Rap-Konzert im Metaverse: Wer hat Einfluss auf den Avatar?

Ein Avatar des verstorbenen Rappers "The Notorious B.I.G." trat in Metas Horizon Worlds auf. Doch die digitale Wiederauferstehung wirft rechtliche Fragen auf.

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(Bild: Meta)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Tanya Basu
Inhaltsverzeichnis

An einem Freitag im Dezember war Biggie Smalls einen Moment lang der einzige Mann auf der Bühne. Ein Scheinwerfer beleuchtete ihn und seinen roten Samtanzug und unter Jubel vom Band rappte er seinen Hit "Mo Money Mo Problems". Seine orangefarbenen Turnschuhe wippten im Takt dazu.

Bevor Sie nun verwirrt sind: Ja, Smalls alias The Notorious B.I.G. starb bereits 1997 im Alter von 24 Jahren bei einem Mordanschlag. Er hinterließ ein großes musikalisches und kulturelles Erbe als einer der größten Rapper aller Zeiten. Aber Smalls, der eigentlich Christopher Wallace hieß, zeigte sich am Freitag trotzdem auf Metas Metaversum-Plattform Horizon Worlds in Hochform: Er hüpfte zwischen den Strophen herum, pumpte rhythmisch mit der Faust und wirkte sehr lebendig. (Der Auftritt kann hier angesehen werden, erfordert aber möglicherweise eine Anmeldung bei Facebook.)

Der hyperrealistische Avatar von Smalls ist nicht nur eine beeindruckende technische Leistung. Er ist auch ein entscheidender Test für zwei große Fragestellungen, mit denen wir uns bald konfrontiert sehen dürften, sollte sich das Metaversum tatsächlich durchsetzen: 1. Wollen Menschen für den Auftritt des Avatars eines toten Künstlers bezahlen? Und ist ein solches Geschäft 2. ethisch überhaupt vertretbar?

Smalls ist nicht der erste tote Künstler, der digital wiederaufersteht. Hologramm-Auftritte auf der Bühne sind seit langem eine umstrittene, aber beliebte Art, verstorbene Musiker wiederzubeleben: Buddy Holly, Whitney Houston, Michael Jackson und Amy Winehouse wurden für Auftritte nach ihrem Tod "gebucht". Eine der bemerkenswertesten Hologramm-Shows war die von Smalls' Rap-Rivalen Tupac Shakur beim Coachella-Festival 2012. Shakur war bereits 1996 verstorben.

Hologramme sind jedoch von Natur aus begrenzt. Sie erfordern, dass das Publikum in einem bestimmten Winkel sitzt, um die Illusion eines dreidimensionalen Auftritts des Künstlers zu erhalten. Das Metaversum bietet nun die Möglichkeit, einen lebensechteren Avatar zu sehen und sogar mit ihm zu interagieren – etwas, von dem das Team hinter Smalls' Auftritt hofft, es in naher Zukunft anbieten zu können. Was an Smalls' Auftritt am Freitag bemerkenswert war, war jedoch der Realismus. Seine Bewegungen, Manierismen und der Gesichtsausdruck waren verblüffend lebensecht.

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Aber es kam auch hier und da zu einem Schluckauf, der die Zuschauer daran erinnerte, dass Smalls ein Avatar war. In Szenen mit ebenfalls ins Metaversum gebeamten Live-Rappern schien Smalls in seine Mitstreiter hinein zu stolpern. Wenn andere Rapper seinen Flow zu unterstützen hatten, entfernte sich Smalls manchmal aus dem Bereich, in dem er auftrat, und reagierte nicht so auf seine Mitrapper, wie es ein lebendiger menschlicher Künstler tun würde.

Smalls' Avatar wirkte in voraufgezeichneten digitalen Segmenten etwas natürlicher, in denen sein Ebenbild durch das Brooklyn der 90er Jahre streifte. Seine Bewegungen wirkten dabei fast echt, seine Kleidung warf Falten, sein Kopf drehte sich wie erwartet in die korrekte Richtung und auch seine Gliedmaßen bewegten sich so, wie man es von einem Menschen erwartet, der "analog" ist.

Die Technologie, die hinter dieser visuellen Meisterleistung steckt, wurde über Jahre vorangetrieben, sagt Remington Scott, der für die Erstellung des Smalls-Avatars verantwortliche VFX-Director. Scott ist der Gründer von Hyperreal, einem Studio, das unter anderem für die Motion-Capture-Technik verantwortlich war, mit der Andy Serkis' Gollum-Figur in "Der Herr der Ringe" zum Leben erweckt wurde. (Das Smalls-Avatar nutzt ähnliche Verfahren, wenn auch ohne Smalls.) "Als wir diese Technologie in Spielfilmen einsetzten, dauerte das noch sechs Monate und kostete Millionen von Dollar", sagt Scott. "Jetzt können wir es in sechs Wochen und zu viel geringeren Kosten machen."

Das Team sammelte Dutzende von Stunden Filmmaterial aus Heimvideos und Familienfotos, um Smalls' Avatar zu erstellen, sagt Scott. Diese Referenzbilder wurden verwendet, um winzige Details in einzubauen, bis hin zu den verkniffenen Augenwinkeln von Smalls oder der Art und Weise, wie sich seine Haut bei bestimmten Gesichtsausdrücken präsentiert.

Das Team erstellte eine Datenbank solcher "Referenzen von Mikrogesichtsausdrücken", analysierte Bilder in Porenauflösung und untersuchte sogar die Elastizität von Unterhautschichten, um zu verstehen, wie sich Smalls' Gesichtshaut bewegte, erklärt Scott. Diese winzigen Veränderungen in der Mimik waren entscheidend, um einen möglichst realistischen Avatar zu schaffen.

All diese Forschungsarbeit habe sich ausgezahlt. "Ich habe den Avatar während des gesamten Erstellungsprozesses gesehen ... und er sieht für mich sehr real aus. Ich sehe die Merkmale meines Sohnes in den Details", so Smalls' Mutter Voletta Wallace in einer E-Mail. "Der Avatar ist so geworden, wie ich es mir erhofft habe." Sie habe "Das ist mein Christopher" gesagt, ergänzt Scott.

"Es gab feuchte Augen im Raum", erinnert sich der VFX-Spezialist. "In diesem Moment nutzten wir alle technischen Errungenschaften und erreichten den Bereich der emotional realen Simulationen." Ein Grund, warum Smalls für ein VR-Konzert in Frage kam, war, dass er ein Star ist, der keine Live-Auftritte gab. "Biggie hat zwei Alben veröffentlicht und ist nie auf Tournee gegangen", sagt Elliot Osagie, Gründer von Willingie, einem Unternehmen für digitale Medien, das an der Veranstaltung mitwirkte. Der virtuelle Auftritt sei für die Fans eine Gelegenheit gewesen, ihren Star endlich live zu sehen – und einer neuen Generation einen legendären Rapper vorzustellen.

An dieser Stelle kommt seine Mutter Voletta Wallace ins Spiel, die auch sein Erbe verwaltet, das auf rund 160 Millionen Dollar geschätzt wird. Obwohl es sich um ein emotionales Projekt handelte, stand außer Frage, dass es auch eine geschäftliche Chance darstellte: Scott meint, dass Wallace und die Nachlassverwaltung ihres Sohnes nach "Möglichkeiten gesucht haben, ihn zurückzubringen, um wieder mit seinen Fans in Kontakt zu treten und eine neue Fangemeinde aufzubauen". Der letzte Teil ist besonders wichtig: Smalls' Altersgenossen sind Menschen der Generation X – und die wird immer älter. Wenn man Smalls in das Metaversum bringt, eine Arena, die von jüngeren Generationen dominiert wird, könnte man sein Publikum verbreitern. Wallace bestätigt dies: "Ich stelle mir Konzerte, Videos mit seiner Musik, Werbespots, Animationen, Filme und weitere Möglichkeiten im Metaversum vor."