Missing Link: Don’t look up – ist der Satellitenmarkt noch einzufangen?

Elon Musk will für sein Starlink tausende Satelliten in den Orbit schießen – und er ist nicht allein. Es wird voll dort oben, die Regulierungsbehörden zögern.

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(Bild: NicoElNino/Shutterstock.com)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Die Geschwindigkeit, mit der Starlink sein Satellitennetz im All aufspannt, ist atemberaubend. Allein in diesem Jahr verzeichnet SpaceX schon 29 Missionen für Starlink-Satelliten. Bisher hat Musks Raketenfirma 4698 Satelliten in eine erdnahe Umlaufbahnen in 530 Kilometer Höhe gebracht. Weitere Starts sind geplant, dann überwiegend mit der nächsten Satelliten-Generation Starlink 2 Mini.

Musks Siegeszug in der Raumfahrt und beim Satelliten-Internet ist beispiellos. Um viele technische Neuerungen, auch die Wiederverwendbarkeit der verschiedenen Triebwerkstufen, beneidet die Konkurrenz SpaceX. Die erste Raketenstufe der Mission 44, B1069, war beispielsweise schon acht Mal unterwegs. Von solcher "Nachhaltigkeit" kann die Ariane 6, die Europas neue Zubringer Rakete werden soll, nur träumen. Und Elon Musk meldet für sein Satellitennetzwerk noch mehr Bedarf an: Knapp 70.000 Satelliten in 794 Umlaufbahnen hat die Starlink GmbH Deutschland über die Bundesnetzagentur bei der Internationalen Fernmeldeunion ITU angemeldet, dazu ganze Frequenzbündel im Ku-, Ka- und V-Band.

Nicht alle davon würden es in die reservierten Umlaufbahnen schaffen, meint die Bundesnetzagentur. Dass so große Konstellationen bewilligt werden, liegt an fehlenden Regeln für Beschränkungen. Dennoch hat in den USA die Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) erstmals eine Anmeldung von Starlink beschnitten.

Starlinks Erfolg birgt die Gefahr eines monopolisierten Markts. Allein OneWeb ist mit einer, wenn auch kleineren Satellitenflotte, schon vertreten in den erdnahen Umlaufbahnen (Low Earth Orbit, LEO). Zahlreiche andere Projekte sind noch im Wartestand. Bis Europas IRIS2-Projekt fliegt, dürften noch einige Jahre vergehen.

Den Wettbewerb im "New Space" zu sichern, sollte daher ein Ziel der Aufsichtsbehörden in Europa sein. Zugleich mahnen Astronomen und Raumfahrtorganisationen vor einem drohenden Verkehrskollaps im Orbit, der Astronomie und Weltraumfahrt behindert, Kollisionen wahrscheinlicher macht und den dunklen Nachthimmel für immer erleuchtet.

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Weitere rund 2500 Starlink-Satelliten sollen bis Ende des Jahres in den Orbit geschossen werden. Rechnet man die Anmeldungen zusammen, könnten es bis zu 42.000 werden. Wenn der Konkurrenz von Starlink nicht der Marktzutritt verwehrt werden soll, könnte die Population in den erdnahen Orbits schnell auf 100.000 Satelliten wachsen, schätzen Experten wie der US-Astrophysiker Jonathan McDowell.

Bei so vielen Objekten in der Erdumlaufbahn steigt das Risiko von Kollisionen. Der von SpaceX bei der Aufsichtsbehörde FCC abgelieferte Bericht zur Kollisionsvermeidung und zu ausgemusterten oder "verlorenen" Satelliten verdeutlicht die Entwicklung: Im Zeitraum 1. Dezember 2022 bis 31. Mai 2023 warfen Starlink Satelliten 25.299 Mal ihre Triebwerke an, um durch Kursveränderungen potentielle Kollisionen zu vermeiden.

Laut dem US-Fachblatt Space.com waren das doppelt so viele wie in den sechs Monaten davor. Basierend auf Zahlen des britischen Wissenschaftlers Hugh Lewis von der Universität Southampton müssen man damit rechnen, dass es 2028 schone eine Million Ausweichmanöver sein dürften.

Gegenüber der FCC betont SpaceX, dass es "konservativ" rechnet und Ausweichmanöver schon bei einer Kollisionsgefahr von 1 zu 100.000 eingeleitet werden. Wissenschaftler wie Lewis oder McDowell warnen dennoch, dass die Zahl der Kursänderungen in den kommenden Jahren exponentiell wachsen werden – und damit die Gefahr von Kollisionen steigt.

Dabei sind viele Megakonstellationen noch gar nicht im All. OneWeb mit 4000 Satelliten, Amazon Kuipers mit 3200 und Chinas geplante 13.000 Einzelsatelliten stehen noch am Anfang ihrer Entwicklung. Auch die riesigen Konstellationen von e-Space gibt es bislang nur auf dem Papier.

e-Space-CEO Greg Wyler hatte zunächst via Ruanda bei der ITU 300.000 Satelliten anmelden lassen. Jetzt hat der ehemalige Geschäftspartner von Musk unter dem Label Semaphore-C über die französischen Behörden eine neue europäische Megakonstellation mit 116.640 Satelliten bei der ITU angekündigt. Daneben nehmen sich die von der Bundesnetzagentur gemeldeten 19.708 Satelliten für Europas IRIS2-Projekt fast schon bescheiden aus.

Der Verkehr in den erdnahen Orbits könnte sich dramatisch entwickeln, meint McDowell: "Es wird ungefähr sein wie auf einer Autobahn mitten im Berufsverkehr durch einen Schneesturm, während alle mit überhöhter Geschwindigkeit fahren, nur dass sich auch noch mehrere Autobahnen kreuzen und es keine Ampeln gibt."

"Missing Link"

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