Überwachung: NSA soll weltweit "mit Würde und Respekt" spionieren

NSA-Direktor Paul Nakasone hat den Agenten vorgeschrieben, bei Spähoperationen stärker auf die Privatsphäre der Betroffenen zu achten. Dies stößt auf Skepsis.

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(Bild: asharkyu/Shutterstock.com/heise online)

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Die spätestens seit den Snowden-Enthüllungen berühmt-berüchtigte National Security Agency (NSA) soll gesitteter spitzeln. Bei der bislang besonders eingreifenden Fernmeldeaufklärung ("Sigint") müsse berücksichtigt werden, "dass alle Personen mit Würde und Respekt behandelt werden sollten", ordnet NSA-Präsident Paul Nakasone in einer jetzt bekannt gewordenen Richtlinie zur Datensammlung vom 29. Juni an. Dies habe "unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Wohnort" zu gelten – also auch beim Ausspionieren von Gegnern wie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Alle Menschen weltweit hätten "berechtigte Datenschutzinteressen", die zu wahren seien. Entsprechende Erfassungsaktivitäten dürften auch nur auf Basis einer angemessenen Bewertung aller relevanten Faktoren erfolgen, um einen anerkannten, prioritären Geheimdienstzweck voranzutreiben.

Wann immer möglich, heißt es in dem Papier, erfolge eine Sigint-Operation durch den Einsatz eines oder mehrerer Selektoren, um die Sammlung auf bestimmte ausländische Geheimdienstziele wie bekannte internationale Terroristen oder den Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu konzentrieren. Zuvor hatte die NSA etwa dem BND im großen Stil hierzulande rechtswidrige einschlägige Suchbegriffe untergejubelt, was zu einem Skandal führte. Eine Sigint-Massenüberwachung dürfe zudem nicht mehr auf Basis des besonders umstrittenen Abschnitts 702 des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) durchgeführt werden.

Artikel 702 des Gesetzes zur Auslandsaufklärung war für den Europäischen Gerichtshof (EuGH) einer der Gründe, um bereits zweimal Abkommen zum transatlantischen Datenverkehr wie den Privacy Shield zu kippen. Berater von US-Präsident Joe Biden empfahlen jüngst erstmals kleine Anpassungen an der Klausel, um vor allem auch Missbrauch durch das FBI einzuhegen. Generell müsse eine "gezielte Erfassung Vorrang haben vor einer Massenüberwachung", schreibt Nakasone nun in Bezug auf die NSA. Sollte eine letztere trotzdem nötig sein, habe sie so begrenzt wie möglich zu erfolgen und in "einem angemessenen Verhältnis zum nachrichtendienstlichen Ziel" wie einer Geiselbefreiung, der Abwehr konkreter Bedrohungen etwa für die Cybersicherheit oder zur Bekämpfung internationaler Verbrechen stehen.

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Generell dürfen erhobene Daten über Ausländer nur noch gespeichert werden, wenn eine solche Befugnis auch bei US-Bürgern besteht, geht aus der Vorschrift hervor. Dafür ist etwa ein Terrorismusbezug erforderlich. Nakasone will mit den Verfahrensregeln Bidens Durchführungsverordnung 14086 vom Oktober 2022 umsetzen. Demnach sollen die US-Geheimdienste bei ihren Datensammlungen darauf achten, dass diese "notwendig und verhältnismäßig" sind sowie besser kontrolliert werden können. Auslöser für den Wandel ist der neue EU-USA-Datenschutzrahmen. Mit dem Privacy Shield 2.0 werden laut der EU-Kommission "neue verbindliche Garantien eingeführt", um allen vom EuGH geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen.

Bürgerrechtler werten die Richtlinie als PR-Maßnahme und Versuch, europäische Partner und nationale Kritiker in der laufenden Debatte über eine Reform von Artikel 702 zu besänftigen. "Das ist so, als würde die CIA eine Erklärung abgeben, wonach sie künftig nur noch Menschen mit Würde und Respekt per Waterboarding foltern wird", erklärte Evan Greer, Direktor der Organisation Fight for the Future, gegenüber The Intercept. "Massenüberwachung ist grundsätzlich unvereinbar mit grundlegenden Menschenrechten und Demokratie." Die US-Regierung wolle weiterhin in der Lage sein, ohne konkrete gerichtliche Anordnungen zu spionieren, "unabhängig vom Ausmaß oder der Bedrohung der Privatsphäre", sagte Sean Vitka von Demand Progress dem Magazin. Alles andere sei Augenwischerei.

(tiw)