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Wellenreiter

| Rudolf Opitz, Christian Wölbert

Samsungs erstes Bada-Smartphone S8500 Wave gefällt mit seinem hochwertigen Gehäuse und dem farbstarken Super-AMOLED-Display.

Wellenreiter

Ende 2009 kündigte Samsung unter dem Namen Bada – koreanisch für Ozean – ein neues Smartphone-Betriebssystem inklusive SDK und eigenem App Store an. Das erste Bada-Modell S8500 Wave gefällt mit seinem hochwertigen Gehäuse und dem farbstarken Super-AMOLED-Display.

Das mit 5,6 Zentimetern für ein Touchscreen-Handy recht schmale Gerät passt auch in kleine Jackett-Taschen. Unter dem Display gibt es außer der zentralen Menütaste nur die üblichen Telefontasten zur Rufannahme und zum Auflegen. Eine weitere Taste am rechten Rand sperrt das Touchdisplay gegen ungewollte Eingaben. Am oberen Rand hat Samsung den Micro-USB-Port, über den man das Smartphone auch lädt, und die 3,5-mm-Buchse für das Headset untergebracht. Der microSDHC-Slot für Medien bis 32 GByte liegt unter dem Akku, sodass man das Gerät zum Wechseln abschalten muss. Zum Neustarten braucht es 25 Sekunden und ist damit etwa so schnell wie ein Android-Smartphone.

Die Oberfläche des 3,3 Zoll großen Super-AMOLED-Displays ist gut gegen Kratzer geschützt. Wie das des Galaxy S [1] gefällt es mit sehr hohem Farbkontrast, der besonders bei der Wiedergabe von Bildern und Videos begeistert. In der Sonne bleibt es noch einigermaßen lesbar – bei anderen OLED-Displays sieht man im direkten Sonnenlicht nur noch schwarz.

Die Telefonqualität ist auch mit aktivierter Freisprechfunktion sehr gut, in lauter Umgebung lässt sich beim Telefonieren eine „Rauschverminderung“ zuschalten, die auch ohne zweites Mikrofon Hintergrundgeräusche sehr effektiv ausblendet. Der Sprecher kommt beim Gegenüber im Vergleich zum Nexus One [2] etwas dumpfer, aber verständlich an. Dank Zweitkamera lassen sich auch UMTS-Videotelefonate führen.

Als Bedienoberfläche setzt Samsung wie beim Galaxy S auf das hauseigene TouchWiz 3.0, das in der Grundeinstellung fünf Startbildschirme anbietet, die sich frei mit Widgets und Anwendungen belegen lassen. Das mehrseitige Hauptmenü – die Menüpunkte Telefon, Kontakte und Nachrichten bleiben auf jeder Seite sichtbar – gleicht dem des iPhone und wird über die große Zentraltaste unter dem Display aufgerufen. Ein langer Druck blendet den Taskmanager ein, über den sich laufende Programme in den Vordergrund holen oder beenden lassen. Ein Doppelklick auf die Menütaste ruft die Suchfunktion auf, die den Gerätespeicher oder via Google oder Bing das Internet durchsucht.

Das DLNA-konforme Medien-Streaming hat Samsung mit der AllShare-Funktion mittlerweile im Griff. Mit ihr lassen sich Streams versenden, empfangen oder fernsteuern.

Das DLNA-konforme Medien-Streaming hat Samsung mit der AllShare-Funktion mittlerweile im Griff. Mit ihr lassen sich Streams versenden, empfangen oder fernsteuern.

Die Touchscreen-Bedienung klappt sehr flüssig und liegt – abgesehen von seltenen „Denksekunden“ etwa nach einem Neustart – auf iPhone-Niveau. Viel verwendete Apps wandern auf den ersten Bildschirm des Hauptmenüs, was mehr verwirrt als nützt. Gut, dass man diesen Automatismus abschalten kann.

Der Umfang des guten Adressbuchs gleicht dem von Outlook. Im professionellen Kalender lassen sich Termine mit Ortsangabe und Teilnehmerlisten – aus den Kontakten hinzufügbar – versehen und mit Outlook- oder Exchange-Servern abgleichen. Bei der Verwaltung von Accounts sozialer Netzwerke hilft ein „Social Hub“ betitelter Aggregator.

Der übersichtliche E-Mail-Client verwaltet mehrere Accounts, erlaubt das Markieren mehrerer Mails etwa zum Löschen und zeigt mit Hilfe des vorinstallierten Picsel-Viewers Office-Anhänge mit Ausnahme von PPS-Dateien an. Alternativ speichert er die Dateien auf der eingelegten microSD-Karte. Der Webkit-Browser Dolfin 2.0 lädt Webseiten zügig, hat aber mit Flash Probleme. Am Acid3-Test scheitert er nur knapp (98/100). Das Zoomen per Multitouch-Geste klappt mit kaum merklicher Verzögerung.

Für den Internetzugang nutzt das Wave HSDPA für den Empfang von bis zu 3,6 MBit/s brutto, wenn kein WLAN erreichbar ist. HSUPA für die Senderichtung kennt es nicht, via UMTS sendet es maximal 384 kBit/s. Praktisch: Als mobiler Zugangspunkt gibt das Wave die UMTS-Verbindung per WLAN WPA2-verschlüsselt an Notebooks weiter.

Das Wave bietet einige Sicherheitsfunktionen, darunter die Diebstahl-Erkennung uTrack. Ist die Funktion aktiviert, schickt sie nach Wechseln der SIM-Karte eine SMS mit der aktuellen Rufnummer an eine voreingestellte Handy-Nummer. Samsung bietet zudem eine Website, über die registrierte Nutzer ihr Gerät sperren oder löschen können.

Die 5-Megapixel-Kamera braucht rund eine Sekunde zum Fokussieren und Auslösen, was für eine Handyknipse recht schnell ist. Den Fokuspunkt wählt man per Fingertipp auf dem als Sucher dienenden Touchscreen. Zu den umfangreichen Foto-Optionen gehören ein Bildstabilisator, ein Selbstauslöser, eine Panorama- und eine Serienbildfunktion. Die zweistufige Auslöse-Taste am Rand ist besser als eine Schaltfläche auf dem Touchscreen, weil man damit nicht so schnell verwackelt.

Die Autofokus-Kamera des S8500 Wave liefert bessere Bilder als die des iPhone 4, ein Fotolicht erhellt maximal einen Meter entfernte Motive.

Die Autofokus-Kamera des S8500 Wave liefert bessere Bilder als die des iPhone 4, ein Fotolicht erhellt maximal einen Meter entfernte Motive.

Die Fotos sind scharf und zeigen wenig Rauschen, bei dunklen Motiven fallen einige fleckige Flächen vom Rauschfilter auf. Helle Flächen überstrahlen mäßig; bei weißem Hintergrund stört ein leichter Rosastich in der Bildmitte. Die Bildqualität toppt die des iPhone 4 [3] und eignet sich gut für Abzüge bis 10 × 15. Das Wave nimmt HD-Videos in 720p-Auflösung auf, die flüssig und ohne auffällige Artefakte wiedergegeben werden. Auf Großbild-TVs sehen sie gut aus. Sogar eine Zeitlupen-Funktion gibt es – allerdings nur für Videoclips bis 320 × 240 Pixeln.

Der Musikplayer spielt abgesehen von Ogg Vorbis alle gängigen Formate ab. Musik klingt über das beiliegende Headset ausgewogen, für mehr Bumms aktiviert man Presets oder spielt die DSP-Raumklang-Effekte durch. Als Videoplayer macht das Wave eine gute Figur: Es kennt auch das DivX-Format und spielt 720p-Videos mit Bitraten bis 6 MBit/s noch ruckelfrei ab. Für den TV-Anschluss liefert Samsung für rund 20 Euro ein einfaches Composite-Videokabel, das für die Übertragung von HD-Material nicht taugt.

Alternativ streamt man Musik und Videos via WLAN an DLNA-Clients. Zuständig dafür ist die AllShare genannte Funktion in den Einstellungen. Sie bietet drei Optionen, die die verschiedenen DLNA-Modi repräsentieren: So lassen sich Inhalte an einen Client streamen, von einem Server in Reichweite auf dem Wave abspielen oder als Fernbedienung die Wiedergabe von Serverinhalten auf einem Client steuern. Alle drei DLNA-Modi funktionierten im Test anders als bei DLNA-fähigen Vorgängermodellen gut.

Beim Oberflächen-Design der Windows-Software Kies hat sich Samsung an Apple orientiert. Das Programm gleicht Organizer-Daten des Wave mit Outlook ab und bietet zahlreiche praktische Multimedia-Funktionen.

Beim Oberflächen-Design der Windows-Software Kies hat sich Samsung an Apple orientiert. Das Programm gleicht Organizer-Daten des Wave mit Outlook ab und bietet zahlreiche praktische Multimedia-Funktionen.

Über die optisch an Apples Finder angelehnte Software Kies [4] bearbeitet man am Windows-PC Organizer-Einträge oder gleicht sie mit Outlook ab, zudem gibt es eine App-Verwaltung und viel Multimedia mit Bildbearbeitung und Videokonverter.

Samsungs App Store ist noch schlecht befüllt, viele Standardanwendungen wie Google Maps fehlen. Gratisprogramme lassen sich ohne Anmeldung installieren. Bada steht vor dem klassischen Henne-Ei-Problem: Smartphone-Nutzer erwarten eine große Auswahl, doch bislang bietet Samsung nur rund 750 Programme – kümmerlich im Vergleich zu den rund 100.000 bei Android und über 230.000 bei Apple.

Die Entwickler wiederum nehmen Bada aufgrund der kaum messbaren Nutzerzahl nicht als attraktiven Vertriebskanal wahr. Um sich aus dieser Zwickmühle zu befreien, lud Samsung 200 deutsche Entwickler zu einem Workshop in einen Frankfurter Club ein. Bis September läuft zudem ein Programmierwettbewerb mit 2,7 Millionen US-Dollar Preisgeld. Samsung reicht 70 Prozent des Umsatzes aus den Samsung Apps an die Entwickler weiter.

Auch in ein einfaches Bezahlsystem hat Samsung investiert: Nutzer müssen ihre Kreditkartennummer wie bei Google und Apple nur einmal eintippen, danach bezahlen sie Apps bequem per Passworteingabe. In-App-Käufe sind ebenfalls möglich. Als Basis für universelle Social-Networking-Apps betreibt Samsung Server, die die Statusinformationen von Twitter und Co. zusammenfassen. Mit dem SDK können Entwickler in C++ schreiben, die Auswahl der Hardwareschnittstellen wie GPS, Bewegungssensor und Kamera ähnelt der bei anderen Smartphone-Plattformen. Die APIs sind allerdings nicht kompatibel zu Android oder iOS. Daher könne man lediglich Grafiken und das Bedienkonzept übernehmen, erklärt der Entwickler Markus Junginger.

Das S8500 Wave gefällt mit seiner guten Kamera, der flüssigen Bedienung, dem exzellenten Display, den vielfältigen Multimediafunktionen und nicht zuletzt mit einem günstigen Preis – es ist ohne Vertrag schon für rund 300 Euro zu haben. Den Fehler, Bada erst jetzt auf den Markt zu bringen, kann Samsung jedoch nicht mehr ausbügeln. Blackberry und iPhone spielen in einer höheren Preisliga, aber auch das von Samsung angepeilte Einsteigersegment ist mit Android und Symbian bereits gut besetzt.

S8500 Wave
Bada-Smartphone
Hersteller Samsung [5]
technische Daten www.handy-db.de/1670 [6]
Lieferumfang (kann je nach Anbieter variieren) Ladegerät, Stereo-Headset, USB-Kabel, microSD/SD-Adapter, Handbuch
Preis ohne Kartenvertrag 300 € (Straße)

(rop [7])


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[1] http://www.heise.de/mobil/handygalerie/samsung/i9000-galaxy-s-1693/
[2] http://www.heise.de/mobil/handygalerie/htc/nexus-one-1653/
[3] http://www.heise.de/mobil/handygalerie/apple/iphone-4-1711/
[4] http://www.samsungmobile.de/support/softwaremanuals/kies.do
[5] http://www.samsungmobile.de
[6] http://www.heise.de/mobil/handygalerie/samsung/s8500-wave-1670/
[7] mailto:rop@ct.de