Datenschutzbehörden leiten Prüfungen ein gegen Datenmarktplatz Xandr und Käufer

Fragile Senioren oder spielsüchtig: Wegen solcher Werbekategorien, die Netzpolitik.org aufdeckte, prüfen nun Datenschutzbehörden mehrere Firmen.

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(Bild: William Potter/Shutterstock.com)

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Über den Datenmarktplatz Xandr können Werbetreibende Daten kaufen und dabei aussuchen, ob sie lieber einen Satz "Fragile Senioren", "LGBTQ" oder "Moms who shop like crazy" ansprechen möchten. Auch zum Einkommen und der mentalen Gesundheit gibt es Listen. Diese konnten Journalisten von Netzpolitik.org und dem US-Medium The Markup einsehen. Während die Angebotsliste von Xandr aus dem Jahr 2021 stammte, übernahm Microsoft den Dienst im Jahr 2022. An diesem Geschäft mit den Daten sind jedoch noch zahlreiche weitere deutsche Firmen beteiligt. Einige davon werden nun von den jeweiligen Datenschutzbehörden überprüft.

Berlin, Hamburg, Bayern und Baden-Württemberg haben auf Nachfrage von Netzpolitik.org angegeben, Überprüfungen gegen beteiligte Firmen einzuleiten, die in ihrem Zuständigkeitsbereich sitzen. In München sitzen Microsoft selbst und DataXTrade. Die dortige Datenschutzbehörde soll bereits eine Prüfung eingeleitet haben, für eine rechtliche Bewertung sei es jedoch noch zu früh. Adsquare, ein Händler für Standort-Daten und zwei weitere Unternehmen, die bei Xandr gekauft haben sollen, werden von der Datenschutzbeauftragten Meike Kamp untersucht. Sie sagt laut Netzpolitik, "dass sie skeptisch ist, dass Firmen sich bei derart umfassenden und intransparenten Datensammlungen auf die Einwilligung der Betroffenen berufen können". Das sei wegen der Komplexität und Anzahl an Beteiligten kaum möglich.

Die DSGVO sieht vor, dass man der Verarbeitung von Daten nur zustimmen kann, also einwilligen durch etwa Cookie-Banner, wenn man auch ausreichend informiert ist, also eine begründete Entscheidung treffen kann. Dass die eigenen Daten genutzt werden, um quasi in derart unschöne Werbekategorien gepackt zu werden, gehört wahrscheinlich nicht zu dem, was sich wenige Menschen vorstellen, wenn sie "okay" klicken. "Von informierten und vor allem selbstbestimmten Verbraucher:innen sind wir leider weit entfernt", sagt Tabea Rösner, Vorsitzende im Digitalausschuss des Deutschen Bundestages dazu in dem Artikel. Problematisch an dem Handel mit Daten ist auch, dass man einer späteren Verarbeitung dieser sowieso nicht zustimmen kann.

Zudem geht es bei den gefundenen Kategorien, die Xandr anbietet, auch um sensible Daten – etwa zu Gesundheit, Sexualität und politischen Interessen. Diese sieht die DSGVO als besonders schützenswert an. Mit ihnen zu handeln ist also auch noch fragwürdiger. Auch hierzu hat Netzpolitik den digitalpolitischen Sprecher der FDP im Bundestag, Maximilian Funke-Kaiser befragt: "Selbst wenn ein Internetnutzer beim Cookie-Banner auf 'akzeptieren' klicke, sei es unwahrscheinlich, dass er oder sie vollständig verstehe, wie umfassend die Profile sind, die die Werbeindustrie erstellt."

Die Hamburger Datenschutzbehörde untersucht unter anderem die Beteiligung einer Telekom-Tochter, in Baden-Württemberg sitzt eine ProSiebenSat1-Tochter.

Sensible Daten und Daten von Minderjährigen sind auch Bestandteil des Digital Service Act (DSA), der vorsieht, dass auf Basis dieser gar keine personalisierte Werbung mehr ausgespielt werden darf.

(emw)