IAA

Renault Scenic E-Tech Electric:​ Alter Name, neuer Erfolg?

Renault beerdigt den Van Scenic, nutzt den Namen aber weiterhin. Das E-SUV bringt wichtige Zutaten für einen Erfolg mit. Billig wird der Spaß aber nicht.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 50 Kommentare lesen
Renault Scenic E-Tech Electric

(Bild: Renault)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Als der Scenic Mitte der 1990er-Jahre auf den Markt kam, wurde er rasch zu einem Publikumsmagneten. Format und Preis-Leistungs-Verhältnis zielten exakt auf die Bedürfnisse einer großen Käuferschicht. Mit dem Wandel vom Van zum SUV geht Renault wieder mit der Zeit, auch wenn pragmatischen Käufern das nicht recht sein wird. Bei Renault verweist man allerdings darauf, dass jene, die den Wechsel nun lautstark bedauern, in den vergangenen Jahren den bisherigen Scenic kaum noch gekauft haben. Der Nachfolger bringt dagegen vieles mit, was ihm wieder einen Erfolg bescheren könnte.

Renault hat sich entschlossen, beim Scenic keine Kompromisse zu machen. Es wird ihn ausschließlich mit zwei batterieelektrischen Antrieben geben. Die sind so dimensioniert, dass sie dem entsprechen, was die Kundschaft in diesem Segment meist sucht. Schon das Basismodell ist mit den Eckdaten 125 kW Motorleistung, 60 kWh Energiegehalt in der Batterie und 130 kW Ladeleistung ordentlich aufgestellt. Die Spitzenversion legt überall noch ein wenig nach. Der E-Motor leistet hier 160 kW, die Batterie hat 87 kWh und die maximale Ladeleistung liegt bei 150 kW. Wir haben Ihnen die bislang bekannten technischen Daten auf der folgenden Seite in einer Tabelle zusammengestellt.

Renault Scenic E-Tech Electric außen (6 Bilder)

Nur der Name ist geblieben: Nach mehr als einem Vierteljahrhundert als Van versucht Renault es nun mit einem Scenic-SUV.
(Bild: Renault)

Die Elektromotoren kommen ohne seltene Erden aus. Bei der Zellchemie der Batterie, die Renault von LG bezieht, handelt es sich um eine Mischung aus Nickel, Mangan und Kobalt, vermutlich im Verhältnis 8:1:1. Gegenüber der Batterie im Renault Megane E-Tech Electric soll die Energiedichte um sechs Prozent gestiegen sein. Verbrauchswerte gibt es noch nicht, aber Angaben zur Reichweite. 420 bis 620 km werden unter den Bedingungen des WLTP genannt. Zur Orientierung: Ein ähnlich großer VW ID.4 schafft mit einer netto 77 kWh großen Batterie im Zyklus bis zu 531 km.

Renault schreibt, je nach Land sei 11-kW-AC-Laden serienmäßig oder optional eine beschleunigte Ladung mit 22-kW. Da der kleinere Megane hierzulande ohne Aufpreis das Laden mit 22 kW an Wechselstrom mitbringt, gehen wir davon aus, dass dies auch im Scenic so sein wird. Die Zahl der Elektroautos, die die vergleichsweise weit verbreitete AC-Ladeinfrastruktur komplett ausschöpfen können, wächst derzeit. Für viele Fahrprofile dürfte sie wichtiger sein als ein paar Kilowatt DC-Spitzenladeleistung mehr oder weniger. Es gibt vier Rekuperationsstufen im Scenic, wobei Renault auch daran gedacht hat, einen Modus zu installieren, in dem gar nicht rekuperiert wird. Vorkonditionierung und Wärmepumpe sind in allen Ausstattungslinien serienmäßig – dafür nehmen einige Hersteller bis heute rund 1000 Euro zusätzlich.

Anklang bei der Zielgruppe dürfte auch finden, dass Renault auf 4,47 m Länge ein ordentliches Platzangebot unterbringt. 2,79 m misst der Radstand, 545 bis 1607 Liter fasst der Kofferraum – damit sollten auch Familien zurechtkommen. Eine Besonderheit hat sich Renault beim optionalen Glasdach einfallen lassen, das sich von "durchsichtig" in drei Stufen verdunkeln lässt. Damit spart sich der Hersteller ein Rollo zu Verschattung. Leider gibt es auch keine Möglichkeit, das Dach zu öffnen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in der heise/Autos-Redaktion nicht die Einzigen sein werden, die das zutiefst bedauern.

Ein aktuell in der Redaktion verweilender Austral verdeutlicht einmal mehr, wie richtig die Entscheidung von Renault war, sich im Bereich Infotainment vom eigenen Weg zu verabschieden und in die Hände von Google zu begeben. Das System dort läuft weitgehend störungsfrei und macht alles in allem, was es soll. Es kommt in identischer Form auch in den Scenic, und das ist eine gute Nachricht. Die Sprachsteuerung funktioniert überdurchschnittlich gut, die Navigationslösung "Google Maps" hat in dieser Form nicht viel Konkurrenz. Updates kommen over-the-air. Im Scenic wird Android Automotive 12 installiert, was gegenüber der Version 10, die im getesteten Austral aufgespielt war, Vorteile bei der Bedienung des Navigationssystems und der Kopplung von Bluetooth-Geräten bringen soll. Über einen App-Store sollen mehr als 50 Apps für die Nutzung im Scenic freigegeben sein.

Renault Scenic E-Tech Electric Innenraum (7 Bilder)

Eingerichtet im aktuellen Stil der Marke: Der Scenic ist eher wuchtig gestaltet.
(Bild: Renault)

Die vielleicht wichtigste Frage können wir derzeit nicht beantworten, denn Renault lässt sich derzeit bei der Kalkulation nicht in die Karten schauen. Mit einem gewissen Aufschlag gegenüber dem Megane E-Tech Electric darf aber fest gerechnet werden. Der kostet mit in Verbindung mit der 60-kWh-Batterie derzeit mindestens 46.600 Euro, von denen die Subventionen von Steuerzahler und Hersteller noch abgezogen werden können. Das Basismodell des Scenic dürfte knapp unter 50.000 Euro kosten. Damit wendet er sich nicht mehr, wie einst der erste Scenic, an alle Familien, sondern nur noch an die besonders wohlhabenden.