Ex-Bundesverfassungsrichter: Frequenzverlängerung ohne 1&1 ist rechtswidrig​

Die Bundesnetzagentur möchte Frequenznutzungsrechte der etablierten Mobilfunknetzbetreiber einfach fortschreiben. Das geht laut einem Gutachten für 1&1 nicht.​

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Ein Techniker in Schutzkleidung führt Arbeiten an der Spitze eines Antennenmastes mit Mobilfunkantennen aus.

(Bild: Kitawit Jitaton/Shutterstock.com)

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Das von der Bundesnetzagentur geplante Verfahren zur Bereitstellung der Mobilfunkfrequenzen aus den Bereichen um 800 MHz, 1,8 GHz und 2,6 GHz sorgt weiter für Wirbel. Bislang wurde Spektrum hierzulande an die Meistbietenden versteigert. Die Regulierungsbehörde möchte die im Jahr 2025 auslaufenden Frequenznutzungsrechte der drei etablierten Mobilfunknetzbetreiber Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica (o2) um voraussichtlich fünf bis acht weitere Jahre verlängern. Der Neueinsteiger 1&1 hält nun mit einem Gutachten dagegen, das er vom ehemaligen Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio erstellen ließ. Dieser sieht das Vorhaben der Bundesnetzagentur mittelfristig zum Scheitern verurteilt.

Eine Frequenzverlängerung "ohne gleichzeitige Bereitstellung von Nutzungsrechten" des betroffenen Spektrums an den Newcomer 1&1 erweist sich laut der Analyse nicht nur als Verstoß gegen Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG), sondern auch "unter mehreren Gesichtspunkten als verfassungswidrig". Der Staatsrechtler begründet dies damit, dass die Zuteilung von Frequenzen als knappes Gut sowie die Regulierung von Telekommunikationsnetzen verfassungsrechtlich an enge Vorgaben gebunden ist. Die strikte Gleichbehandlung aller Markteilnehmer ist in Grundgesetz, EU-Recht und TKG verankert. Sie verpflichte den Regulierer zu einem chancengerechten und wettbewerbsfördernden Vergabeverfahren, etwa über eine neue Auktion.

Aus der Versteigerung der ersten 5G Frequenzen an einen Neueinsteiger 2019 resultiere eine "zusätzliche Regulierungsverantwortung", führt Di Fabio aus. Schon damals sei klar gewesen, dass eine volle Nutzung nur durch eine spätere Chance auf Zuteilung komplementären Spektrums erfolgen könne, das für den wirtschaftlichen Betrieb des Netzes im Markt notwendig sei. Daher verstoße es auch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, wenn die Regulierungsbehörde bei der Zuteilung dieser frei werdenden Frequenzen dem Neueinsteiger keinen chancengerechten Zugang ermögliche. Lücken im Frequenzportfolio, die durch nationales Roaming geschlossen werden müssten, führten darüber hinaus zu wirtschaftlich nachteiligen Abhängigkeiten von 1&1.

Der Gutachter warnt auch vor einem "Ermessensausfall", wenn das Konnektivitätsinteresse des Herausforderers nicht berücksichtigt oder lediglich auf die Wirkung einer Marktzugangssperre abgestellt werde. Die Bundesnetzagentur überziehe ihre Spielräume, wenn sie in der Verlängerung einen nur geringfügigen Grundrechtseingriff sehe. Bei einer Periode von fünf oder mehr Jahren handle es sich nicht lediglich um eine "Übergangsentscheidung", da in diesem Zeitraum "kein weiterer Wettbewerb stattfinden kann und insbesondere für den Newcomer vollendete Tatsachen geschaffen werden". Die Ermessensausübung bei Frequenzknappheit nach Paragraf 91 TKG sei durch die hohe Grundrechtsrelevanz der Entscheidung sehr sensibel.

"Als vierter Netzbetreiber wollen wir den Wettbewerb beleben und Innovationen schaffen", verwies 1&1-Chef Ralph Dommermuth etwa auf den Open-RAN-Ansatz des Unternehmens. "Wir stehen Alternativen zur erprobten Versteigerung offen gegenüber, solange wir fair behandelt werden. Dass mit dem vorhandenen Funkspektrum auch in Deutschland wieder vier Netze parallel betrieben werden können, zeigen alle anderen großen europäischen Länder wie Großbritannien, Frankreich, Polen, Spanien und Italien." Forscher und Berater kamen zuvor im Auftrag der Bundesnetzagentur zum Schluss, dass für 1&1 keine speziellen Schutzmaßnahmen nötig sind. Die Monopolkommission plädiert dagegen dafür, die Lizenzen um maximal drei Jahre zu verlängern. Das Bundeskartellamt spricht sich ganz gegen das Vorhaben aus, die Nutzungsrechte fortzuschreiben.

(mki)