Deutsche Wirtschaft schrumpft stärker als in der Finanzkrise

Die Folgen der Coronavirus-Pandemie für die Konjunktur sind heftig. Es könnte noch schlimmer kommen.

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Deutsche Wirtschaft schrumpft stärker als in der Finanzkrise

(Bild: Statistisches Bundesamt)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Friederike Marx
  • Jörn Bender
  • dpa
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Die Corona-Krise hat die deutsche Wirtschaft in eine Rezession gestürzt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte im ersten Vierteljahr gegenüber dem Vorquartal um 2,2 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Berlin mitteilte. Der Rückgang sei im Quartalsvergleich der mit Abstand stärkste seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 und der zweitstärkste seit der deutschen Wiedervereinigung. Volkswirte sind überzeugt, dass damit das Schlimmste noch nicht überstanden ist.

"Obwohl die Ausbreitung des Coronavirus die Wirtschaftsleistung im Januar und Februar nicht wesentlich beeinträchtigte, sind die Auswirkungen der Pandemie bereits für das erste Quartal 2020 gravierend", stellten die Wiesbadener Statistiker fest. Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Grenzen und Geschäfte brachten das Wirtschaftsleben ab Mitte März in großen Teilen zum Erliegen.

Die privaten Konsumausgaben und der Export brachen im ersten Vierteljahr ein. Unternehmen investierten deutlich weniger in Maschinen, Geräte, Fahrzeuge und andere Ausrüstungen. Gestiegene Bauinvestitionen und Konsumausgaben des Staates verhinderten den Angaben zufolge einen noch stärkeren Absturz.

Bereits im Schlussquartal 2019 war die Wirtschaftsleistung nach neuer Berechnung der Statistiker gegenüber dem Vorquartal um 0,1 Prozent zurückgegangen. Sinkt die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge, sprechen Ökonomen von einer "technischen Rezession".

Volkswirte rechnen damit, dass der Einbruch im gerade laufenden zweiten Quartal noch heftiger ausfallen wird. Im Vergleich zu anderen großen Volkswirtschaften in Europa sei Deutschland zwar bislang glimpflich davongekommen, bilanzierte der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel. Aber: "Die deutsche Volkswirtschaft hat ihr Armageddon erst noch vor sich. Im zweiten Quartal wird es das BIP umso härter treffen. In Anbetracht der Wirtschaftsdaten mag tatsächlich so etwas wie Endzeitstimmung aufkommen."

Der Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft, Stefan Kooths, sprach mit Blick auf das erste Vierteljahr von einem "milden Vorboten eines noch deutlich größeren Einbruchs im zweiten Quartal". Auch Ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser rechnet damit, dass ein Großteil der Auswirkungen erst im April zu Buche schlagen wird. "Der Rückgang der Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2020 zeigt bei Weitem noch nicht das wahre Ausmaß der Krise." Trotz der allmählichen Lockerung staatlicher Maßnahmen rechnen Volkswirte mit einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Vierteljahr um bis zu 14 Prozent.

Die Forderungen nach einem staatlichen Konjunkturprogramm werden lauter. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Nachfrage aus dem Ausland nicht so schnell zurückkommt. Umso wichtiger ist es, die Nachfrage im Inland zu stärken", mahnte der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Claus Michelsen. "Ein kräftiger Impuls durch ein Konjunkturprogramm wird notwendig sein, um noch größeren Schaden abzuwenden."