Report: Pflichten sorgen für Dynamik bei Digitalisierung des Gesundheitswesens

Die Digitalisierung macht Fortschritte, aber viele Praxen haben Probleme mit der erforderlichen Infrastruktur für den Datenaustausch, so ein McKinsey-Bericht.

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Ärztin mit Blatt Papier und Laptop

(Bild: fizkes/Shutterstock.com)

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Die Digitalisierung des Gesundheitswesens kommt voran, heißt es im E-Health Monitor 2023/24 der Unternehmensberatung McKinsey. Jedes zweite E-Rezept wird demnach elektronisch ausgestellt. Mit rund 22 Millionen E-Rezepten wurden bereits jetzt mehr E-Rezepte eingelöst als im gesamten Jahr 2023. "Erst mit der verpflichtenden Einführung hat die Dynamik beim E-Rezept mehr Fahrt aufgenommen", schreiben die McKinsey-Autoren. Allerdings gibt es immer noch Schwierigkeiten beim E-Rezept, etwa aufgrund von Problemen mit der Telematikinfrastruktur oder Mängeln bei der Praxissoftware.

Dem Bericht zufolge klagen sogar 69 Prozent – also 19 Prozent mehr als im Vorjahr – über wöchentliche oder tägliche Probleme mit der Telematikinfrastruktur (TI), die für den sicheren Austausch von Gesundheitsdaten gedacht ist. Apotheken beklagen fehlende Signaturen der Ärzte, die das E-Rezept erst vollständig und einlösbar machen. Auch heise online erhält immer wieder Hinweise dazu, dass es zu Störungen in der Telematikinfrastruktur kommt. Ebenso ist es bei Internetausfällen unmöglich, das E-Rezept auszustellen oder abzurufen.

Mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für mehr Tempo sorgen und bekannte Schwierigkeiten lösen. Beispielsweise halten sich nicht alle Hersteller von Praxisverwaltungssystemen an die Vorgaben der für die Digitalisierung zuständigen Gematik. In der Folge können E-Rezepte nicht schnell ausgestellt werden, beispielsweise kommt es teilweise noch zu Schwierigkeiten aufgrund fehlender Signaturen der elektronischen Verschreibung. Künftig sollen Hersteller sanktioniert werden können, sofern sie sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten, beziehungsweise die Spezifikationen der Gematik.

Doch trotz der aktuellen Situation in den Arztpraxen und Apotheken sollen die elektronische Patientenakte und das E-Rezept laut Matthias Redlich, Partner bei McKinsey und Herausgeber der Studie des E-Health-Reports, "tragende Säulen der digitalen Versorgung in Deutschland werden". Die internationale Erfahrung zeige, "dass die Einführung des Opt-out-Verfahrens der elektronischen Patientenakte zum Durchbruch verhelfen könnte", aktuell verfügen rund 1 Prozent der gesetzlich Versicherten über eine elektronische Patientenakte (ePA).

"Die neue Opt-out-Regelung und der weitere Ausbau nutzenstiftender Anwendungsfälle weisen den Weg – gilt es doch, eine kritische Masse an Versicherten und Leistungserbringern für die ePA zu gewinnen. Nur wenn deren Nutzung konsequent gefördert und in den Versorgungsalltag integriert wird, kann es gelingen, die ePA als Herzstück der TI-Anwendungen zu etablieren", sagte Redlich.

In der ePA sollen sich künftig verschiedene Daten sammeln, etwa aus Arztterminen, von Wearables und Fitnesstrackern sowie digitalen Gesundheitsanwendungen. Außerdem sollen die Daten an das Forschungsdatenzentrum übermittelt werden. Wer das nicht möchte, kann dem Anlegen einer ePA widersprechen.

Weitere Anwendungen sollen Einsparungen in Milliardenhöhe ermöglichen. Wie hoch die Kosten für die bisherige Digitalisierung sind, geht aus der Studie jedoch nicht hervor, viele Praxen beklagen auch das "ungünstige Kosten-Nutzen-Verhältnis" und sehen dieses als Hemmnis bei der Digitalisierung, wie aus dem Praxisbarometer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für das Jahr 2022 hervorgeht.

Vor allem das Telemonitoring – also die Überwachung der Vitaldaten von Patienten aus der Ferne – könnte dem Gesundheitswesen laut Analyse von McKinsey 4,3 Milliarden Euro sparen. Rund 67 Prozent der möglichen Einsparungen entfallen demnach auf eine Verringerung der Krankenhausaufenthalte, "26 Prozent auf kürzere Liegezeiten und die Verschiebung der Behandlung in ambulante Versorgungsformen". Auch Anschlussbehandlungen und Notfalltransporte chronisch Erkrankter ließen sich so verringern.

Die 2020 eingeführten Apps auf Rezept (DiGA) erfreuen sich laut Report ebenfalls "wachsender Beliebtheit". Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte listet derzeit 54 Apps – zur Therapiebegleitung bei Depressionen über Übergewicht bis hin zu Stoffwechselerkrankungen. Sechs DiGA wurden inzwischen von der Liste gestrichen, da "kein positiver Versorgungseffekt" nachgewiesen werden konnte. Zudem wurden bei DiGA immer wieder Datenschutzlücken gefunden. Laut den gesetzlichen Krankenkassen lösen die DiGA ihr Versprechen nicht ein, die Gesundheitsversorgung zu verbessern.

2023 habe sich das Marktvolumen für DiGA laut Report gegenüber zum Vorjahr verdoppelt. Während dies 2022 noch bei rund 60 Millionen lag, ist es inzwischen bei einem durchschnittlichen Herstellerpreis von 529 pro App auf 125 Millionen Euro Marktvolumen gestiegen. "Das Interesse von Ärzten an DiGA nimmt zu. Mittlerweile hat rund ein Drittel der Ärzte bereits eine DiGA verschrieben – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Weitere 14 Prozent planen, die Apps auf Rezept in naher Zukunft auszuprobieren", sagte Laura Richter, Mitherausgeberin der Studie.

(mack)