Apple und das Risiko für die Marke: "Tod durch tausend kleine Stiche"

Apple strebt etwa in der Schweiz erweiterte Schutzrechte für ein Apfelbild an. Warum das nicht jedem schmeckt und was ein Markenrechtsexperte dazu sagt.

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Apple-Logo

(Bild: Sebastian Trepesch)

Lesezeit: 12 Min.

Zu Äpfeln haben die Schweizer bekanntlich ein besonderes Verhältnis. Wilhelm Tell, der Schweizer Nationalheld und Freiheitskämpfer, wird im Werk von Friedrich Schiller dazu gezwungen, einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen, um die Freiheit zu erlangen.

Die Freiheit beschäftigt die Schweiz derzeit einmal mehr. Nur dass es diesmal die des Apfels als Symbol ist. Der iPhone-Hersteller Apple spielt darin die Hauptrolle. Und auch international wird mit Interesse darauf geschaut, wie diese Auseinandersetzung ausgeht.

Schauplatz ist das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen. Dort ist unter der Bezeichnung B-4493/2022 seit April ein Verfahren anhängig, in dem Apple gegen das Eidgenössische Institut für geistiges Eigentum klagt. Letztgenanntes wies im September 2022 ein Begehren des US-Unternehmens teilweise zurück, den Schutz der Bildmarke Apples auszuweiten. Dabei geht es nicht um den bekannten stilisierten Apfel Apples, der an der rechten Seite angebissen ist. Die Kalifornier möchten einen naturgetreuen Apfel der Sorte Granny Smith in allen Farben schützen lassen.

Diese sogenannte Schutzausdehnung könnte es anderen künftig erschweren bis unmöglich machen, irgendeine Art von Apfel noch in Bildmarken zu verwenden. Das Institut wies den Antrag Apples deshalb zurück. Ein Apfel sei Gemeingut.

Das findet auch der Schweizer Obstverband, der einen markanten roten Apfel im Logo führt. Wenn Apple über den Apfel im Allgemeinen bestimmt, könnte das auch Auswirkungen auf die Traditionsmarke haben. "Aktuell warten wir auf den definitiven Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts. Sobald bekannt ist, wie der Entscheid ausfällt und wie er sich auf unsere Marke auswirkt, werden wir erste Schritte einleiten", sagt Sprecherin Mäggy Stark auf Anfrage von heise online. Ein Verlust des Apfels wäre, so lässt sie durchblicken, schmerzlich: "Das Logo mit dem Apfel vom Schweizer Obstverband besteht schon über 100 Jahren und noch viel länger gibt es den Apfel als Bild."

Seit über 100 Jahren ziert ein Apfel das Logo des Schweizer Obstverbandes

(Bild: Schweizer Obstverband)

Behörden in Israel, Japan, der Türkei und anderen Ländern sahen das anders und gewährten den Amerikanern erweiterte Schutzrechte, berichtet die britische Ausgabe des Magazins Wired. Anfragen der Journalisten zum Markenschutz blieben laut Bericht unbeantwortet. Wie vehement Apple für seine Marke eintritt, wurde schon in den USA und Europa verschiedentlich durch Rechtsstreitigkeiten deutlich. Dabei ging es auch um ein Birnenlogo, Cafés in Deutschland und sogar einen Fahrradweg am Rhein, der einen Apfel im Namen oder als Bildmotiv hatte.

Über Apples Vorgehen und die mögliche Notwendigkeit, dass Markeninhaber so vorgehen, hat heise online mit Dr. Constantin Rehaag gesprochen. Er ist Partner im Frankfurter Büro der größten global tätigen Wirtschaftskanzlei Dentons sowie unter anderem stv. Vorsitzender der europäischen Praxisgruppe Intellectual Property, Data and Technology.


heise online: Herr Dr. Rehaag, Apple beabsichtigt, in der Schweiz einen naturgetreuen Apfels der Sorte Granny Smith in allen Farben für sich schützen zu lassen. Dabei haben längst andere in der Schweiz Äpfel in ihrer Marke – so der Schweizer Obstverband. Das zieht gerade international viel Aufmerksamkeit auf sich. Ist das aus Ihrer Sicht überhaupt ein außergewöhnlicher Fall?

Dr. Constantin Rehaag: Die Erweiterung der Markenrechte ist auch bei bekannten Marken üblich. Es kann sein, dass der Markeninhaber vielleicht neue Geschäftsbereiche erschließen oder schlicht und einfach das Logo in gewisser Weise ändern möchte. Auch sog. Defensivanmeldungen - dies sind Marken, die das Umfeld einer Kernmarke abdecken sollen, hinsichtlich derer aber ggf. gar keine Benutzungsabsicht besteht – mögen trotz der rechtlichen Problematik manchmal eine Rolle bei der Anmeldung spielen.

Dr. Constantin Rehaag ist Experte für Markenrecht

(Bild: privat)

Mit dem naturgetreuen Apfellogo will Apple nach den vorliegenden Informationen allerdings maßgeblich den Schutz für Waren der Klasse 9 beantragen. Die Klasse 9 umfasst u.a. Geräte und Instrumente zur Aufzeichnung, Übertragung, Wiedergabe oder Verarbeitung von Ton, Bild oder Daten, herunterladbare Medien, Computersoftware und Computer. Damit hatte Apple auch Erfolg, aber nur teilweise. Daher könnte es sein, dass weitere Waren und Dienstleistungen beansprucht wurden.

Wie bei jeder Markenanmeldung muss ein Unternehmen, dass seinen Markenschutz erweitern möchte, vor allem darauf schauen, dass die Marke unterscheidungskräftig ist und darauf achten, ob es ältere, verwechslungsfähig ähnliche Zeichen gibt, die für ähnliche Waren- und Dienstleistungen geschützt sind. Apples angemeldete Erweiterung trifft in der Schweiz auf ältere Rechte. Und dann muss man sehen: Wie geht man damit um?

Wäre dann die ältere Marke im Vorteil, auch wenn Apple doch international viel bekannter ist?

So genannte prioritätsältere Zeichen stehen einer jüngeren Eintragung immer entgegen. Das betrifft sowohl die Eintragung einer Marke als auch die Verletzung einer Marke. Es gibt aber natürlich auch nicht registrierte Schutzrechte, an die man in dem Kontext auch denken muss.

Immer wieder wollen Unternehmen Namen, Gegenstände des Alltags und sogar Farben für sich schützen lassen. Wie realistisch sind solche Vorhaben?

Sie haben jetzt gerade konkret die, wie wir Juristen sagen, abstrakte Fachmarke angesprochen. Das ist zum Beispiel das berühmte Telekom-Magenta. Aber da ist es ja nicht alles. Wir haben eine umfangreiche Rechtsprechung, die solche Farbmarken behandelt. Das ist das Sparkassenrot zum Beispiel. Dann haben wir für die Firma Gardena die Farbe Türkis die auf nahezu allen Gartengeräten zu finden ist, sowie die farbliche Gestaltung von Schläuchen. Auch das ist grundsätzlich markenfähig.

Aber solche Marken begegnen oftmals Bedenken seitens der Ämter. Denn bevor eine Marke eingetragen werden kann, muss sie immer eine Unterscheidungskraft aufweisen. Das bedeutet die Fähigkeit, die eigenen Waren und Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Oder noch präziser: Wenn jemand das Produkt sieht: kommt er drauf, dass es ein Herkunftskennzeichen ist, oder ist das einfach nur eine farbige Sache oder eine Dekoration? Das sind die Hürden, die bei der Anmeldung genommen werden müssen. Der Markeninhaber hat dann sogenannte Beanstandungen argumentativ und gegebenenfalls durch Nachweise, die für das Vorhandensein einer solchen Unterscheidungskraft sprechen, zu überwinden.

Wie sieht das im Falle Apples aus?

Bei Apple ist es ja im Grunde gar nicht so sehr die Frage, ob die Marke unterscheidungskräftig ist. Der Apfel ist ganz schick und einprägsam und für – ich nenne jetzt nur einige Waren – Computer und Telekommunikationsgeräte funktioniert das sehr gut. Kritischer wird es bei der Frage, wie es eigentlich aussieht, wenn ich einen Apfel für einen Fruchthandel darstellen möchte. Denn die Unterscheidungskraft geht Hand in Hand mit dem sogenannten Freihaltebedürfnis.

Ein ganz einfaches Beispiel: Ich kann natürlich das Wort Bügeleisen nicht für Bügeleisen schützen. Denn dann hätte ich diesen Begriff für mich monopolisiert und dürfte nur mein Bügeleisen Bügeleisen nennen. Wir als Allgemeinheit brauchen diesen Begriff aber. Und ähnlich könnte man bei der Apfelgestaltung für Früchte argumentieren. Allerdings haben wir bei Bildmarken einen viel größeren Freiraum bei der Gestaltung. Man kann Äpfel auf verschiedenste Arten und Weisen darstellen. Der Schutzbereich dürfte dann nur sehr klein sein.

Das Ganze ist ein System der Wechselwirkungen. Wenn ich zum Beispiel sehr ähnliche Zeichen habe, aber nicht mehr ganz so ähnliche Waren- und Dienstleistungen, dann kann dieser Grad der hohen Zeichenähnlichkeit den geringeren Grad bei der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ausgleichen.

Und ähnlich ist es mit der Kennzeichnungskraft. Wenn ich eine sehr hohe Kennzeichnungskraft habe, kann ich auch damit einen fehlenden Abstand zwischen den Zeichen überspielen.

Es ist eine typische juristische Aufgabe, diese Wechselspiele in Einklang zu bringen und dann die richtige Schlussfolgerung zu ziehen.

Apple tritt immer wieder damit in Erscheinung, selbst bei Bezeichnungen von Radwandertouren oder kleinen Cafés Markenverletzungen zu verfolgen, sobald der Begriff Apfel im Namen auftaucht oder als Bild zu sehen ist. Wie erklären Sie sich das, dass Apple aus der Sicht des Laien so intensiv gegen selbst kleinste Verstöße vorgeht? Ist das Unternehmen vielleicht sogar in einer Zwangslage, das zu tun?

Apple verfügt derzeit mit seinem Logo über die zweitwertvollste Marke der Welt mit einem geschätzten Wert von rund 300 Milliarden Dollar. Und jeder Markeninhaber ist gehalten, seine Assets zu schützen. Das ist bei Marken genauso wie bei anderen allen Formen des geistigen Eigentums.

Dadurch, dass es immaterielles Eigentum ist, ist es natürlich auch besonders verletzlich. Als große Gefahr droht vor allem, was wir landläufig als Verwässerung bezeichnen. Es gibt in diesem Zusammenhang ein schönes Zitat: Die Verwässerung ist der Tod durch tausend kleine Stiche.

Wenn ein Zeichen zu oft von anderen benutzt wird, in anderen Kontexten, möglicherweise sogar in Kontexten, die als rufschädigend wahrgenommen werden, dann kann die Funktion der Marke als Herkunftsfunktion, aber auch als Garantiefunktion oder auch die Werbefunktion der Marke deutlich geschmälert werden.

Schlimmer noch ist es, wenn ein Begriff oder eine Marke zu einem allgemeinen Begriff wird. Das ist das landläufige Beispiel von Tempo. Heute nehmen wir nur noch Tempos und keine Papiertaschentücher mehr.

Und das ist sicherlich eine mögliche Motivation Apples, hier zu sagen: es gibt uns zu viele Äpfel auf der Welt. Wir haben die wertvollste Marken der Welt. Wir müssen sie schützen. Wir haben einen exzellenten Ruf. Und diesen Wert wollen wir erhalten. Und wir müssen ihn auch erhalten.

Apfel des Anstoßes: Das in der Schweiz strittige Apfel-Logo hier in der Auflistung beim Deutschen Markenamt.

(Bild: Screenshot Markeneintrag)

Aber muss es dann wirklich in dieser Intensität sein?

Ich denke, hier wird ein vor dem Hintergrund der Ziel-Auswahl relativ aggressiver Kurs gefahren, doch müssen wir auch bedenken, dass es sich bei Apple um eine bekannte Marke handelt.

Die Angriffe seitens Apple werden sicherlich nicht immer zum Erfolg führen, in vielen Fällen jedoch schon, aber selbst wenn einige dieser Maßnahmen nicht Erfolg haben: es ist eine Kommunikation in den Markt.

Wir beide sprechen hier gerade darüber, andere Zeitungen berichten darüber – jemand, der eine schöne Idee hat und an einen Apfel denkt, überlegt sich es nun vielleicht zweimal, diesen als Logo oder im Namen zu verwenden. Das ist natürlich auch eine Form der Kommunikation.

Am Ende des Tages wird Apple einfach mehr Geld haben, um solche Rechtsstreitigkeiten durchzuführen als kleinere Start-ups.

Dient Apples Vorgehen vielleicht auch einfach nur zur Dokumentation, aufzuzeigen, dass sie die Marke verteidigen?

Ganz klar, damit wird auch gegenüber der Aktionärsversammlung eines großen Unternehmens belegt, dass etwas dafür getan wird, die Assets des Unternehmens zu schützen. Aber man darf es aufgrund des Aufwandes nicht als bloßes Feigenblättchen sehen. Da steckt tatsächlich eine Strategie dahinter.

Man will die Verwendung des Apfels so weit einschränken, wie es rechtlich möglich ist, zum Wohle der eigenen Marke.

Eine Marke ist ja ein Ausschließlichkeitsrecht. Es erlaubt dem Inhaber, anderen zu untersagen, diese Marke für ähnliche Waren und Dienstleistungen zu benutzen. Eine Marke ist komplett wertlos, wenn man sie nicht durchsetzt.

Der Schutzbereich verschmälert sich schlimmstenfalls bis zu einem Punkt, wo Sie vielleicht über den Identitätsschutz hinaus gar nichts mehr unternehmen können. Es ist also eindeutig ein Gebot der Markenführung, die Marke zu verteidigen.

Je wertvoller die Marke, desto aggressiver wird man das möglicherweise tun. Oder je größere Pläne man hat, desto aggressiver wird man es tun.

Ich persönlich berate meine Mandanten in der Hinsicht, das immer mit Augenmaß zu tun. Aber was das Augenmaß ist, hängt dann natürlich auch vom Betrachter ab.

(mki)