VDSL-Turbo Vectoring: Der Telekom-Chef teilt aus

Tim Höttges nimmt auf der Hauptversammlung der Telekom kein Blatt vor den Mund: Die Konkurrenz soll nicht rumjammern, sondern selbst in den Glasfaserausbau investieren. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten.

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Deutsche Telekom

(Bild: dpa, Oliver Berg)

Lesezeit: 5 Min.
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Im Streit über den VDSL-Beschleuniger Vectoring wird der Ton schriller. Auf der Hauptversammlung des Konzern am Mittwoch in Köln hat Telekom-Chef Tim Höttges die Konkurrenz hart attackiert. “Unsere Wettbewerber kritisieren und jammern in einer Tour”, sagte Höttges und warf ihnen vor, selbst nicht genug in den Infrastrukturausbau zu investieren. Die Telekom-Wettbewerber weisen das scharf zurück.

Vectoring: der VDSL-Beschleuniger

Kaum ein Netzthema wird so kontrovers diskutiert wie das Vectoring: Mit der neuen Technik lassen sich bis zu 100 Mbit/s aus einem VDSL-Anschluss kitzeln - kein Wunder, dass die Telekom das anbieten möchte. Die Konkurrenz befürchtet aber eine Re-Monopolisierung des Markts, da Vectoring einen exklusiven Zugriff auf die letzte Meile erfordert. Kritiker befürchten zudem weitere Verzögerungen beim zukunftsträchtigen Glasfaserausbau.

Höttges warf den Wettbewerbern vor, die Telekom mal für den schleppenden Ausbau zu kritisieren, mal für die falsche Technik. Sobald die Telekom aber ausgebaut habe, böten die Kritiker dann ihre Leistungen unter eigenem Namen auf dem Telekom-Netz an. Darüber hinaus hob Höttges die eigenen Investitionen hervor. In Deutschland habe die Telekom im vergangenen Jahr mehr als vier Milliarden Euro in den Ausbau gesteckt.

Die so gescholtenen Wettbewerber schießen zurück. "Die Behauptung, dass nur die Telekom hierzulande in Netzinfrastruktur investiert, ist falsch und wird auch durch etliche Wiederholungen nicht richtig", meint Wolfgang Heer vom Bundesverband Glasfaser (Buglas) und verweist darauf, dass seine Mitglieder rund 1,6 der 2,2 Millionen deutschen Glasfaseranschlüsse (FTTH) stellen. “Die Telekom hingegen hat sich bereits vor einigen Jahren nach vollmundigen Ausbauversprechungen aus dem FTTH-Ausbau weitestgehend zurückgezogen."

Auch der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) und der Verband der Anbieter von Telekommunitations- und Mehrwertdiensten (VATM) verweisen auf die tragende Rolle der alternativen Netzbetreiber für den Glasfaserausbau. “Anders als die Deutsche Telekom versuchen wir – wo immer es wirtschaftlich möglich ist – den Zwischenschritt über VDSL Vectoring zu vermeiden und die Glasfaser gleich bis ins Haus zu legen", erklärt Breko-Chef Stephan Albers.

Die Telekom will die Vectoring-Technik, mit der an VDSL-Anschlüssen über Kupferkabel noch ein paar MBit/s mehr drin sind, auch im Nahbereich ihrer Hauptverteiler (Hvt) einsetzen und hat dafür bereits grünes Licht von der Bundesnetzagentur bekommen. Vectoring erfordert technikbedingt Zugriff auf das ganze Kabelbündel. Damit bleibt Wettbewerbern der direkte Zugriff auf die Teilnehmeranschlussleitungen (TAL) im Nahbereich verwehrt. Ein noch nicht näher definierter virtueller Leitungszugang soll das kompensieren.

Wenn die Nahbereich damit exklusiv von der Telekom bespielt und mit VDSL-Bandbreiten von 50 bis 100 MBit/s versorgt werden, hemme das Investitionen in andere Technik, kritisieren die Wettbewerber. “Der Monopolantrag der Telekom für den Vectoring-Ausbau in den nahezu 8000 Nahbereichen der Hauptverteiler führt zu großer Verunsicherung bei den alternativen Investoren", sagt VATM-Chef Jürgen Grützner.

Der Streit über Vectoring im Nahbereich wird seit Monaten geführt und hat zuletzt an Intensität zugenommen. Die schrillen Töne des Telekom-Chefs mögen auch damit zusammenhängen, dass sich politischer Widerstand gegen die Vectoring-Pläne regt. Während die Telekom Bundesregierung und Regulierungsbehörde auf ihrer Seite weiß, hegen die Oberaufseher in Brüssel ernste Zweifel. Zudem rückt der politische Beirat der Bundesnetzagentur von der Entscheidung der Behörde ab.

Die EU-Kommission hat vor zwei Wochen ein Prüfverfahren eingeleitet, um die Entscheidung der Bundesnetzagentur auf Herz und Nieren zu prüfen. Brüssel befürchtet negative Auswirkungen auf den Wettbewerb in Deutschland. In den drei Monaten, die für die Prüfung vorgesehen sind, darf die Maßnahme nicht umgesetzt werden. Höttges schätzt, dass sich alles um rund vier Monate verschiebt. Sein Unternehmen befinde sich in konstruktiven Gesprächen mit EU und Netzagentur, sagte der Telekom-Chef. Zugeständnisse seien Verhandlungssache, das Geschäft müsse sich aber weiter rechnen.

Für die Wettbewerber liegt die Lösung nicht darin, mit immer neuen Beschleunigern wie Vectoring Plus, Super Vectoring oder G.fast auf kurzer Strecke immer mehr Bandbreite aus dem alten Kupfernetz herauszukitzeln. Der Bundesregierung konnte die Telekom das Vectoring schmackhaft machen, weil Berlin damit seine Breitbandziele in erreichbare Nähe gerückt sieht. Dabei ist allen längst klar, dass Glasfaser die Zugangstechnik mit Zukunft ist, wenn die auch auf dem bundesdeutschen IT-Gipfel ausgerufene Gigabit-Gesellschaft Wirklichkeit werden soll.

"Mit ihrer Strategie der bloßen Ertüchtigung des bestehenden Kupferanschlussnetzes hingegen beschreitet die Telekom gerade nicht den Weg in die Gigabitgesellschaft”, meint Buglas-Chef Heer. “Auch mit Vectoring, Super-Vectoring und Co. wird dieses Netz niemals eine Versorgung mit den dafür erforderlichen Bandbreiten erreichen können. Dafür erleben wir aber landauf landab, dass gerade dort, wo die dringend benötigten FTTB/H-Netze von meist kommunalen Unternehmen aufgebaut werden, durch die Telekom ein Überbau dieser Netze mit FTTC stattfindet – keine wirklich zukunftsorientierte Vorgehensweise.” (vbr)