Evernote: Drastische Einschränkungen der kostenlosen Version

Evernote-Nutzer ohne Abo können nur noch maximal ein Notizbuch mit 50 Einträgen verwalten. Das dürfte Millionen Anwender unvorbereitet treffen.

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(Bild: Erzeugt mit Dall-E durch swi)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Stefan Wischner

Millionen von Evernote-Nutzern ohne bezahltes Abonnement flattert derzeit eine – milde ausgedrückt – überraschende Mail ins Postfach. Der Absender ist Bending Spoons, das auf Mobil-Apps spezialisierte italienische Unternehmen, das Anfang dieses Jahres das populäre Notizprogramm von der offenbar angeschlagenen US-Firma übernommen und alle dortigen Mitarbeiter entlassen hatte. Der Inhalt der Nachricht: Die kostenlose Evernote-Version ist ab dem 4. Dezember auf ein einziges Notizbuch mit maximal 50 Notizseiten beschränkt. Betroffen sind nicht etwa nur jene Anwender, die sich künftig einen neuen Account anlegen, sondern auch alle Bestandsnutzer ohne aktives Abonnement.

Im zugehörigen Blogpost versichert das Unternehmen, dass keine vorhandenen Daten gelöscht werden, auch wenn sie das Limit überschreiten. Alle schon gespeicherten Notizen ließen sich weiterhin ansehen, bearbeiten, teilen und exportieren. Lediglich neue Notizseiten kann man ohne Upgrade auf ein Abomodell nicht mehr hinzufügen. Weiter heißt es im Blogpost, man habe festgestellt, dass der Großteil der Gratisnutzer ohnehin nicht mehr Notizen gespeichert hat und demzufolge keine Einschränkungen bemerken wird.

Bereits seit einigen Wochen melden sich verwunderte Nutzer im Evernote-Forum, sie hätten im Programm einen Hinweis auf die 50-Notizen-Grenze erhalten und könnten keine neuen Einträge anlegen. Die dort vereinzelt ausgesprochene Vermutung, es könne sich um einen Testlauf handeln, der nur wenige, zufällig ausgewählte Nutzer treffe, erwies sich als völlig richtig – der komplett unangekündigte Test soll etwa ein Prozent der nicht zahlenden Nutzer betroffen haben.

Nun macht Bending Spoons ernst und macht aus dem Freemium-Modell, bei dem nach Ansicht des Unternehmens offenbar zu vielen Evernote-Nutzern die ursprünglichen Grenzen der kostenlosen Version ausreichte, einen Abodienst mit verkrüppelter Demo-Version.

Schon 2016 hatten die ursprünglichen Evernote-Besitzer die kostenlose Version dergestalt eingeschränkt, dass man sie nur noch auf zwei Geräten nutzen durfte. Hinzu kam später die Streichung einer günstigen Abo-Option, gefolgt von deftigen Preissteigerungen unter dem neuen Management in diesem Jahr.

Kommentar von c't-Redakteur Stefan Wischner:

Ganz offensichtlich will man die Gratis-Nutzer, die vermutlich die große Mehrheit der Evernote-User bilden, entweder zu einem Abo verleiten oder sie schlicht loswerden. Letzteres dürfte besser gelingen – zumindest bei denen, die nicht ihr halbes Leben in Evernote gespeichert haben und lieber zähneknirschend in die Tasche greifen, als sich eine mühsame Datenmigration und den Umstieg auf einen der in den vergangenen Jahren zahlreicher gewordenen Konkurrenten anzutun.

Natürlich hat ein Unternehmen das Recht, ein Geschäftsmodell festzulegen oder gegebenenfalls auch anzupassen, um profitabel zu bleiben oder zu werden. Evernote betreibt (korrekter seit dem Umzug zu Google: bezahlt) eine leistungsfähige Server-Infrastruktur, die vermutlich von viel zu vielen Gratis-Nutzern belastet wird. Aber die Art der Kommunikation ist schon fragwürdig. Eine längere Vorwarnzeit als vier Tage hätten die Nutzer durchaus erwarten dürfen, bevor sie quasi vor vollendete Tatsachen gestellt werden und ihren Workflow mal eben in die Tonne treten können.

Noch ein Zitat aus besagtem Blogpost: "For the free users...we recognize that these changes may lead you to reconsider your relationship with Evernote", übersetzt: "An die Gratis-Nutzer... es ist uns klar, dass diese Änderungen dazu führen könnten, dass Sie Ihre Beziehung zu Evernote überdenken werden". Wohl wahr.

(swi)