In Kanada: Meta blockiert ab sofort Links auf Nachrichten

Meta setzt die angekündigte Sperre von Nachrichten in Kanada um. Es möchte User nicht auf fremde Webseiten schicken und dafür noch eine Linksteuer zahlen.​

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Wandgemälde; Mann liest Zeitung mit Schlagzeile "Prosperity just around corner, says mayor"

"Door to Prosperity just around Corner", verspricht die auf dem Wandgemälde der Nanaimo Youth Services Association abgebildete Zeitungsschlagzeile.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 7 Min.
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Facebook und Instagram zeigen in Kanada keine Nachrichten mehr an. Der Konzern sperrt Hyperlinks zu Nachrichtenquellen im In- und Ausland. Grund ist eine neue Steuer auf die Förderung von Nachrichten und sogar auf die Förderung des Zugriffs auf Nachrichten. Die Steuer wird selbst dann fällig, wenn die verlinkten Nachrichten hinter einer Bezahlschranke stehen oder nur in einem Livestream zu sehen waren. Steuerpflichtig sind dabei nur Google und Meta, nicht etwa andere Suchmaschinen oder Soziale Netzwerke. Wie hoch die Steuer ausfällt, soll sich erst im Nachhinein herausstellen.

Da Google und Meta Zahlungspflichten in unbegrenzter Höhe drohen, haben beide angekündigt, in Kanada keine Links auf Nachrichten mehr anzuzeigen. Meta hat per 1. August mit der Umsetzung begonnen, wie der Datenkonzern bestätigt. Es dürfte einige Wochen dauern, bis die Sperre für alle Nutzer in Kanada greift. Google spricht bislang davon, nur Links auf kanadische Nachrichtenseiten zu vermeiden, und das erst, wenn das Gesetz gegen Jahresende durch Ausführungsverordnungen in Kraft tritt; Meta hingegen sperrt auch Links auf ausländische Quellen, und das schon jetzt. Sicher ist sicher, und einfacher umzusetzen ist das allemal.

Seine kanadischen User hat Meta bereits seit Wochen durch eingeblendete Hinweise informiert. Ob auch der neue Mikroblogging-Dienst Threads steuerpflichtig wäre, hat Meta noch nicht in Erfahrung bringen können. Doch möchte Instagram-Chef Adam Mosseri Threads Politik sowieso aus Threads heraushalten- da kommt eine Nachrichtensperre nicht ungelegen. Google hat seine kanadische Nachrichtensperre bereits an einem kleinen Prozentsatz der User getestet.

Tatsächlich drohen den beiden Firmen enorme Kosten: Das unabhängige Budgetbüro (PBO) des kanadischen Parlaments geht davon aus, dass Google und Meta unter dem Gesetz etwa 30 Prozent der gesamten landesweiten Kosten für die Erstellung aller Nachrichteninhalte in Kanada bestreiten müssten, sofern sie weiterhin auf kanadische Nachrichten verlinken. Das Gesetz verlangt dabei ausdrücklich Zahlungen auch für Werknutzungen, die unter kanadischem Urheberrecht legal und grundsätzlich kostenfrei sind.

Geschätzt mehr als 329 Millionen kanadische Dollar (aktuell 226 Millionen Euro) sollen Google und Meta jährlich nach Kanada, das 40 Millionen Einwohner hat, überweisen. Da das Gesetz keine Grenze zieht, könnte es noch teurer werden. Der Löwenanteil würde nicht an kleine, strauchelnde Verleger lokaler Zeitungen oder indigener Medien gehen, sondern an die großen Kabel- und Telecom-Konzerne wie Bell und Rogers sowie den öffentlichen Rundfunk CBC. Sie würden sich 248 Millionen Dollar aufteilen, die kanadischen Journalismusunternehmen 82 Millionen Dollar.

Google und Meta haben schon während des Gesetzgebungsprozesses darauf hingewiesen, dass sie sich die Linksteuer nicht leisten werden. Sie meinen, dass die Hyperlinks für die Nachrichtenwebseiten viel mehr wert seien, als für Google und Meta. Für diese wertvolle Unterstützung auch noch zur Kasse gebeten zu werden, sei absurd. Also würden Links blockiert und bestehende Unterstützungsprogramme nicht fortgeführt. Google will außerdem keine gebührenpflichtigen Inhalte mehr kaufen, um sie in seinem Google News Showcase für jedermann kostenlos bereitzustellen. Das Angebot steht daher in Kanada vor der Einstellung.

Das einschlägige Gesetz ist in Kanada als Link Tax bekannt und heißt offiziell Online News Act oder Bill C-18. Es war die längste Zeit ein Projekt des liberalen Kulturministers Pablo Rodriguez. Rodriguez betonte stets, an seinem Kurs der rechtlich unbegrenzten Linksteuer festhalten zu wollen.

Doch dann kündigte er am 10. Juli eine Kurswende durch Ausführungsverordnungen an: Die Steuer soll sich am Umsatz von Google und Meta orientieren, nicht mehr an den Links. Dabei sollen alle bestehenden Zuwendungen der beiden Konzerne an kanadische Rundfunk- und Nachrichtenunternehmen abgezogen werden. Auch Unterstützung, die nicht in Geld, sondern beispielsweise durch gebührenfreie Schulungsprogramme, Onlinedienste oder Software erfolgt, soll dabei berücksichtigt werden.

Das wäre eine fundamentale Abkehr von den Eckpunkten des Gesetzes. Im Gesetzgebungsprozess wurden genau solche Vorschläge mehrmals unterbreitet, von Rodriguez und seiner Partei aber stets vehement abgelehnt. Im Unterschied zum australischen Vorbild sieht das kanadische Gesetz keine direkten Verhandlungen zwischen den Datenkonzernen und den Rundfunk- und Nachrichtenunternehmen vor. Doch nun könnte Google doch steuerfrei ausgehen, wenn es Leistungen aufgrund von Vereinbarungen mit Rundfunkbetreibern und Nachrichtenverlangen abziehen darf.

Mit Meta ist eine Einigung allerdings unwahrscheinlich. Der Datenkonzern hat stets darauf verwiesen, dass die meisten User auf Facebook und Instagram eher keine Nachrichten sehen möchten. Und Meta will schon seit jeher die Aufmerksamkeit seiner User auf die eigenen Angebote binden; Hyperlinks auf fremde Webseiten sind grundsätzlich nicht im Interesse Metas. Wenn sie dann auch noch etwas kosten, kommen sie nicht mehr infrage.

Fallen die Ausführungsverordnungen so aus, wie Rodriguez es angekündigt hat, würde auch die im Gesetz vorgesehene Rolle der Regulierungsbehörde CRTC stark schrumpfen. Das würde auf allen Seiten für Erleichterung sorgen. Die Behörde ist in Kanada für langatmige Verfahren, unzuverlässige Aktenführung und versteckte Informationen bekannt. Nach Rodriguez' Plan müsste die CRTC nur noch die Abzüge Googles abnicken. Weitere Einnahmen brächte die Steuer dann wohl keine.

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Allerdings hat Premierminister Justin Trudeau seinen Kulturminister Rodriguez vergangene Woche ins Verkehrsministerium versetzt. Seine wichtigsten Mitarbeiter wird Rodriguez wahrscheinlich mitnehmen dürfen – und genau die waren es, die in den letzten Wochen die Verhandlungen mit Google geführt haben. Rodriguez' Nachfolgerin Pascale St-Onge hat angekündigt, bei der Linksteuer nicht nachgeben zu wollen. Was das bedeutet, muss sich erst zeigen.

Unterstützung für die Linksteuer erfährt die liberale Minderheitsregierung von ihrem Partner, der sozialdemokratischen NDP, sowie dem oppositionellen Bloc Québecois. Zum politischen Schautanz gehört, dass Bundesbehörden sowie der öffentliche Rundfunk CBC ihre Werbeschaltungen auf Facebook und Instagram eingestellt haben. Diesem Beispiel gefolgt sind die Provinzregierungen Britisch-Kolumbiens und Québecs. Außerdem haben Québecs Hauptstadt Québec City, die Handelskammer Montréals, und die drei größten Medienverlage der französischsprachigen Provinz einen Werbeboykott Metas beschlossen. Bezüglich Google sind keine vergleichbaren Maßnahmen bekannt.

Die Liberale Partei und ihre Partner der NDP predigen jedoch Wasser und trinken Wein: Sie zahlen weiterhin für Reklame bei Meta. Somit speist das Thema noch mehr Wasser auf die Mühlen der größten Oppositionspartei, der konservativen CPC. Sie stellt die Linktax als liberale Zensur dar und kann sich selbst als Verteidigerin der Pressefreiheit gerieren.

(ds)