Methan-Lecks in den USA sind schlimmer, als bislang angenommen

Methanemissionen sind einer der größten Treiber des Klimawandels. Mithilfe neue Technologien und Messungen spüren Forscher die größten Lecks langsam auf.

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Gaspipeline

(Bild: INSAGO / Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Casey Crownhart

Alarmierende Ergebnisse sind es, auf die Forscherinnen und Forscher jüngst aufmerksam machen: Die Methanemissionen in den US-amerikanischen Öl- und Gasförderregionen sind in vielen Gebieten deutlich höher als von der US-Regierung geschätzt. Anhand von Messungen aus Flugzeugen haben die Forschenden eine der bisher umfassendsten Untersuchungen hinsichlicht Methan vorgenommen. Die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie macht deutlich, dass dringend neue und bessere Methoden zur Erfassung des Treibhausgases benötigt werden.

Methanemissionen sind für fast ein Drittel der gesamten bisherigen Erwärmung des Planeten verantwortlich. Zwar entweicht Methan auch natürlich, etwa in Feuchtgebieten, doch menschliche Aktivitäten wie die Landwirtschaft und die Produktion fossiler Brennstoffe haben Millionen Tonnen zusätzliches Methan in die Atmosphäre entlassen. Die Methankonzentration hat sich in den vergangenen 200 Jahren mehr als verdoppelt.

Woher kommen die Emissionen genau? Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Dabei wäre das ein entscheidender erster Schritt zur Verringerung der Emissionen und zur Bewältigung des Klimawandels. Die US-Umweltschutzbehörde schätzt, dass etwa ein Prozent des geförderten Erdöls und Erdgases als Methanverschmutzung in die Atmosphäre entweicht. Zahlreiche Untersuchungen deuten aber daraufhin, dass der tatsächliche Anteil deutlich höher ist.

Mit Technologien wie dem kürzlich gestarteten MethaneSAT-Satelliten und neue Boden- und Lufterhebungen kommen Forscher den Methanlecks zunehmend auf die Schliche. Bei den in der neuen Studie untersuchten Standorten "scheinen die Methanemissionen im Durchschnitt höher zu sein als die Schätzungen der Regierung", sagt Evan Sherwin, Forscher am Lawrence Berkeley National Laboratory, der die Analyse als Postdoktorand an der Stanford University durchgeführt hat.

Die von Sherwin und seinem Team verwendeten Daten stammen aus einer der bisher größten Erhebungen von US-Produktionsstätten für fossile Brennstoffe. Ab 2018 kartierten Kairos Aerospace und das Carbon Mapper Project sechs große öl- und gasproduzierende Regionen, die zusammen etwa 50 Prozent der Onshore-Ölproduktion und etwa 30 Prozent der Gasproduktion in den USA ausmachen. Flugzeuge, die über die Regionen flogen, führten fast eine Million Messungen von Bohrlöchern mithilfe von Spektrometern durch, die Methan mit Hilfe bestimmter Lichtwellenlängen erkennen können.

Hier wird es kompliziert. Methanquellen bei der Öl- und Gasförderung gibt es in allen Formen und Größen. Aus einigen kleinen Bohrlöchern entweicht das Gas langsam über einen langen Zeitraum mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Kilogramm Methan pro Stunde. Andere Quellen sind wesentlich größer und stoßen Hunderte oder sogar Tausende von Kilogramm pro Stunde aus, zumeist aber nur für eine kurze Zeit.

Die Flugzeuge, die bei diesen Erhebungen eingesetzt werden, entdecken meist die größten Lecks, die über 100 Kilogramm pro Stunde ausstoßen. Durch die Kombination von Messungen dieser großen Leckstellen mit Modellierungen zur Abschätzung kleinerer Quellen schätzten die Forscher, dass die größeren Lecks für einen übergroßen Teil der Emissionen verantwortlich sind. In vielen Fällen können etwa ein Prozent der Bohrlöcher für mehr als die Hälfte der gesamten Methanemissionen verantwortlich sein, sagt Sherwin.

Einige Wissenschaftler weisen jedoch darauf hin, dass diese und andere Studien durch die verfügbaren Messinstrumente noch immer begrenzt sind. Da die Forscher große Methanlecks aus der Luft gemessen und kleinere Quellen modelliert haben, ist es möglich, dass die Studie die Bedeutung der größeren Lecks überschätzt, sagt Ritesh Gautam, leitender Wissenschaftler beim Environmental Defense Fund, der an der Entwicklung des MethaneSAT beteiligt ist. Er verweist auf mehrere andere aktuelle Studien, die zeigen, dass die kleineren Bohrungen einen größeren Anteil an den Methanemissionen haben.

Das Problem sei, dass es im Grunde unmöglich ist, all diese verschiedenen Methanquellen mit nur einem Instrument zu messen. Man bräuchte alle verfügbaren Messtechnologien, um ein klareres Bild zu erhalten, sagt Gautam. Dazu gehören an Türmen angebrachte bodengestützte Geräte, die ein Gebiet ständig überwachen und kleine Emissionsquellen aufspüren können. Zusätzlich müssten Flugzeugen größeres Gebiete per Luftüberwachung abdecken.

Und dann sind da noch Satelliten wie MethaneSAT, der sich in die wachsende Konstellation der Methanerkennungssatelliten einreiht, die die Erde umkreisen. Einige der vorhandenen Satelliten erfassen riesige Gebiete mit einer Detailgenauigkeit von nur wenigen Kilometern. Andere haben eine viel höhere Auflösung und sind in der Lage, Methanemissionen bis auf wenige Dutzend Meter genau zu erfassen. Solche Satelliten seien künftig wichtig, wenn es darum geht, mehr über Methanemissionen in Ländern herauszufinden, die nicht so genau gemessen und kartiert wurden wie die USA, sagt Gautam.

Methanemissionen zu finden und zu verstehen, ist eine Sache. Sie tatsächlich zu bekämpfen eine andere. Nach der Identifizierung eines Lecks müssen die Unternehmen Maßnahmen ergreifen. Sie können defekte Pipelines reparieren oder Entlüftungsöffnungen und Methan-Fackeln, die routinemäßig Methan in die Atmosphäre abgeben, schließen. Etwa 40 Prozent der Methanemissionen aus der Öl- und Gasförderung verursachen keine Nettokosten, da das Geld, das durch die Vermeidung von Methanverlusten eingespart wird, nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur die Kosten für die Vermeidung von Methanverlusten mehr als ausgleicht.

Mehr als 100 Länder haben sich 2021 dem Global Methane Pledge angeschlossen und sich zum Ziel gesetzt, die Methanemissionen bis zum Ende des Jahrzehnts um 30 Prozent gegenüber dem Stand von 2020 zu senken. Die von der Regierung von US-Präsident Joe Biden angekündigten neuen Vorschriften für Öl- und Gasproduzenten könnten den USA helfen, diese Ziele zu erreichen. Anfang dieses Jahres veröffentlichte die EPA Einzelheiten zu einer vorgeschlagenen Methanabgabe für Unternehmen, die fossile Brennstoffe fördern, die auf der Grundlage des in die Atmosphäre abgegebenen Methanüberschusses berechnet werden soll.

(jle)