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Nutzfahrzeuge: Aufgehellte Stimmung auf der IAA Transportation 2022

Trotz der großen Herausforderungen der gesamten Branche und gegen den Trend herrscht auf der IAA Transportation gute Laune, Aufbruchsstimmung liegt in der Luft.

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Die IAA Transportation 2022 startet am 20. September auf dem Messegelände in Hannover.

(Bild: Photovision-DH GmbH)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Stefan Grundhoff
Inhaltsverzeichnis

Die Stimmung in der Autoindustrie ist gemischt. Während die Pkw-Hersteller die schlechtesten Verkaufszahlen seit 30 Jahren verzeichnen, herrscht bei den Nutzfahrzeugherstellern Hochstimmung. Nirgends wird das deutlicher als auf der Nutzfahrzeug-IAA in Hannover.

Die Nutzfahrzeug-IAA 2022, im Namen erstmals in "IAA Transportation" internationalisiert, wirkt im Vergleich zur Pkw-IAA wie eine Messe wie aus einer vergangenen Zeit. Grund ist das Publikum, das auf der Transport-Messe fast durchweg aus kühl rechnenden Fachleuten besteht, während die Pkw-Messe in ihrer Stimmung traditionell stark von Unterhaltung und emotionaler Beeindruckung der zahlreichen Auto-Konsumenten beeinflusst ist.

Pressekonferenz auf dem Stand von Volkswagen

(Bild: pressinform)

Über 1400 Aussteller aus 42 Ländern zeigen auf dem Messegelände in Hannover ohne große Bühnenshows ihre großen und kleinen Neuheiten. Die Stimmung selbst ist trotz der angespannten Wirtschaftslage dabei alles andere als schlecht. Viele Firmen freuen sich über volle Auftragsbücher und vertretbare Wartezeiten.

Keine Frage, es sieht besser aus als vielen Pkw-Herstellern. Dabei sind die Herausforderungen für Pkw- und Nutzfahrzeugbereich durch den Klimaschutz nahezu identisch, dazu kommt als wachsender Faktor die digitale Vernetzung, die immer ausgefeiltere Logistikkonzepte und neue Formen des Instandhaltungsmanagements ermöglicht.

Noch dominiert der Verbrennungsmotor nach dem heute 129 Jahre alten Patent von Rudolf Diesel den Transportsektor, doch sollen Elektroantriebe schon 2030 die neue Normalität sein.

(Bild: pressinform)

MAN enthüllt auf der IAA Transportation die seriennahe Studie eines Elektrotrucks, der 2024 mit einer Reichweite von 600 bis 800 Kilometern verkauft werden soll. Ganz ähnlich der Wettbewerber Daimler Trucks. Die Schwaben treiben die Transformation zum vollelektrischen Nutzfahrzeuganbieter bei allen Verbesserungen im Bereich der Dieselantriebe ebenfalls voran. Das Flaggschiff wird ab 2024 der eActros Long Haul mit 600-kWh-Akku und einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern sein.

Den Mercedes-Benz eActros LongHaul will Daimler Trucks 2024 auf den Markt bringen.

(Bild: Daimler Trucks)

Mit bis zu 490 kW und 300 Kilometern elektrischer Reichweite ist der Volvo FMX Electric unterwegs. Das Batteriepaket mit 540 kWh treibt auch die Elektromotoren des Palfinger-Ladekrans auf dem IAA-Exponat an.

Volvo FMX Electric: bis zu 490 kW und 300 Kilometer Reichweite dank 540 kWh. Auf der IAA mit elektrifiziertem Palfinger-Kran.

(Bild: pressinform)

Nikola und Iveco setzen gemeinsam auf Elektroantrieb und Brennstoffzelle. Die batterieelektrische Artic Version des Nikola Tre ist ein Schwerlast-Lkw mit einer Reichweite von 530 Kilometern, der mit seinem Leistungsspektrum viele Einsatzzwecke abdeckt. Der brennstoffzellenelektrische Nikola Tre FCEV gibt als seriennaher Prototyp einen Ausblick auf einen Sattelschlepper für Langstreckentransporte, der in der zweiten Jahreshälfte 2023 in Nordamerika und in der ersten Jahreshälfte 2024 in Europa kommen soll.

"Die emissionsfreien Nikola Tre Lkw – sowohl die batterieelektrische wie auch die brennstoffzellenelektrischen Version – sind echte Game-Changer im gewerblichen Lkw-Transport", sagt Nikola-Chef Michael Lohscheller, "als elektrische Fahrzeuge konzipiert, sind sie in puncto Leistung und Fahrerlebnis selbst bei den härtesten und schwersten Einsätzen ihren Diesel-Konkurrenten ebenbürtig."

Nikola und Iveco zeigen den batterieelektrischen Nikola Tre Artic mit einer Reichweite von 530 Kilometern, auf dem Bild ist die brennstoffzellenelektrische Variante zu sehen, vorgestellt von Nikola-Chef Michael Lohscheller. Er sagte der dpa: "Wir sehen gute Chancen mit unseren Batterie- und Wasserstoff-Lkw. Denn die etablierten Hersteller beschäftigen sich ja noch viel mit Technologie der letzten Dekade."

(Bild: Nikola )

Zwar hat sich die Branche aufgrund der unübersichtlichen Zukunft noch nicht vollends entschieden, ob neben der Batterie auch die Brennstoffzelle gerade bei großen Langstreckenlastwagen eine reale Chance wäre, Kosten und Nutzen unter einen Hut zu bringen. "Im Zeichen des Klimaschutzes wird sich der Güterverkehr vielfältiger bewegen als bisher. Durch alternative Antriebe erwarten wir im Laufe der Dekade einen Wachstumsschub für unser Geschäft", so Bosch-Geschäftsführer Markus Heyn. Er wünscht sich eine breitere Aufstellung bei der E-Mobilität. Als "Alternative zum Batterieantrieb" nennt er die Brennstoffzelle. Bosch entwickelt beides, arbeitet aber parallel auch an der Umrüstung von Dieselmotoren auf Wasserstoff. Dazu hat Bosch erst im Juni 2022 eine Allianz mit dem US-Dieselmotorenhersteller Cummins geschlossen.

Manche machen einfach wieder weiter, wo sie bereits einmal waren. Der Paketdienstleister UPS lässt wie schon vor 100 Jahren Elektrolieferwagen für die Innenstädte bauen. Farbe und Form der Autos haben sich seither nicht geändert, nur auf den in den 1930ern eingesetzten Radnabenantrieb verzichtet man heute.

(Bild: pressinform)

Das tun auch andere große Lkw-Hersteller und Zulieferer. Der kanadische Spezialist für Einspritztechnik Westport beispielsweise erwartet, dass schwere Nutzfahrzeug-Dieselmotoren mit seinem Kraftstoffsystem im H2-Betrieb Leistung und Wirkungsgrad von Brennstoffzellen "erreichen oder übertreffen". Das ist eine Momentaufnahme, denn auch die Brennstoffzelle macht Fortschritte. Für eine Übergangsphase jedoch werden beide Möglichkeiten der Wasserstoffmobilität miteinander konkurrieren.

MAN schätzt, dass Brennstoffzellen-Lkw erst Anfang oder Mitte der 2030er-Jahre in großen Stückzahlen rentabel eingesetzt werden könnten. Bis dahin könnte die Brennstoffzelle im Vorteil sein, dennoch entwickelt man auch bei MAN Verbrennungsmotoren, die nach Rudolf Diesels ehrwürdigem Prinzip mit Wasserstoff laufen. Man will offenbar auf jede Eventualität eingerichtet sein – sogar auf die heute ganz unwahrscheinliche Möglichkeit einer wirtschaftlichen H2-Produktion.

MAN-Chef Alexander Vlaskamp sagte: "Grüner Wasserstoff ist knapp, aus diesem Grund konzentrieren wir uns jetzt erst einmal auf batterieelektrische Lastwagen."

(Bild: pressinform)

Lieferdienste, Transportunternehmen, Baufirmen oder Kommunen – bei allen geht es um Sonderwünsche, die Preise und Unterhalt nicht aus dem Ruder laufen lassen dürfen. Das macht es den großen Herstellern von Lastwagen aktuell noch schwer, komplett auf Elektroantriebe oder die Brennstoffzelle umzuschwenken. Nach wie vor hakt es an der Infrastruktur, denn lange Ladezeiten sind allenfalls für Stadtbusse oder Lieferdienste denkbar, die nachts im Depot erstarken können. Da haben es die Brennstoffzellenfahrzeuge von Herstellern wie Renault, Volvo, Hyundai oder Daimler einfacher, denn in wenigen Minuten ist der Lastwagen aufgetankt und kann seine Arbeit fortführen.

Brennstoffzellenelektrischer Lkw Hyundai Xcient

(Bild: Hyundai)

Auch wenn viele Marken noch Dieselaggregate der neuesten Generation vorstellen, die immer strenger werdende Grenzwerte einhalten, scheint der Technologiewechsel zur E-Mobilität bereits endgültig. Das gilt nicht nur bei Volkswagen, die sich darüber freuen, dass die Jahresproduktion von 15.000 VW ID.Buzz Cargo (Test) trotz stattlicher Preise bereits nahezu ausverkauft ist. Auch Marken wie Volvo, Daimler Trucks oder Ford, die mit Ranger und dem neuen Transit (Test) gleich zwei große Hoffnungsträger vorstellen, blicken selbstbewusst in die nahe Zukunft.

Der Elektro-Transporter VW Buzz ist schon ein Verkaufsschlager.

(Bild: pressinform)

Der Ford Transit ist neu entwickelt und in verschiedenen Diesel- und Plug-in-Varianten zu bekommen – die größten Hoffnungen setzten die Kölner in ihren Lastesel aus der Türkei jedoch mit Elektroantrieb. Marktstart: Mitte 2023. Derweil sollen die beiden technisch baugleichen Pick-Up-Modelle Ford Ranger und VW Amarok die Stückzahlen rauf- und dank enger Kooperation die Kosten runterbringen.

Ford Ranger von VW Amarok sollen mit der gleichen technischen Basis die Produktionskosten senken.

(Bild: pressinform)

Die Kombination aus Transporter und Pick-Up bietet auch die SAIC-Marke Maxus. Neben dem Doppelpack aus Van Mifa 9 und dem Pick-Up T90 EV zeigen die Chinesen erstmals in Europa auch die Europapremiere des elektrischen Light-Trucks der 7,5-Tonnen-Klasse – 128 kW stark und mit einer Reichweite von 210 Kilometern.

Maxus Mifa 9 aus China

(Bild: Maxus)

Renault enthüllt auf der IAA Transportion neben dem elektrischen Transporter Trafic E-Tech mit 90 kW und 240 km Reichweite auch einen wasserstoffgetriebenen Van, während die Studie des Hippie Caviar Motels auf Kangoo-Basis für gute Laune bei Nachwuchscampern sorgen soll.

Renault Kangoo als Elektroauto

(Bild: Renault)

(fpi)