Neuer Festkörper-Akku: schnelles Laden, langes Leben

Eine Lithium-Metall-Festkörperbatterie der Harvard University übertrumpft klassische Lithium-Ionen-Batterien in mehreren Kenndaten – zumindest im Labor.

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(Bild: Jirsak/Shutterstock.com)

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Was die Zutaten einer neuartigen Lithiumbatterie mit Schokopralinen gemeinsam haben, war kürzlich im Fachblatt "Nature Materials" zu lesen. Ein Team der Harvard University hat den Minuspol einer Lithium-Metall-Festkörperbatterie mit mikrometerkleinen Siliziumteilchen bestückt, um die sich beim Laden eine Metallschicht bildet. "Das Lithiummetall legt sich um die Siliziumpartikel an der Anode wie eine harte Schokoladenhülle um eine Haselnuss in einer Praline", sagt Xin Li, Hauptautor der Studie. Der Prototyp vom Format einer Briefmarke liefert rekordverdächtige Werte in Sachen Ladetempo und Langlebigkeit – und das von Batterieentwicklern gefürchtete Dendritenwachstum des Lithiummetalls in die Batteriezelle hinein bleibt schlicht aus.

Damit wäre ein Grundproblem von Lithium-Metall-Akkus gelöst, auf denen große Hoffnungen ruhen. "Lithium-Metall-Batterien gelten als der heilige Gral der Batterien, da sie die zehnfache Kapazität von handelsüblichen Graphitanoden haben und die Reichweite von Elektrofahrzeugen drastisch erhöhen könnten", so Li. Für die Gesamtzelle erwarten Fachleute Kapazitätssteigerungen zwischen 30 bis 40 Prozent gegenüber gängigen Lithium-Ionen-Batterien. Ein weiterer Vorteil der Festkörperzellen: Sie können ohne die problematischen Fluorchemikalien PFAS und ohne ethisch fragwürdige Metalle wie Kobalt hergestellt werden.

Allerdings bildet sich das Lithiummetall in gängigen Konzepten dieses Batterietyps nicht nur direkt am Minuspol, sondern wuchert astartig in die Batteriezelle hinein. Diese sogenannten Dendriten verschwinden beim Entladen oft nicht vollständig. Sie verlangsamen weitere Ladeprozesse, senken die Kapazität des Akkus und sind – wenn sie bis zum Gegenpol durchdringen und dort für einen Kurzschluss sorgen – sogar brandgefährlich. Das Sicherheitsrisiko behindert bisher den Marktzutritt dieser Akkus.

Dendriten können sich auch in klassischen Lithium-Ionen-Batterien bilden, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß. Das Risiko wird üblicherweise durch ausgetüftelte und eher langsame Ladeprozesse minimiert. Daher wundert es im Grunde nicht, dass die Lithium-Metall-Zelle aus Harvard in dieser Kategorie punkten kann und sich in nur wenigen Minuten aufladen lässt, wie die Forschenden berichten. Zudem hat die Zelle laut Studie 6000 Ladezyklen überstanden ohne größere Kapazitätsverluste unter 80 Prozent.

"Das ist schon eine beachtliche Zahl", sagt Maximilian Fichtner vom Helmholtz Institut Ulm. Gängige Lithium-Ionen-Akkus überstehen nur etwa 3000 Zyklen. Die Idee, das übliche Elektrodenmaterial Graphit zumindest teilweise durch Silizium zu ersetzen, sei allerdings nicht neu. "Das wird auch in klassischen Lithium-Ionen-Batterien mit flüssigem Elektrolyten untersucht und auch schon von ersten Firmen so eingesetzt. Und damit erreichen sie ebenfalls 30 bis 40 Prozent höhere Kapazitäten", sagt Fichtner. Ob die Lithiumzelle aus Harvard den Sprung in den Markt schaffe, müsse sich hingegen erst noch zeigen. "Von einer kleinen Laborzelle zu einer kommerziellen Zelle im Din A4 Format ist es ein langer Weg, auf dem schon viele gescheitert sind", so der Wissenschaftler.

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Das Team aus Harvard gibt sich optimistisch. Vor drei Jahren präsentierte es im Fachblatt "Nature" bereits eine Kombination fester Elektrolyten, die das Dendritenwachstum mindern konnte. Mit dem neuen Zelltyp sei man der Kommerzialisierung von Lithium-Metall-Akkus nun noch einen Schritt nähergekommen, sagt Li. Positiv bewertet er zudem, dass sich der Minuspol mit den Mikropartikeln beim Laden durch die Metallbildung nur recht wenig ausdehnt. Eine entsprechend bestückte Festkörperzelle könne also schon durch relativ niedrige Drücke mechanisch zusammengehalten werden, heißt es in der Studie.

Als Nächstes plantl Li, den neuen Batterietyp mit seinem Start-up Adden Energy hochzuskalieren. Das Ziel seien Kapazitäten im Amperestundenbereich, berichtet er. Außerdem will er mit seiner Forschungsgruppe an der Harvard University Partikel aus anderen Materialien für den Minuspol testen, die womöglich noch besser funktionieren. Ein entsprechendes Anforderungsprofil hat das Team bereits entwickelt und mithilfe von Simulationen und einer computerunterstützten Datenrecherche auch schon weitere vielversprechende Kandidaten gefunden.

(anh)