Umfrage: Warum einige Firmenchefs zurück zur Präsenzarbeit möchten

31,6 Prozent der deutschen Firmen erwarten, sie würden bei vollständiger Rückkehr ins Büro produktiver. Bei Autoherstellern liegt die Quote bei 43,2 Prozent.​

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(Bild: epixproductions/Shutterstock.com)

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Die meisten deutschen Unternehmen (60,1 Prozent) rechnen mit einer gleichbleibenden Produktivität, falls ihre Beschäftigten nach der Corona-Pandemie vom hybriden Arbeiten oder gar reinem Homeoffice vollständig ins Büro zurückkehren. Dies geht aus den Ergebnissen einer als repräsentativ geltenden Umfrage des Münchner Ifo-Instituts unter 9000 Betrieben im August in Deutschland hervor. 31,6 Prozent der Firmen gehen aber davon aus, dass sie beziehungsweise ihre Mitarbeiter bei vollständiger Büronutzung mehr Leistung zeigen würden. Über ein Drittel davon (39 Prozent) erwarten 10 bis 20 Prozent mehr Produktivität, etwas weniger rund 5 bis 10 Prozent mehr. Sie begründen dies mit effizienterer Abstimmung und Kommunikation (87 Prozent), mehr Wissensaustausch (77 Prozent) und weniger Ablenkung (53,1 Prozent).

Nur 8,3 Prozent der Unternehmen meinen, dass Beschäftigte ohne Homeoffice unproduktiver arbeiten würden. Knapp die Hälfte der Firmen, die von einem Produktivitätsrückgang bei vollständiger Rückkehr ins Büro ausgehen, beziffern die potenziellen Verluste bei der Leistungskraft auf 5 bis 10 Prozent. Knapp ein Drittel geht hier sogar von einer Quote von 10 bis 20 Prozent aus. Andererseits loben 68,9 das Potenzial einer flexibleren Einteilung der Arbeitszeit im Homeoffice. 64,5 Prozent sehen zu Hause weniger Ablenkung und fast ebenso viele eine erhöhte Jobzufriedenheit. Eine bessere Work-Life-Balance führen 59,5 Prozent ins Feld.

Die Ergebnisse sind in vielen Branchen wie im verarbeitenden Gewerbe, bei Dienstleistungen und im Einzelhandel ähnlich. Anders gestaltet sich die Sache vor allem in der Textilindustrie: dort erwarten 54,3 Prozent der Befragten eine höhere Produktivität im Büro. In der Druckindustrie sind es 48,4 und bei den Autobauern 43,2 Prozent. Ifo-Forscher Mathias Dolls resümiert: "Die mehrheitlich positiven Erfahrungen mit der Produktivität sind ein wichtiger Grund, warum sich das Homeoffice in vielen deutschen Unternehmen etabliert hat." In einer früheren Befragung gaben 61 Prozent der hiesigen Unternehmen an, "Remote Work" bei Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten für durchschnittlich 6,4 Tage im Monat anzubieten. Mittelstand und Handel fahren solche Optionen aber zurück.

Auch wenn IT- und Medienkonzerne wie Apple, IBM, Disney und Zoom inzwischen für eine Rückkehr ins Büro trommeln, geht der Ifo-Forscher Jean-Victor Alipour in einem Aufsatz davon aus: "Das Comeback des Büros wird es nicht geben." Es sei wissenschaftlich zwar noch offen, wie Telearbeit die Produktivität tatsächlich beeinflusse. "Doch klar ist: Unternehmen müssen jetzt schon schmerzhafte Lohnprämien anbieten, um Homeoffice zu verwehren. Der Fachkräftemangel verstärkt den Druck." Der Wirbel um die Rückkehr ins Büro werde also "von wenigen Arbeitgebern getrieben". Die meisten hätten dagegen erkannt: "Nicht das Ob, sondern die Frage, wie Homeoffice erfolgreich integriert werden kann, ist heute wesentlich."

Auf den Kontakt vor Ort zu verzichten, verursacht laut Alipour langfristig Kosten, "die einen Umstieg auf Vollzeit-Homeoffice in der Regel unattraktiv machen". Es gebe zwar erfolgreiche Modelle etwa bei der Softwarefirma GitLab oder in Callcentern, die komplett auf dezentrale Teams setzten. Dafür brauche man aber von Anfang an eine entsprechende Kultur oder Stellen beziehungsweise Funktionen, die wenig Koordination erforderten. Generell könnten hybride Modelle Spannungsfelder zwischen Tätigkeiten zu Hause, langfristiger Innovationskraft und Wissensaustausch am besten ausbalancieren. Auch dafür sei aber Koordination unvermeidlich. Denn nichts sei frustrierender als Meetings, "in denen manche im Konferenzraum sitzen, während der Rest per Video zugeschaltet wird". Insgesamt gelte: "Kein Homeoffice ist auch keine Lösung."

(mki)