Statt Kameratechnik und Herbizid: Unkraut wird durch neuen Sensor erkannt

Eine neuartige Hackmaschine vernichtet Beikräuter auf dem Acker ohne Herbizide und aufwändige Kameratechnik.

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Erste Testfahrten auf einem Maisfeld hat der Träger mit dem neu entwickelten Fühler schon absolviert.

(Bild: IBL/TH Köln)

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Die Kunst im Kampf gegen unerwünschtes Beikraut auf dem Acker, liegt darin, die Nutzpflanzen sicher zu erkennen. Bisher kommt dazu in der Regel Kameratechnik zum Einsatz. Doch das sei recht aufwändig und teuer, berichtet Simon Kubinski von der Technischen Hochschule (TH) Köln – und hat mit seinem Team im Projekt ABHA eine Alternative entwickelt.

Die neuartige Hacktechnik arbeitet mit einem taktilen Sensor, der die Pflanzen quasi abtastet, um sie zu identifizieren. Der Sensor ist an einen sogenannten Versuchsträger montiert, der beispielsweise von einem Trecker durch das Feld gezogen werden kann. Eine ausgetüftelte Klingenkomposition durchschneidet dabei etwa zwei Zentimeter tief im Boden alle Wurzeln, die ihr in den Weg kommen. Erste Testfahrten auf einem Maisfeld hat der Träger mit dem Fühler schon absolviert.

Der neue Sensor ist ein Metallstab vom Format eines Kugelschreibers. Er touchiert beim Durchfahren der Reihen den unteren Bereich der jungen Maispflanzen und misst die Kraft, die es braucht, um einen Stengel zu biegen. "Wir haben im Labor die Kräfte junger Maispflanzen mit unterschiedlichen Wuchshöhen und bei verschiedenen Fahrgeschwindigkeiten ermittelt und stellen den Taster auf diese Werte ein", sagt der Projektkoordinator Kubinski. "Wird eine Nutzpflanze erkannt, öffnen sich die beiden Klingen des Hackwerkzeugs und sparen einen rautenförmigen Bereich um die erkannte Pflanze aus." Auf diese Weise könne man auch sehr dicht an der Maispflanze Unkraut entfernen – dort, wo es am meisten Schaden anrichte.

Der stiftartige Sensor testet im Vorbeifahren die Biegsamkeit des Maisstengels.

(Bild: IBL / TH Köln)

Der Bedarf an Alternativmethoden zur chemischen Unkrautbeseitigung steigt. Laut EU soll der Einsatz von Pestiziden bis 2030 halbiert werden. Zu groß sind die Schäden, die viele Mittel anrichten, wenn sie sich in der Umwelt verteilen. Vor allem die Artenvielfalt leidet, die ein Garant für robuste Ökosysteme ist und damit überlebenswichtig für die Menschheit. Zudem können Kräuter Resistenzen gegen die Wirkstoffe entwickeln. Manuelles oder maschinelles Hacken ist – neben der gezielten Aussaat unschädlicher Beikräuter wie Klee zwischen den Reihen – eine Möglichkeit, den Einsatz von Herbiziden zu senken.

Auch Landmaschinenhersteller haben den Trend erkannt. Laut dem Branchenmagazin agrarheute steigt das Angebot an Hackmaschinen schon seit Jahren. Die meisten Systeme arbeiten mit Kamerasystemen und KI, die die Nutzpflanzen über Farbe und Form erkennen. Doch schwankende Lichtverhältnisse können die Detektion behindern. Oft werden die Kameras daher abgeschirmt und der Aufnahmebereich künstlich beleuchtet.

Die Technik mit dem Kraftsensor sei wesentlich einfacher und kostengünstiger, sagt Kubinski. Einen Bedarf dafür sieht er vor allem bei Ackerpflanzen wie Mais, "weil die Wertschöpfung eher niedrig ist". Mais kommt überwiegend als Futtermittel und Energiepflanze für Biogasanlagen zum Einsatz. Die neue Erkennungstechnik ließe sich aber auch mit Feldrobotern für den ökologischen Gemüseanbau kombinieren.

Erste Testfahrten auf einem Maisfeld hat die Hacktechnik asu der TH Köln schon absolviert. Mit den Ergebnissen sei das Team recht zufrieden, auch wenn es noch ein paar Baustellen gebe, räumt der Projektkoordinator ein. "Aktuell durchfahren wir die Reihen mit einer Geschwindigkeit von etwa drei Kilometern pro Stunde. Das sind im Schnitt sechs Pflanzen pro Sekunde." Dieses Tempo sei steigerbar. Außerdem gelte es, die Treffsicherheit des Fühlers noch zu verbessern. "Wir müssen am Ende gewährleisten können, dass der taktile Sensor möglichst alle Pflanzen korrekt erkennt", so der Forscher. Im nächsten Jahr will das Team aussagekräftige Daten aus weiteren Testfahren präsentieren.

Damit, dass die Hacktechnik die Erträge im Vergleich zum Herbizideinsatz schmälern könnte, rechnet Kubinski nicht. Das hätten Feldtests gezeigt, die parallel zur Technikentwicklung gelaufen seien. Über drei Jahre hat das Team Versuchsfelder mit verschiedenen Methoden bearbeitet: einen Teil mit Herbiziden, einen anderen durch Hacken zwischen den Reihen und einen dritten Teil durch Hacken zwischen und in den Reihen, also auch dicht um die Maispflanzen herum. Auf sieben von neun Feldern seien die Erträge nicht niedriger und auf zweien sogar höher ausgefallen als auf jenen mit Herbizideinsatz, berichtet Kubinski. Um Totalherbizide wie Glyphosat sei es dabei nicht gegangen. Diese kommen üblicherweise vor dem Anbau zum Einsatz, um ein Feld möglichst komplett von Bewuchs zu befreien.

Aus Betriebssicht punkten die chemischen Unkrautvernichter vor allem in einer Sache, zumindest unter den aktuellen Randbedingungen. "Wir arbeiten daran, die Kosten für das Hacken in der Reihe zu reduzieren, der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist aber nach wie vor wirtschaftlicher", sagt der Forscher.

(anh)