Österreich: Handydurchsuchung ohne Gerichtsbeschluss ist verfassungswidrig

Seite 2: Richter alleine reicht nicht

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Offen bleibt, warum angesichts der einhelligen Meinung der Parlamentsparteien die Rechtslage so ist, wie sie ist, und warum die Regierung im VfGH-Verfahren sowohl die Zulässigkeit der Beschwerde als auch deren Berechtigung bekämpft hat. Der bekannte Verfassungsjurist Heinz Mayer hat der Tageszeitung Der Standard seine Theorie verraten: "Das Problem besteht schon lange, im Grunde seit es Handys gibt. Es hat nur niemanden gekratzt, bis die Auswertung von Handys ein politisches Thema wurde durch die Untersuchungen gegen die ÖVP."

Mit einem Halbsatz wie "wenn ein Richter das genehmigt" kann sich der Gesetzgeber nicht aus der Affäre ziehen. Das halten die Verfassungsrichter in ihrem Erkenntnis ausdrücklich fest. Erforderlich sind genauere Vorgaben, insbesondere zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Parameter sind einerseits die Straftat: Wie schwer ist sie, welches Rechtsgut stützt der Straftatbestand, oder ist der Einsatz des Datenträgers gerade typisch für die Straftat (Computerstrafrecht), oder erlauben überhaupt nur bestimmte Straftaten die Sicherstellung von Datenträger.

Außerdem kommt es auf den Umfang der Auswertung an: Nur lokal gespeicherte Daten oder auch Zugriff auf externe Speicher, wird die Auswertung für alle Daten gestattet oder auf das erforderliche Ausmaß beschränkt, und welche Vorkehrungen gibt es, damit die Arbeit der Ermittler nachvollzogen und überprüft werden kann. In der VfGH-Verhandlung hat sich ergeben, dass Ermittler bei ihren Zugriffen auch Daten verändern, nachher aber nicht sagen können, was vorher dort gespeichert war.

Gleichzeitig fordert der VfGH Schutz für Betroffene, nachdem ein Richter die Sicherstellung genehmigt hat. Einerseits müssen sie jene Informationen erhalten, die notwendig sind, damit sie ihre Rechte wahren können. Andererseits soll es unabhängige Aufsicht geben, die prüft, ob sich die Ermittler an die Vorgaben des zukünftigen Gesetzes und der richterlichen Beschlüsse halten.

Die Ermittlungen gegen den Kärntner, dessen Smartphone verfassungswidrig sichergestellt wurde, sind laut österreichischen Medienberichten bereits eingestellt worden. Sein Verfahren hat noch ein weiteres Rechtsschutzdefizit offengelegt: Nachdem das Landesgericht Klagenfurt seine Beschwerde gegen die Beschlagnahme abgewiesen hatte, legte er Rechtsmittel beim Oberlandesgericht Graz ein und wandte sich gleichzeitig an den Verfassungsgerichtshof, worüber er auch das Oberlandesgericht informierte.

Für solche Fälle sieht Paragraph 62a Absatz 6 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 vor, dass das Gericht nicht entscheiden darf, bevor das VfGH-Verfahren abgeschlossen ist. Das Oberlandesgericht hat aber nicht zugewartet, den Hinweis des Kärntners ignoriert und gegen ihn entschieden. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hält das für zulässig: Das Gericht habe erst dann Pause zu machen, wenn es vom VfGH über das anhängige Verfahren verständigt worden sei. Die Information durch den Beschwerdeführer selbst sei wirkungslos. Das führt zu einem Wettrennen mit der Post.

Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht schnell entschieden, die Post vom VfGH traf erst 15 Tage danach ein. Der VfGH führt zu dieser Lücke im Rechtsschutz nichts aus. heise online hat die zuständigen Ministerinnen Edtstadler (Verfassung) und Zadić (Justiz) Dienstagabend gefragt, ob und wie sie diese Lücke schließen möchten.

(ds)