MIT Technology Review 11/2017
S. 95
Fundamente
Rückschau

Renaissance abgesagt

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: Comeback von Öl und Gas

technology review 11/2012 Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Erneuerbaren bis 2050.

Rasant steigende Förderraten von Schiefergas und -öl in den USA, ein Run auf Tiefseeöl vor Brasilien, Ölsande in Kanada, Schweröl in Venezuela und kein Klimaabkommen aller UN-Staaten in Sicht: Vor fünf Jahren häuften sich die Anzeichen für eine Renaissance fossiler Brennstoffe. Ein historisch hoher Ölpreis um die 100 Dollar pro Barrel versprach sprudelnde Profite und die Erschließung neuer Vorkommen. Damit sank der Druck auf die Gesellschaft, zeitig auf Erneuerbare umzusteigen. „Gefahr für die grüne Energie“, warnte TR damals.

Doch der klimaschädliche Wandel blieb glücklicherweise aus. Die Produktion von amerikanischem Schiefergas und -öl hält sich zwar – wie vorhergesagt – auf hohem Niveau. Es traf ab 2014 allerdings auf eine schwächelnde Weltwirtschaft und sinkende Nachfrage. Zudem konnten sich die OPEC-Staaten nicht auf eine Förderdrosselung einigen, und iranisches Öl fand nach Ende des Embargos zurück auf den Weltmarkt. Der Ölpreis rutschte dadurch zeitweise auf 30 Dollar ab und stabilisierte sich bis heute bei der 50-Dollar-Marke. Teure Förderprojekte in der Tiefsee wurden auf Eis gelegt. Die Internationale Energieagentur glaubt, dass Öl in den kommenden Jahrzehnten immer unwichtiger für das Wirtschaftswachstum werden wird.

Parallel dazu setzte besonders China – gerade wegen des damals teuren Öls – auf den Ausbau seiner Wind- und Solarparks. Serienfertigung und steigende Effizienz ließen deren Kosten weiter sinken. Auch viele europäische Staaten blieben den Erneuerbaren treu, ambitionierte Schiefergas-Projekte in Polen, Deutschland oder der Ukraine wurden gestoppt. Selbst in den USA wuchsen Wind- und Solarparks aus dem Boden. 2015 brachte der Klimavertrag von Paris finanzstarke Investoren dazu, Hunderte Milliarden Euro aus der fossilen Energiewirtschaft abzuziehen und in die Erneuerbaren zu stecken.

Das Beratungsunternehmen DNV GL prognostiziert für das nächste Jahrzehnt einen weiter sinkenden Bedarf an Öl und Kohle. Von den fossilen Energieträgern wird demnach allein die Bedeutung von Erdgas zunehmen. Es soll sich bis 2050 ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Erneuerbaren liefern, um dann schließlich ebenfalls überrundet zu werden. JAN OLIVER LÖFKEN