Meinung: VW mit dem E-Auto ID.3 auf gefährlichem Sparkurs

Seite 2: Spar-Ehrgeiz

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Was bleibt, ist ein extrem frugaler Innenraum, der mit billigen Materialien ausgekleidet ist. Er zeugt von einem Spar-Ehrgeiz, der VW noch einmal teuer zu stehen kommen könnte, denn das wird in dieser Form auch manch treuer Anhänger der Marke nicht mittragen. Es hätte VW nicht viel von seiner Größe genommen, zu sagen, wir kriegen den Preis nicht auf 29.990 Euro gedrückt – wir schreiben 30.200 dran, werfen den Aktionären 50 davon zu und stecken den Rest in die Innenraumanmutung. Im industriellen Umfeld lässt sich mit so einer Summe, die auf den ersten Blick lächerlich erscheinen mag, unglaublich viel bewegen. In der Budgetierung wird teilweise um Centbeträge gerungen, weil auch sie bei hohen Stückzahlen Spuren in der Bilanz hinterlassen.

Volkswagen wird Tesla bei den Themen Batterie und Software zumindest kurzfristig keine großen Sorgen bereiten können. Um so wichtiger wäre es gewesen, die Amerikaner in einem Punkt schmerzlich zu treffen, den diese nicht so gut beherrschen. Es hätte VW einen letztlich lächerlichen Betrag gekostet, eine Innenraumanmutung zu schaffen, die Tesla aktuell nicht bieten kann. Die Chance haben die Entscheider fahrlässig vertan. Bei allem, was man den ehemaligen Volkswagen-Herrschern Piëch und Winterkorn in Bezug auf den Abgasbetrug nachsagen mag: Ich glaube, ein Sparbemühen so weit an die Oberfläche zu transportieren, dass die Kunden es auf den ersten Blick sehen, wäre den beiden nicht passiert.

Chronologie des Abgas-Skandals (78 Bilder)

Mitte September 2015:  Die US-Umweltschutzbehörde EPA beschuldigt den Volkswagen-Konzern, Diesel-PKWs der Baujahre 2009 bis 2015 mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Prüfungen auf US-amerikanische Umweltbestimmungen austrickst. Zu ähnlichen Untersuchungsergebnissen ist auch das California Air Resources Board (CARB) gekommen. Beide Behörden schicken Beschwerden an VW. (Im Bild: Zentrale der EPA in Washington D.C.)
(Bild: EPA
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Stattdessen testen die aktuell Verantwortlichen, wie weit sie gehen können, bis die Kundschaft rebelliert. Ein Spiel mit Feuer und Sprengstoff, denn es geht wohlgemerkt um eine Kundschaft, die letztlich für den Hoffnungsträger ID.3 beim Händler fast immer mindestens zwischen 35. und 40.000 Euro auf den Tisch legen wird – von denen sie sich vorübergehend 6000 Euro vom Steuerzahler zurückholen können. Es ist nur eine These, doch ich vermute, dass VW den Innenraum rasch nachbessern wird – vielleicht nicht ganz so schnell wie die Software, die demnächst mit einem großen Update auf die richtige Spur gebracht werden soll, aber doch absehbar.

Denn allerspätestens, wenn der erste Hype um dieses Auto abgeklungen ist, wird sich zeigen, ob auch zögerliche Interessenten den Weg mitgehen, den VW bei der Innenraumanmutung gerade beschreitet. Noch ist es längst nicht so weit: Rund 14.000 ID.3 hat VW in den ersten vier Wochen nach dem Start des Verkaufs ausgeliefert. Das Interesse an ihm ist riesig, wie auch mein Kollege Christoph während seines Tests bemerkt hat. Doch irgendwann müssen auch jene überzeugt werden, die nicht bedingungslos alles abnehmen, was VW auf den Markt wirft. Ein hochwertig erscheinender Innenraum wäre ein guter Anfang, mit dem die Marke in der Vergangenheit hervorragende Geschäfte gemacht hat.

(mfz)