Missing Link: Cybersicherheit – der wunde Punkt am strahlenden Satellitenhimmel

Seite 2: Attacke auf das Satellitennetzwerk KA-Sat

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Westliche Geheimdienste und Militärs sind trotz solcher Absicherungsbemühungen besorgt. Als einer von mehreren Weckrufen diente die Attacke auf das Satellitennetzwerk KA-Sat des US-Anbieter Viasat im Februar parallel zum bewaffneten Überfall Russlands auf die Ukraine. Die Angreifer setzten dabei zehntausende Breitbandmodems außer Gefecht. Durch den Vorfall, der offenbar vor allem Kunden in der Ukraine vom Satelliteninternet abschneiden sollte, wurde auch in Deutschland als "Kollateralschaden" der Betrieb von rund 5800 Enercon-Windkraftanlagen stark eingeschränkt.

Der IT-Sicherheitsfirma SentinelOne zufolge nutzten die Angreifer eine Wiper-Malware. Die Schadsoftware, mit der Daten auf einem infizierten Gerät dauerhaft unbrauchbar gemacht werden sollen, steht laut den Experten in Zusammenhang mit dem in Russland verorteten Botnetz VPNFilter. Der Eindringling habe sich innerhalb des Verwaltungsnetzwerks des Satellitensystems zu dem Segment bewegt, das für die Kontrolle und den Betrieb von KA-Sat verwendet werde, führte Viasat selbst aus. Geht es nach SentinelOne, wurde der Wiper "AcidRain" als schadhaftes Firmware-Update vom kompromittierten Viasat-Backend aus auf die Geräte gespielt.

Satelliten selbst wurden bei dieser Aktion zwar nicht gehackt. Glaubt man US-Geheimdienstinformationen, über die die Financial Times im April berichtete, haben Moskau und Peking in jüngster Zeit aber Fortschritte beim Stören solcher Erdtrabanten und vergleichbarer Instrumente gemacht. China baue Hacking-Fähigkeiten auf, mit denen es die Kontrolle über feindliche Satelliten übernehmen könnte, berief sich die Zeitung auf einen durchgesickerten Bericht der CIA. Der Plan, Himmelsgerätschaften "zu blockieren, auszunutzen oder zu kapern", sei ein zentraler Bestandteil der Doktrin der kommunistischen Führung zur informationellen Kriegsführung.

Chinesischen Cyberwaffen sollen westliche Satelliten demnach während militärischer Auseinandersetzungen für Zwecke wie Kommunikation und Überwachung unbrauchbar machen, heißt es in dem Bericht. Sie seien darauf ausgerichtet, Steuersignale nachzuahmen und so etwa Sabotage zu betreiben. Dies könnte die Fähigkeit von Satelliten beeinträchtigen, Befehle an Waffensysteme weiterzuleiten, oder abgefangene elektronische Daten ins Reich des Drachen zu schicken.

Die CIA-Enthüllungen folgten auf eine Warnung des Chefs der US Space Force, Bradley Chance Saltzman, dass die USA vor einer "neuen Ära" von Bedrohungen aus beziehungsweise im Weltall durch Russland und China stünden. Diese gingen weit über die Blockade von Satelliten hinaus. Der General erklärte gegenüber CNBC, dass Washingtons Rivalen etwa Laser und Blend-Instrumente einsetzen könnten, die Kameras künstlicher Himmelskörper störten. Moskau habe zudem im November 2021 Anti-Satelliten-Raketen getestet.

Saltzman spricht von Erkenntnissen über Satelliten, die andere ergreifen, festhalten und aus ihrer "operativen Umlaufbahn ziehen können". Das seien alles Fähigkeiten, "die sie heute im Orbit unter Beweis stellen". Die Mischung dieser Waffen "und das Tempo, mit dem sie entwickelt wurden", seien "sehr besorgniserregend". Als Reaktion darauf plane das Pentagon etwa, verstärkt bei der Abwehr auch mit kommerziellen Raumfahrtunternehmen zu kooperieren. Der Militär berichtete dem US-Kongress schon im März, dass Chinas Militär 347 suspekte Satelliten stationiert habe. Darunter seien 35, die im vergangenen Halbjahr gestartet worden seien, um die US-Streitkräfte in künftigen Konflikten zu überwachen, zu verfolgen und gezielt anzugreifen.

Eine Reaktion erfolgte prompt: Am 11. August nahm das 75. Geheimdienst-, Überwachungs- und Aufklärungsgeschwader (ISRS) der Space Force der USA auf der Peterson-Militärbasis in Colorado seine Arbeit auf. Es soll Informationen über gegnerische Weltraumfähigkeiten sammeln, Ziele lokalisieren und verfolgen. Die Rede ist auch von einer Bekämpfung ausgemachter Bedrohungen, was die Zerstörung oder Störung gegnerischer Satelliten, der sie unterstützenden Bodenstationen und des ausgetauschten Datenverkehrs beziehen dürfte.

Die Washington Post schrieb jüngst, dass Russland auch eine neue Technik ausprobiere, die den Zugang der Ukraine zu Starlink blockieren solle. Während seiner Invasion in dem Nachbarstaat habe das russische Militär bereits den Einsatz des Satelliten-Jammer Tirada 2 verstärkt. Das ist ein Lkw-basiertes System, das den Internetempfang aus dem All am Boden stört. Satellitenbilder und -kommunikation hätten für das ukrainische Militär vor und während des Konflikts eine unverzichtbare Rolle gespielt, um russische Truppenbewegungen zu erfassen und Schäden an der Infrastruktur zu lokalisieren.

"Die Satelliteninfrastruktur hat uns geholfen, alternative Kommunikationssysteme im Bereich Internet aufrechtzuerhalten", berichtete Oleksandr Potii, stellvertretender Leiter des Staatsdienstes für Sonderkommunikation und Informationsschutz der Ukraine, im April auf der Konferenz Cysat in Paris, auf der sich alles um die Cybersicherheit in der Weltraumindustrie drehte. In den ersten Tagen des Krieges habe man viele Starlink-Terminals von Partnerländern und Konzerninhaber Elon Musk bekommen. Dies sei sehr wichtig gewesen, nachdem die Russen die Basis-Infrastruktur zerstört gehabt hätten. Das Starlink-Internet werde aber vor allem von den Bürgern und der Zivilverwaltung verwendet, weniger vom Militär. Insgesamt hätten die russischen Bombardements und Cyberangriffe so bislang "keinen katastrophalen Einfluss" ausüben können.