, dass 286 Kubikzentimeter und 27 PS langweilig wären, sei eines besseren belehrt, denn die CRF 300 Rally wiegt vollgetankt nur 153 Kilogramm verfügt über üppige 260 mm Federwege vorne und hinten. Damit ist sie im Gegensatz zu den schwergewichtigen Mehrzylindern wirklich geländetauglich und erreicht auch dank des kleinen Windschilds immerhin 135 km/h Topspeed. Mit einem Tankvolumen von knapp 13 Litern und einem geringen Durst von nur 3,1 Liter auf 100 Kilometer schafft sie mehr als 400 Kilometer Reichweite. Dabei hat Honda bei der Serienausstattung nicht gegeizt: LED-Licht, Kühler- und Motorschutz, Gabelbrücken aus Aluminium, Anti-Hopping-Kupplung und gezahnte Fußrasten mit Gummieinlagen lassen das Herz des Enduristen höher schlagen.

Honda CRF 300 Rally

(Bild: Honda)

So mancher Globetrotter hatte schon die Vorgängerin Honda CRF 250 Rally (Test) wegen ihrer zuverlässigen Großserientechnik, dem geringem Gewicht und der ansehnlichen Reichweite als Untersatz für seine Fernreisen auserkoren – auf schlammigen Dschungelpfaden oder sandigen Wüstenpisten zählen andere Werte als gigantische PS-Herden. Die neue Honda CFR 300 Rally wurde von Honda in vielen Details verbessert, so erhielt sie einen leichteren Rahmen und einen größeren Tank. Sie darf mit dem Führerschein A2 gefahren werden, was sie für Enduro-Einsteiger interessant macht. Kleines Manko: Die Sitzbank ist eher schmal und mit 890 Millimeter Sitzhöhe nichts für Kurzgewachsene.

Ein heißer Tipp für Sparfüchse ist die Honda XRV 750 Africa Twin, ab Baujahr 1996 als Modell RD07 bezeichnet. Auf ihr reist es sich komfortabel auf langen Touren und sie meistert Schotterpisten problemlos. Ihre 60 PS wirken heutzutage natürlich etwas dürftig, zumal sie vollgetankt 235 Kilogramm mit sich rumschleppt und entsprechend ernsthafte Geländeeinlage nicht mag, auch war ihr Fahrwerk dafür zu soft abgestimmt. Aber erst einmal in Fahrt wirkt sie agil auf Asphalt und schaffte 172 km/h, was für den Reiseenduristen mehr als ausreichend war.

Honda XRV 750 Africa Twin

(Bild: Honda)

Der 742-Kubikzentimeter-V2 zieht anstandslos durch und zeigt ausgezeichnete Laufkultur, lediglich unterhalb von 2500/min ruckelt er im hohen Gang etwas. Die Doppelscheibenbremse verzögert gut und standhaft, was damals bei Reiseenduros nicht selbstverständlich war. Die aufrechte Sitzposition am breiten Lenker und die Verkleidung mit dem Windschild ermöglichen entspanntes Reisen. Dank des 24-Liter-Tanks schafft die Africa Twin über 400 Kilometer am Stück. Die XRV 750 erfreut ihre Besitzer mit hoher Zuverlässigkeit, selbst sechsstellige Laufleistungen erreichen viele Exemplare pannenfrei. Die meisten Africa Twins wurden mit Gepäcksystemen – sei es Alukoffer, Hartschalen oder Taschen – für die Reise ausgerüstet. Die Gebrauchtpreise der Honda XRV 750 Africa Twin RD07 beginnen bei etwa 3000 Euro für Exemplare mit hoher Laufleistung, aber selbst Maschinen mit weniger als 30.000 Kilometer auf dem Tacho sind für unter 5500 Euro zu haben.

KTM hat letztes Jahr seinen quirligen 373-Kubikzentimeter-Einzylindermotor aus der 390 Duke in eine kleine Reiseenduro verpflanzt. Die 390 Adventure verfügt somit über muntere 44 PS bei 9000/min. Wer flott unterwegs sein will, besonders im Zwei-Personen-Betrieb, muss den kleinen Single natürlich bei Drehzahlen halten. Die Upside-down-Gabel von WP lässt sich in Druck- und Zugstufe ohne Werkzeug verstellen und bietet immerhin 170 Millimeter Federweg, das Federbein hinten bringt es auf 177 Millimeter Arbeitsweg und es ist in Vorspannung und Zugstufe einstellbar. Abstriche muss der 390-Adventure-Treiber allerdings auf unbefestigten Terrain machen:

KTM 390 Adventure

(Bild: KTM)

Ausgerechnet die Offroad-Marke KTM spendiert ihr keine Drahtspeichenfelgen, sondern Gussfelgen und das Vorderrad misst nur 19 anstatt 21 Zoll. Wer damit leben kann, sitzt auf einem quirligen Gerät, das viel Freude bereitet und durchaus auch für Urlaubsreisen taugt. Ihr 14,5-Liter-Tank ermöglicht weit über 300 Kilometer Reichweite und die Sitzhöhe von 855 Millimeter auf der vorne schmal zulaufenden Sitzbank bietet auch Fahrern mit 1,70 Meter noch sicheren Bodenkontakt. Die einzelne Scheibenbremse am Vorderrad verzögert zuverlässig und zudem bietet die 390 Adventure elektronische Assistenzsysteme wie Kurven- und Offroad-ABS, Schlupfregelung und Bluetooth-Konnektivität – in dieser kleinen Klasse keine Selbstverständlichkeit. Die KTM 390 Adventure (Test) kostet Listenpreis 6695 Euro und der Käufer kann sich bei den Powerparts im KTM-Zubehör noch reichlich bedienen.