re:publica: "Die einzige Antwort ist: Macht Facebook kleiner!"

Am ungehemmten Wachstum großer Internetkonzerne sei nicht das Internet selbst, sondern die Kartellpolitik schuld, meint Bürgerrechtler Cory Doctorow.

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re:publica: "Die einzige Antwort ist: Macht Facebook kleiner!"
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Von
  • Torsten Kleinz
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Mit einer furiosen Rede hat Science-Fiction-Autor und Netzpolitik-Urgestein Cory Doctorow auf der re:publica in Berlin eine Wende in der Kartellpolitik gefordert. Internetkonzerne wie Facebook wachsen nach Doctorows Auffassung nicht deshalb, weil die Technik nicht regulierbar sei, sondern weil man dem Expansionsdrang der Konzerne alle Türen geöffnet habe.

Damit stellte sich der Autor dem verbreiteten Standpunkt entgegen, dass die Konzentrationserscheinungen wie das Wachstum von Facebook kaum zu vermeiden sei. Am Vortag hatte etwa Andreas Mundt, Chef des Bundeskartellamts, auf der Konferenz die Gegenposition vertreten. So seien Konzerne wie Facebook aufgrund des Netzwerkeffekts kaum einzuschränken, da die Nutzer automatisch zu Plattformen strebten, auf denen bereits ihre Freunde und Bekannte aktiv seien. Mundt hatte sich deshalb dafür ausgesprochen, die Datenverwendung direkt zu kontrollieren und schon dann tätig zu werden, wenn Internetkonzerne in neue Märkte vorstießen.

Diesen Standpunkt nannte Doctorow töricht: "Big Tech ist kaputt, weil auch alles andere kaputt ist", argumentierte der Bürgerrechtler. Auch in gänzlich anderen Branchen sei es zu ähnlichen Konzentrationserscheinungen gekommen – von Buchverlagen, über Filmstudios bis hin zu Brillenherstellern.

Die Ursache sieht der Autor in der Reagan-Ära. Der US-Präsident habe Anfang der 80er-Jahre systematisch die Wettbewerbsaufsicht geschwächt und zurückgefahren, viele andere Regierungen seien dem US-amerikanischen Vorbild gefolgt. "Es war einst illegal, dass Firmen wachsen, indem sie die größten Konkurrenten kaufen", betonte Doctorow. Dies sei jedoch heute der Normalzustand. Apple etwa übernehme mittlerweile öfter Firmen, als es Lebensmittel einkaufe.

Die großen Technik-Giganten seien nur mit dieser von staatlichen Eingriffen ungehemmten Einkaufspolitik in die heutige Position gekommen. Google habe außer der Suche und Gmail selbst keine anderen Geschäftsbereiche selbst alleine eingeführt – alle anderen Aktivitäten stammten aus Übernahmen.

Insbesondere an Facebook ließ Doctorow kein gutes Haar. Der Konzern, dem der Ruf anhänge, quasi alles von seinen mehr als zwei Milliarden Nutzern zu wissen, sei sogar außerordentlich schlecht darin, die bei ihm angehäuften Daten zu deuten. "Die Werbetreibenden wollen in so etwas wie eine Gedankenkontrolle investieren", sagte Doctorow. Doch nur mit dem ständigen Zustrom neuer Datenbestände könne Facebook triviale Sachverhalte erkennen – etwa, dass ein Nutzer einen neuen Kühlschrank kaufen wolle.

Cory Doctorow plädierte dafür, Facebook stärker einzuschränken.

(Bild: Torsten Kleinz)

Dabei macht Doctorow nicht nur die Politik für die heutigen Missstände verantwortlich, auch den Firmen selbst wirft er Manipulationen vor. Facebook habe beispielsweise den Konkurrenten MySpace ausgebootet, indem Facebook einen Dienst anbot, mit denen MySpace-Nutzer ihre Kontakte auf Facebook übertragen konnten. Als der Konkurrent Power Ventures das gleiche Spiel mit Facebook treiben wollte, habe Facebook die Firma mit juristischen Winkelzügen aus dem Geschäft getrieben.

Ergebnis sei eine so große Konzentration auf dem IT-Markt, dass die Politik mittlerweile angefangen habe, hoheitliche Aufgaben an die Konzerne zu übertragen. Doctorow sprach von einem Horrorjahr für die Netzpolitik, bei der die "Chinafizierung des Internets" von zahlreichen Regierungen vorangetrieben wurde.