IFA

Nachhaltigkeit bei Elektronik: “Reparatur ist einfach”

Alle reden über Recycling, aber Reparatur wäre besser. Dem Thema Nachhaltigkeit will sich auch die IFA stellen – für eine Konsumgütermesse ist das ein Spagat.​

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 71 Kommentare lesen
Zwei mit Einweghandschuhen überogene Hände arbeiten an der Reparatur eines Handys

(Bild: PK Studio/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.

Beim Handy macht der Akku schlapp? Einfach einen neuen kaufen und tauschen! Es ist noch gar nicht so lange her, dass man bei einem Smartphone zumindest solche einfachen Reparaturen selbst erledigen konnte. Heutzutage sind die Geräte komplizierter konstruiert und so einen Akkutausch muss man sich schon zutrauen – wenn man überhaupt ein Ersatzteil bekommt.

Inzwischen steigt der politische Druck auf die Hersteller, ihre Produkte reparaturfreundlicher zu gestalten und für leichteren Zugang zu Ersatzteilen zu sorgen. Betroffen sind alle Geräteklassen vom Smartphone übers Notebook bis zur Waschmaschine. Das ist das klassische Territorium der IFA, auf der sich die Elektronik- und Hausgerätebranche in knapp zwei Monaten wieder in Berlin zusammenfinden wird.

Gfu-Chefin Sara Warneke in Berlin.

(Bild: heise online)

Die IFA will sich der Diskussion um Nachhaltigkeit, Reparatur und Recycling stellen. "Wir wollen den Dialog und Austausch fördern", sagt Sara Warneke, Geschäftsführerin des Branchenverbands Gfu, der die IFA veranstaltet. Am Mittwoch und Donnerstag gibt die Gfu in Berlin einen Ausblick auf die Trends und Themen der Elektronik-Messe, die unter neuem Management am 1. September beginnt.

Die Vision: Die Transformation der Wegwerfgesellschaft in eine echte Kreislaufwirtschaft. Dafür müssten Produkte von Grund auf neu entworfen werden, meint Monika Griefhahn vom Institut Medien, Umwelt, Kultur (IMUK). Das fange schon bei der Wahl der Materialien an. "Es ist ein Problem, dass wir zwar viel über Klima und Energie sprechen, aber kaum über Materialien", sagt die Sozialdemokratin und ehemalige Umweltministerin Niedersachsens.

Immerhin werden die Materialien, die in heutigen Elektronikgeräten verwendet werden, inzwischen zu einem guten Teil recycelt – auch wenn da noch Luft nach oben ist. Über 40 Prozent der in Europa verkauften Smartphones werden nicht wieder dem Wertstoffkreislauf zugeführt, sagt Warneke. In deutschen Kellern und Schubladen schlummern wertvolle Rohstoffe: In Deutschland schätzt die Gfu den Goldanteil in diesen Altgeräten auf insgesamt zwölf Tonnen.

Doch bevor ein defektes Gerät ausgeschlachtet und in teilweise wiederverwertet wird, lohnt sich vielleicht eine Reparatur. "Recycling ist schwierig und verbraucht viel Energie", sagt Steffen Vangerow vom Runden Tisch Reparatur. "Verglichen damit ist die Reparatur einfach." Doch trotz des wachsenden politischen Willens, mehr Elektronik zu reparieren, gibt es zahlreiche Hürden – darunter besonders hohe, die bestimmte Hersteller selbst errichten.

Das Hauptproblem für Reparaturbetriebe und Refurbished-Händler ist der Zugang zu Ersatzteilen. Es gibt Hersteller, die keine Originalteile herausrücken und den Einbau identischer Teile von chinesischen Zulieferern unterbinden. Ein Name fällt dabei immer wieder: Apple. Zwar bekomme er ein Originaldisplay von Apple, erzählt Vangerow, der in Reutlingen einen Reparaturbetrieb mit 35 Mitarbeitern leitet. Der Preis dafür liege aber über den Kosten für einen Displaytausch bei Apple selbst: "Wir setzen uns für ein Recht auf Reparatur unabhängig vom Hersteller ein."

Ohnehin macht es Apple nicht gerade einfach, ein Produkt zu reparieren und Teile auszutauschen. "Wenn du heute ein iPhone kaufst, ist auf jedem Bauteil ein Chip", erklärt Tim Seewöster vom Refurbished-Händler As Good As New. Diese Chips dienen offiziell der Systemintegrität, können das Gerät bei einer "unautorisierten" Reparatur aber auch unbrauchbar machen. Und auch die Reparaturkoffer, die bastelfreudige iPhone-Besitzer mieten können, sind eine eher hohe Hürde.

Nicht zuletzt ist der Preis entscheidend. Den meisten Menschen ist der Preis für eine Reparatur zu hoch, weiß Claudia Kreft von der Verbraucherzentrale Thüringen. In dem Bundesland läuft derzeit die dritte Runde eines bisher erfolgreichen Experiments: Verbraucher können einen Reparaturbonus beantragen, wenn sie ein Gerät instandsetzen lassen wollen. Mit bis zu 100 Euro bezuschusst das vom Land finanzierte Projekt die Reparatur eines Haushalts- oder Elektronikgeräts. "Das ist ein Riesenerfolg, wir haben die Anträge waschkörbeweise reinbekommen", erzählt Kreft.

Rund ein Drittel der geförderten Reparaturen war ein Smartphone, danach folgen Waschmaschinen und Geschirrspüler. Gefördert wurden insgesamt über 17.000 Reparaturen, die im Schnitt 180 Euro gekostet haben. Nach Thüringen folgt Sachsen mit einem Reparaturbonus, nach einem Pilotprojekt hat der Landtag im Dezember 2022 insgesamt 2,5 Millionen Euro für zwei Jahre bereitgestellt. Kreft fordert: "Jetzt wollen wir den Reparaturbonus bundesweit.”" Die Verbraucherschutzminister der Länder hat Kreft schon auf ihrer Seite, der Druck auf die Bundesregierung steigt.

Beim österreichischen Klimabonus schießt das dortige Klimaschutzministerium 50 Prozent (maximal 200 Euro) zu. Aufgrund von Betrugsfällen gibt es allerdings eine Sommerpause, neue Anträge sind ab 23. September möglich. (vbr)