Harley-Davidson findet nicht aus der Krise​ trotz neuer Modelle und E-Motorrad

Seite 2: Der Nachwuchs fehlt

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Daraus resultiert das nächste Problem von Harley-Davidson: Der Nachwuchs fehlt. Junge Menschen finden bei der amerikanischen Marke keine trendigen Modelle und schon gar keine, die sie sich leisten können. Auf den riesigen asiatischen Märkten lassen sich die teuren Harley-Davidsons kaum absetzen. In ihrer Not ging die US-Marke dann einen Deal mit dem chinesischen Hersteller Quianjiang Motorcycles ein, zu dem auch die ehemals italienische Marke Benelli gehört. Seit vergangenem Jahr rollen in China die Harley-Davidson X350 und X500 vom Band, die aber nicht viel mehr als modifizierte Benelli BN 302 und Benelli Leoncino 500 (Test) sind. Die beiden günstigen Harley-Modelle sind dem asiatischen Markt vorbehalten. Es ist ohnehin fraglich, ob die X350 und X500 aus China in den USA und Europa als Harleys akzeptiert würden.

Die Pläne von Harley-Davidson sind bislang nicht aufgegangen: Die neuen wassergekühlten Revolution-Max-Motoren stecken in teuren Modellen, die sich aber als nicht sehr begehrt erwiesen haben. Die meisten Kunden bevorzugen weiterhin die luftgekühlten V2-Motoren. Die Entwicklung von Elektromotorrädern hat Harley-Davidson gigantische Summen gekostet, aber keine nennenswerten Verkaufszahlen beschert. Das erste Elektromotorrad namens "LiveWire" kostete 2020 stolze 32.165 Euro und fuhr zwar gar nicht schlecht, verkaufte sich aber nur in homöopathischen Dosen. Dann wurde die Elektromotorradsparte unter dem Label "LiveWire" ausgelagert, vermutlich weil Harley-Fans eher konservativ sind und die Geschäftsführung einen Image-Schaden fürchtete. Das Elektromotorrad hieß auf einmal "One" und der Preis sank erheblich auf 24.990 Euro. Den Verkauf kurbelte beides nicht an.

LiveWire entwickelte die Plattform "Arrow", auf der verschiedene Modelle entstehen sollen. Auf einen Rahmen verzichtete LiveWire, dafür wurde der Akkublock als tragendes Element genutzt. Das erste Modell wurde 2022 auf den Namen "S2 Del Mar" getauft. Es leistet in der Spitze 63 kW und dauerhaft 30 kW, wiegt 198 kg und kommt angeblich 138 km weit mit einer Batterieladung. 2023 wurde eine auf 100 Stück limitierte "Launch Edition" der S2 Del Mar in den USA verkauft. Eigentlich sollte das 18.490 Euro teure Elektromotorrad schon längst bei den deutschen Händlern stehen, ist aber bis heute auf der LiveWire-Homepage lediglich reservierbar. Ihr hoher Preis dürfte die Interessenten abschrecken.

Krise bei Harley-Davidson (7 Bilder)

LiveWire entwickelte die Elektro-Plattform "Arrow" und nannte das erste Modell "S2 Del Mar". Sie lässt in Europa immer noch auf sich warten, dürfte aber bei einem Verkaufspreis von 18.490 Euro ohnehin nur wenig Käufer finden.
(Bild: Harley-Davidson)

2022 verkündete Harley-Davidson, dass sie bis 2025 sagenhafte 53.000 Elektro-Krafträder absetzen wollen. Zu Beginn des Jahres 2024 wagen wir die Prognose: Das klappt nicht einmal annäherungsweise. Die Akzeptanz für Elektromotorräder ist weltweit noch sehr verhalten. Die Experten sind sich einig, dass sich die Zukunft der zweirädrigen Elektromobilität im Bereich der Führerscheinklasse A1 bzw. B196 bis 11 kW und mit günstiger 48-Volt-Technologie abspielen wird. In dem Segment werden bereits jedes Jahr Millionen Elektroroller verkauft. Von LiveWire kommt in der 11-kW-Leistungsklasse bislang nichts, es existieren lediglich ein paar gezeichnete Entwürfe – ob sie verwirklicht werden, ist völlig offen.

Harley-Davidson kämpft seit Jahren mit sinkenden Verkaufszahlen und trotz vollmundiger Ankündigungen ist keine Wende in Sicht. Die Absatzzahlen schrumpfen immer weiter und neue Modelle finden nicht den erhofften Anklang. Die Cruiser und Tourer sind teuer und treffen kaum noch den Zeitgeist. Die Elektrosparte LiveWire ist bislang ein Verlustgeschäft und ob sie sich jemals rentieren wird, ist zurzeit noch fraglich. Harley-Davidson lebt von einer schon lange nicht mehr jungen Fan-Gemeinde. Das Zubehör- und Merchandising-Geschäft läuft zwar gut und gebrauchte Harley-Davidsons sind begehrt, aber für Neumotorräder der Marke können sich immer weniger Fahrer erwärmen.

(fpi)