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openSUSE Leap 15.4: Mehr SLE-Kompatibilität und neue Mini-Distribution

Martin Gerhard Loschwitz
Aufmacher openSUSE Leap 15.4 veröffentlicht

(Bild: Screenshot)

Die Linux-Distribution openSUSE Leap 15.4 verbessert die Kompatibilität mit SUSE Linux Enterprise. Insbesondere Desktop-Nutzer erhalten aktualisierte Pakete.

Das openSUSE-Projekt hat die Version 15.4 seiner Linux-Distribution Leap vorgestellt. Anders als bei der Rolling-Release-Version Tumbleweed handelt es sich bei openSUSE Leap um eine Distribution mit festen Releases. Zu den Verbesserungen in der aktuellen Version gehören noch mehr Kompatibilität zu SUSE Linux Enterprise (SLE), diverse Updates vorrangig für Desktop-Pakete und ein ebenfalls aus SLE übernommener, leidlich aktueller Kernel 5.14.

Das gerade frisch veröffentlichte openSUSE Leap 15.4 basiert auf erheblichen Anstrengungen der Entwickler, das Desktop- und das Server-Produkt einander anzugleichen. Bereits in Leap 15.3 sollten die Distributionen eigentlich vollständig binärkompatibel zueinander sein, aufgrund unterschiedlicher Flags beim Kompilieren mancher Pakete hat das allerdings nicht ganz geklappt. In der neuen Version 15.4 will SUSE das in den Griff bekommen haben – und Nutzer von openSUSE Leap sollen noch besser unmittelbaren Support vom Hersteller für ihr System bekommen können.

Obendrein liegt YaST, SUSEs altehrwürdigem Konfigurationswerkzeug, nun ein Modul bei, mit dem sich ein bestehendes openSUSE-System in ein SLE-System unwandeln lässt. Migrationsziel können dabei sowohl SLES als auch SLED sein, also die Server- und Desktop-Distributionen des Herstellers. Der Vorteil laut Anbieter: bestehende Systeme müssen nicht umkonfiguriert werden und bestehende Workloads nicht verändert. Wer möchte, kann SLE in Form von openSUSE also ausprobieren, bevor eine kommerzielle Entscheidung ansteht. Hinter den Kulissen dient die gemeinsame technische Grundlage aller SUSE-Distribution aber freilich auch der Reduktion von Komplexität in der Entwicklung.

Einen Fokus auf den Desktop hat openSUSE Leap trotzdem – und gerade hier hat der Anbieter seine Nutzer in den vergangenen Leap-Versionen nicht gerade mit großzügigen Updates beglückt. Das will man jetzt offenbar nachholen, sodass die neue Leap-Edition mit vielen neuen Versionen klassischer Desktop-Anwendungen daherkommt.

Als Linux-Kernel kommt 5.14.21 zum Einsatz, den openSUSE Leap 15.4 aus SLE 15 SP 4 übernimmt und der wie üblich etliche SUSE-spezifische Anpassungen und zurückportierte Änderungen aus späteren Kernels enthält. Ihm stehen die klassischen Desktop-Umgebungen zur Seite, allen voran KDE Plasma in Version 5.24, GNOME in Version 41 sowie MATE in Version 1.26. Andere Umgebungen wie Xfce (4.16) erhalten lediglich kleinere Updates, was zum größten Teil dem Umstand geschuldet ist, dass Upstream-seitig schlicht keine Major-Updates verfügbar sind.

Verbessert haben die Entwickler auch die Hardware-Unterstützung: Der aktualisierte Kernel im Vergleich zur Version aus Leap 15.3 bringt per se bereits einige neue und stark aktualisierte Treiber mit; zusätzlich dazu lässt sich der moderne Grafikserver Wayland nun nicht mehr wie bisher nur mit Intel- oder AMD-GPUs nutzen, sondern auch mit jenen des Branchenprimus Nvidia. Etliche andere Desktop-Anwendungen wie Firefox. GIMP, Thunderbird oder LibreOffice kommen obendrein aufgefrischt daher. Für durchschnittliche Endanwender präsentiert openSUSE Leap 15.4 sich damit insbesondere als Modellpflege, die man gerne mitnimmt. Updates, so verspricht der Hersteller, lassen sich wie bisher mittels YaST nahtlos einspielen.

Traditionell richtet openSUSE sich zudem an spezielle Gruppen wie Künstler, und hat für diese auch in Leap 15.4 etwas in petto. Das moderne Audioframework PipeWire ersetzt etwa das in die Jahre gekommene PulseAudio. Etliche Multimedia-Werkzeuge wie Wireplumber oder LV2 stehen ebenso zur Verfügung wie Tools für Video-Enthusiasten in Form von Programmen wie Kdenlive oder Blender.

Neuerungen ergeben sich indes auch für jene Nutzer, die openSUSE Leap auf Servern nutzen. Den ohnehin eingeschlagenen Container-first-Weg beschreitet der Hersteller konsequent weiter und legt der neuen Version die Container-Laufzeitumgebung Podman in der – schon etwas angestaubten – Version 3.4.2 bei. Systemd liegt nun in der Version 249 vor und erfährt mithin ein deutliches Update. Besitzer von Dell-PowerEdge-Servern freuen sich über die Integration des kleinen Werkzeugs "sassist", mit dem sich diverse Vitalwerte dieser Maschinen auslesen lassen. Weil "sassist" auch auf eine eventuell vorhandene iDRAC-Schnittstelle zugreifen kann, lässt sich die Systemkonfiguration zudem anpassen und verändern.

Versions-Wartung betreibt der Hersteller zudem auch bei Servern. Klassische Skriptsprachen wie PHP (8.1.0), Go (1.17) oder Rust kommen ebenso aktualisiert daher wie die auf Servern häufig anzutreffenden Standardapplikationen, etwa Apache, MariaDB oder Nginx. Auch auf Servern unterstützt der Anbieter in-place-Updates ausdrücklich, sodass Administratoren sich zumindest in der Theorie keine Sorgen um ihre Systeme zu machen brauchen – ein etwaiger Testlauf schadet aber freilich nicht.

In Leap 15.4 heißt es jedoch auch Abschied nehmen: OpenLDAP, bis vor einigen Jahren der unangefochtene Standard-LDAP-Server für Linux-Systeme, weicht dem 389 Directory Server des Fedora Projektes als Standard-LDAP-Server. Der 389 Directory Server ist durchaus kein Unbekannter, sondern leistet als zentrale Komponente von FreeIPA seit Jahren gute Dienste und hat sich in mancherlei Hinsicht als vielseitiger und flexibler entpuppt als das alteingesessene OpenLDAP. Jenes liegt Leap 15.4 weiterhin bei, ist allerdings als "deprecated" ebenso wie Python 2 markiert und dürfte in einer der nächsten Leap-Versionen den Weg ins SUSE-Nirvana antreten. Administratoren tun insofern gut daran, sich mit einer möglichen Migration bereits jetzt auseinanderzusetzen.

Zu den eher unscheinbaren Einträgen im Changelog, die allerdings mächtige Wirkung entfalten dürften, zählt obendrein eine neue Micro-Distribution auf Basis von openSUSE Leap 15.4 namens "Leap Micro 15.4". SUSE hat an der Distribution bereits seit einiger Zeit intern gearbeitet und gibt sie nun erstmals für die Öffentlichkeit frei. Offiziell richtet sich "Leap Micro" an experimentierfreudige Administratoren, die auf der Suche nach einer möglichst reduzierten Basis-Distribution sind, die allerdings eine Laufzeitumgebung für Container mitbringt.

Denn genau das ist Leap Micro: Anders als klassische Linux-Systeme kommt Leap Micro mit automatischen Patches daher, hat allerdings ein extrem schlankes Grundsystem und bietet Features wie das Zurückrollen einzelner Änderungen über Snapshots. SUSE folgt damit einem Trend, der sich in der Welt der Linux-Distributoren kontinuierlich ausbreitet, seit Container dank Docker und später Podman salonfähig geworden sind: Wenn ein System bloß noch Container betreiben soll, ist für viele klassische Komponenten der Gegenwart kein Bedarf mehr gegeben. Die klassische Paketverwaltung auf Basis von RPM-Paketen wird etwa weitgehend überflüssig, wenn MariaDB sich genau so als fertiger Container installieren lässt.

Ein Schelm, wer böses dabei denkt -- erlaubt es dieses Vorgehen doch, einen Teil der Wartungsarbeit auf die Anbieter von Software abzuwälzen. Denn wo Red Hat, SUSE & Co. bisher eigene Pakete für etliche Versionen der eigenen Distributionen pflegen musste, kann künftig ein kanonischer Container direkt vom Hersteller der Pakete zum Einsatz kommen – dass die Anbieter sich die Chance entgehen lassen werden, das einzufordern, ist zumindest unwahrscheinlich.

Gut möglich ist es insofern, dass openSUSE Leap 15.4 ein kleiner Ausblick auf die Art und Weise ist, wie SUSE sein Portfolio künftig gestalten will. Die Micro-Distribution, von der es in Form von SLE Micro auch ein Enterprise-Pendant gibt, ist dann so etwas wie der Nukleus der gesamten Produktpalette, der für die einzelnen Produkte bloß noch um nachladbare Container zu erweitern ist. Dass SUSE mit dieser Strategie komplett auf dem Holzweg wäre, ist jedenfalls unwahrscheinlich, verfolgen Red Hat und Canonical für ihre Distributionen mittlerweile doch ganz ähnliche Ziele.

openSUSE Leap 15.4 kommt zwar mit deutlich mehr Updates daher, als es in openSUSE Leap 15.3 der Fall war – vor allzu fiesen Überraschungen brauchen Administratoren sich aber weder auf Desktops noch auf Servern zu fürchten. Images für die Neuinstallation stehen auf der Download-Seite von openSUSE [1] zur Verfügung; wer bereits mit Leap 15.3 arbeitet, installiert die ausstehenden Updates über seine Paketverwaltung. Der Support für die bisherige Leap-Version 15.3 endet in exakt sechs Monaten – allzu lange sollte man das Update insofern nicht aufschieben.

Aktuelle Linux/Unix-Versionen

Der aktuelle Stand der wichtigsten Unix- und Linux-Distributionen:

(dmk [14])


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https://www.heise.de/-7135767

Links in diesem Artikel:
[1] https://get.opensuse.org/leap/15.4/
[2] https://www.heise.de/news/Debian-12-Bookworm-mit-verbessertem-Firmware-Handling-9183888.html
[3] https://www.heise.de/news/Linux-Distribution-Mehr-Privatsphaere-und-Barrierefreiheit-in-Elementary-OS-7-1-9324292.html
[4] https://www.heise.de/news/Fedora-Linux-39-Gnome-45-und-eine-neue-Immutable-Variante-9357065.html
[5] https://www.heise.de/news/FreeBSD-13-3-mit-besserem-WiFi-Support-und-OpenZFS-2-1-14-9648051.html
[6] https://www.heise.de/news/Linux-Mint-21-3-Viel-Potenzial-wenig-Konkretes-9600920.html
[7] https://www.heise.de/news/NetBSD-10-mit-WireGuard-und-verbesserter-Virtualisierung-erschienen-9675102.html
[8] https://www.heise.de/news/OpenBSD-7-4-mit-ungefaehr-Option-bei-cron-und-neuem-pfsync-9336787.html
[9] https://www.heise.de/news/openSUSE-Leap-15-5-Viele-Aktualisierungen-in-ausgereifter-Linux-Distribution-9180863.html
[10] https://www.heise.de/news/RHEL-9-2-ist-da-Bessere-Eigenbau-Images-und-sichere-Updates-9009859.html
[11] https://www.heise.de/news/Slackware-15-0-Modellpflege-nach-langer-Pause-beim-Linux-Urgestein-6355921.html
[12] https://www.heise.de/news/Linux-SLE-15-SP-2-und-SUSE-Manager-4-1-mit-neuem-Kernel-mehr-Features-4850078.html
[13] https://www.heise.de/news/Linux-Distribution-Ubuntu-23-10-bringt-viel-Feinschliff-9330917.html
[14] mailto:dmk@heise.de