Tumor-Erkennung: Genaue Röntgentechnik soll nicht nur Sprengstoff detektieren

In Verbindung mit einer Deep-Learning-KI liefert ein Verfahren aus der Sicherheitstechnik so gute Ergebnisse, dass der Einsatz auch in der Medizin denkbar ist.

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Blick ins Innere einer Tasche: Oben mit der konventionellen Technik, unten der mikroradialen Streuung durch das neue Röntgenverfahren.

(Bild: UCL)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Rhiannon Williams

Forscher am University College London (UCL) haben ein Verfahren, das eigentlich in Sicherheitsscannern für Gepäck zum Einsatz kommt, für medizinische Zwecke angepasst. Dabei setzen sie Deep-Learning-Algorithmen ein, mit denen die Röntgen-basierte Technik nun auch gefährliche Tumore detektieren kann.

Das Verstecken von Sprengstoff in Elektronik und anderen Gegenständen kann die Erkennung mit herkömmlichen Röntgenverfahren erschweren. Schon hier kommt mittlerweile KI zum Einsatz, die unter Testbedingungen eine Erkennungsrate von bis zu 100 Prozent hat. So sollen etwa an Flughäfen schneller und besser gefährliche Substanzen erkannt werden. Doch das Verfahren kann eben noch mehr: Von der Erkennung von Rissen in Gebäuden, die mit menschlichem Auge kaum erkennbar ist, bis hin zur Detektierung von Krebs im Frühstadium.

Das Team des UCL versteckte zunächst kleine Mengen an Sprengstoff, darunter Semtex und C4, in elektrischen Geräten wie Laptops, Haartrocknern und Mobiltelefonen. Die Gegenstände wurden in Taschen mit Zahnbürsten, Ladegeräten, Medizin und anderen Alltagsgegenständen platziert, um die Tasche eines Reisenden möglichst genau nachzubilden.

Während herkömmliche Röntgengeräte Objekte mit einem einheitlichen Röntgenfeld durchleuchten, scannten die Forscher die Taschen mit einem speziell angefertigten Röntgen-Sicherheitsscanner, der sogenannte Masken enthält – Metallplatten mit eingestanzten Löchern, die die Strahlen in eine Reihe kleinerer Strahlen aufteilen. Während die Strahlen die Tasche und ihren Inhalt durchdrangen, wurden sie in Winkeln gestreut, die nur einen Mikroradianten (etwa 20.000 Mal kleiner als ein Grad) betragen.

Die KI ist außergewöhnlich gut darin, die Texturen dieser so erfassten Materialien zu erkennen, selbst wenn sie in anderen Objekten versteckt sind, sagt Hauptautor Sandro Olivo vom Medical Physics & Biomedical Engineering Department der UCL. "Selbst wenn wir irgendwo eine kleine Menge Sprengstoff verstecken, findet der Algorithmus dessen Textur, weil sie sich inmitten vieler anderer Dinge befindet."

Der Algorithmus war tatsächlich in der Lage, Sprengstoffe in jedem einzelnen der unter Testbedingungen durchgeführten Experimente korrekt zu identifizieren, obwohl das Team einräumte, dass es unrealistisch sei, in größeren Studien, die den Realbedingungen näher kommen, ein derart hohes Maß an Genauigkeit zu erreichen.

Die Technik soll auch in der Medizin eingesetzt werden, insbesondere bei der Krebsvorsorge, hofft das Team nun. Obwohl Olivo und Co. noch nicht abschließend getestet haben, ob die Technik erfolgreich die Textur eines Tumors von dem umgebenden gesunden Brustgewebe unterscheiden kann, sind sie fest davon überzeugt, dass selbst sehr kleine Tumore detektiert werden können, die zuvor hinter dem Brustkorb eines Patienten unentdeckt geblieben wären. "Das würde ich gerne eines Tages erreichen", so der Physiker. "Wenn wir eine ähnliche Trefferquote wie bei Sprengstoff bei der Erkennung von Texturen in Tumoren erzielen, ist das Potenzial für die Frühdiagnose enorm."

Allerdings ist der menschliche Körper eine wesentlich schwierigere Umgebung zum Scannen mit Röntgen als statische, hauptsächlich luftgefüllte Objekte wie Taschen, gibt Kevin Wells zu bedenken. Er ist außerordentlicher Professor an der Universität Surrey und kennt Olivos Studie. Außerdem müssten die Forscher die sperrige Ausrüstung erst verkleinern und sicherstellen, dass die Kosten für das Screening bestehender Techniken entsprechen, bevor es als Screening-Methode für Menschen in Betracht gezogen werden könnte.

"Was hier vorgestellt wurde, sieht aber sehr vielversprechend aus. Ich denke, es hat großes Potenzial für bestimmte Arten der Bedrohungserkennung und auch für die Erkennung von Rissen in Gebäuden", sagt er. Für medizinische Anwendungen wie Krebs sei es "eine Möglichkeit". Aber es seien eben noch einige Schritte zu gehen, "bevor man die Wirksamkeit in einem klinischen Kontext nachweisen kann".

(jle)