Auf kleinen Sohlen: Indian FTR S im Test

Seite 2: Kurvenhatz wird zur Fleißarbeit

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Die 17-Zoll-Räder machen sich positiv bemerkbar, im Vergleich zur Vorgängerin lenkt die Indian williger ein. Jedoch harmoniert der Metzeler Sportec M9 RR – sonst eigentlich ein sehr guter Reifen – nicht so recht mit der FTR. Je mehr Schräglage, desto kippeliger wirkt sie und muss häufig nachkorrigiert werden. Auch ist die Indian mit einem langen Radstand von 1525 Millimetern kein Ausbund an Handlichkeit, da hilft auch der steile Lenkkopfwinkel von 64,7 Grad nicht viel. Die ganz schnelle Kurvenhatz wird auf der FTR zur Fleißarbeit, obwohl sie sich mittels des breiten Lenkers leicht abkippen lässt und auch große Schräglagenfreiheit beweist. Also lasse ich es lieber etwas entspannter angehen und genieße den bärigen Durchzug im hohen Gang. Es macht Riesenspaß, die FTR zwischen 3000 und 4000/min rollen zu lassen und sich am Kurvenausgang mit einem kleinen Dreh am Gasgriff nach vorne zu katapultieren.

Für 2021 hat Indian dem großen V2-Motor eine verbesserte Drosselklappensteuerung spendiert, wodurch sich eine weichere Gasannahme ergibt. Die Unterschiede zwischen den Fahrmodi Standard oder Sport sind zwar vorhanden, aber nicht sonderlich groß, im letzteren reagiert die FTR S etwas spontaner auf Gasbefehle, bietet aber nicht mehr Leistung. Im Rain-Modus geht der V2 hingegen deutlich sanfter ans Gas, was bei dem brachialen Drehmoment im Nassen auch sehr begrüßenswert ist. In der FTR S stehen reichlich elektronische Hilfen bereit, um die Leistung im Zaum zu halten: Kurven-ABS, Stabilitäts-, Schlupfregelung und Wheeliekontrolle. Außerdem hat die FTR S serienmäßig einen Tempomat und eine USB-Ladebuchse an Bord, so ganz kann sie ihre amerikanische Herkunft halt nicht leugnen.

Die Federelemente von ZF Sachs sind voll einstallbar und arbeiten sehr gut. Sie mildern selbst deftige Schläge der Fahrbahn überzeugend ab und bieten dennoch eine ausreichende Straffheit für die sportliche Gangart. Die beiden radial montierten Brembo-Vierkolbenbremszangen mit 320-mm-Bremsscheiben am Vorderrad haben keinerlei Probleme, die Fuhre jederzeit souverän einzufangen. Selbst heftige Vollbremsungen bringen die FTR S nicht in Verlegenheit und das ABS regelt dabei feinfühlig und unauffällig.

Indian FTR S Details (8 Bilder)

Der bärige 1,2-Liter-V2 stemmt satte 120 Nm Drehmoment bei 6000/min auf die Kurbelwelle. Prägnant ist der Indianerkopf und das Gründungsjahr der Firma Indian Motorcycle auf dem Kurbelwellengehäuse.

Auf der Autobahn rennt die FTR S bei angezeigten 216 km/h in den elektronischen Begrenzer, mehr wollten ihr die Entwickler offensichtlich nicht zutrauen. Tatsächlich fühlt sich die Indian bei dem Tempo auch schon leicht unruhig an – nicht besorgniserregend, aber auffallend. Dem Vorwärtsdrang des Vorgängermodells wurde übrigens schon bei 190 km/h künstlich Einhalt geboten.

Neben dem Euro-5-Update vermeldet Indian zwei Neuerungen für 2021 am FTR-Motor: Ein optimiertes Motormanagement sorgt für ein verbessertes Startverhalten bei kalten Temperaturen und beim Anhalten wird der hintere Zylinder abgeschaltet. Das spart nicht nur Sprit, sondern reduziert auch die Abwärme, was Motor und Fahrer zugutekommt. Spritsparen hat die FTR S dringend nötig, denn der Tank fasst nur 13 Liter Benzin. Mit einem Durchschnittsverbrauch von 5,8 Litern kommt die Indian rund 220 Kilometer weit, wenn der Tank denn voll war. Denn das Auftanken erweist sich als mühsame Prozedur, es dauert lange, bis durch den weit hinten angebrachten Einfüllstutzen der Spritbehälter auch wirklich bis zum Rand befüllt ist.

Die FTR S bildet die vermeintlich goldene Mitte, könnte aber die am wenigsten bestellte unter den drei Varianten mit 17-Zoll-Rädern werden. Sie kostet 16.490 Euro und das ist viel Geld für ein 123-PS-Motorrad. Der Motor, der Rahmen, die Federelemente, die Bremsen und die LED-Beleuchtung sind an der Basis-Version identisch und der Käufer erlebt somit den gleichen Fahrspaß, spart aber satte 2500 Euro. Die FTR S bewegt sich bereits in Preisdimensionen, wo die meisten Interessenten ohnehin nicht auf jeden Cent gucken und dann vermutlich lieber gleich für 2000 Euro mehr die FTR R Carbon ordern, um den pompösen Auftritt mit viel Kohlefaserlaminat-Teilen und das Fahrerlebnis mit dem kompletten Öhlins-Fahrwerk zu genießen.

Die Indian FTR S zehrt von ihrem legendären Markennamen, dem kraftvollen Motor und der außergewöhnlichen Optik als Flat Tracker. Mit den 17-Zoll-Rädern hat sich die Handlichkeit deutlich verbessert. Lediglich die Serienbereifung steht dem ganz großen Fahrvergnügen im Weg, aber das Problem lässt sich einfach beheben.