Edit Policy: Für freies öffentliches WLAN – Freifunker sind Alltagshelden!

Seite 2: Anbieter nicht für illegale Handlungen verantwortlich

Inhaltsverzeichnis

Seit der Reform ist im Telemediengesetz eindeutig geregelt, dass Anbieter*innen freier WLANs nicht zur Einrichtung eines Passworts oder zur Erhebung persönlicher Daten der Nutzer*innen ihres Internetanschlusses gezwungen werden können. Im selben Zuge führte der Gesetzgeber aber die Möglichkeit von Netzsperren als Mittel gegen wiederholte Urheberrechtsverletzungen ein, die zusätzliche rechtliche und organisatorische Hürden für den Betrieb offener WLANs geschaffen haben. Grundsätzlich sind Freifunk-Angebote und andere freie WLANs jedoch vom Haftungsausschluss erfasst, wonach Internetzugangsanbieter nicht für illegale Handlungen ihrer Nutzer*innen verantwortlich sind.

Die jüngsten Urteile deutscher Gerichte zur urheberrechtlichen Verantwortlichkeit von Freifunk-Anbieter*innen führen die Reform der Störerhaftung ad absurdum. Anstatt den Willen des Gesetzgebers zu akzeptieren, den Betrieb offener WLANs ohne Passwortzwang oder Überwachung der Nutzer*innen zu ermöglichen, folgen die Richter in den beiden aktuellen Fällen der Argumentation von Warner Bros., die Anschlussinhaber*innen selbst hätten die Urheberrechtsverletzungen begangen. Der Haftungsausschluss für Internetzugangsanbieter gilt aber nur für das Verhalten von Dritten.

Um ihre Unschuld zu beweisen, wird von den Beschuldigten ein Nachweis verlangt, wer die Tat stattdessen begangen hat, wozu sie genau die Sammlung personenbezogener Daten vornehmen müssten, die von ihnen laut Telemediengesetz ja gerade nicht verlangt werden darf. Im Fall des Hausprojekt-Freifunkers erwartet der Richter Auskunft darüber, „welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen“. Selbst mit Vergabe eines Passworts könnte der Anschlussinhaber einer solchen Anforderung also nicht entsprechen, er müsste darüber hinaus auch noch das Surfverhalten jeder einzelnen Person protokollieren, die den Internetanschluss des Hausprojekts mitbenutzt.

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Das Ergebnis dieser verqueren Logik: Die Betreiber*innen freier WLANs sind für Urheberrechtsverletzungen Dritter nicht verantwortlich und dürfen nicht zur Vergabe eines Passworts oder zur Sammlung persönlicher Daten der Nutzer*innen des Internetzugangs verpflichtet werden. Um zu beweisen, dass eine Urheberrechtsverletzung nicht von ihnen selbst, sondern von Dritten begangen wurde, müssen sie aber ein Passwort vergeben und umfangreiche Daten über die Nutzer*innen des Internetzugangs sammeln. Bei Freifunk-Projekten kommt erschwerend hinzu, dass verschiedene Freifunk-Knoten in einem Mesh-Netzwerk miteinander verknüpft sind und deshalb noch nicht einmal bei allen Freifunk-Netzwerken mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob eine mutmaßliche Urheberrechtsverletzung überhaupt an einem bestimmten Standort begangen wurde.

Es liegt auf der Hand, dass eine solche private Vorratsdatenspeicherung zum Beweis der eigenen Unschuld nicht nur unzumutbar ist und den Sinn des Telemediengesetzes in sein Gegenteil verkehrt, sondern auch einen unzulässigen Eingriff in die Grundrechte der Nutzer*innen darstellen würde. Die Unterhaltungsindustrie mag sich wünschen, dass Betreiber*innen freier WLANs künftig in digitaler Blockwart-Manier die Kommunikation aller Menschen überwachen, die ihren Internetanschluss nutzen. Dass sich Gerichte eine solche Rechtsverdrehung zu eigen machen, gilt es jedoch auf jeden Fall zu verhindern. Der Freifunker des Berliner Hausprojekts hat in dieser Sache zwischenzeitlich Verfassungsbeschwerde eingelegt, das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.

Die Texte der Kolumne "Edit Policy" stehen unter der Lizenz CC BY 4.0

(tiw)