Fahrbericht Fantic Caballero 500

Italienisches Design, chinesischer Motor, überschaubare Leistung, wenig Gewicht und handliches Fahrwerk: Selbst im Novemberwetter ein Riesenspaß.

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Fantic Caballero 500

Herzerwärmend in der Novemberkälte: die Fantic Caballero 500

(Bild: Ingo Gach)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Nischenmodelle sind das Salz in der Suppe des Motorradmarkts. Die Fantic Caballero Scrambler 500 ist so eins, sie sucht mit viel Charme bewusst ihre Lücke neben dem Mainstream, auf große Stückzahlen wird sie gleichwohl wohl nie kommen. Deshalb habe ich mich besonders gefreut, als der Test mit dem Sondermodell "Caballero Scrambler Anniversary 500" nach wiederholter Anfrage doch noch klappte, wenn auch erst ziemlich spät im Jahr.

Ein schicker Scrambler, in Feuerrot, mit der Trikolore auf der Tankabdeckung, irgendwo zwischen Retro und Moderne. Beim Motorrad-Design macht den Italienern niemand etwas vor und so gefällt die Caballero durch ihre einfachen, klassischen Formen. Die rundliche Tankabdeckung (der eigentliche 12-Liter-Tank verbirgt sich darunter), die dicke Sitzbank, der breite Endurolenker, die Drahtspeichenräder, das kleine Rücklicht und der Rundscheinwerfer samt Startnummerntafel sprechen Nostalgiker an. Als nette optische Gags fungieren der übereinander angeordnete Doppelschalldämpfer von Arrow und das Gitter vor dem LED-Scheinwerfer.

Die golden eloxierte Upside-down-Gabel, die große Bremsscheibe im Wave-Design, der knappe Vorderradkotflügel, der Hitzeschutz am Krümmer aus Kohlefaserlaminat und die silbern lackierten Kühler-Abdeckungen sind hingegen Zugeständnisse an moderne Zeiten. Auf beiden Seiten weisen gelb unterlegte Tafeln auf die "50. Anniversary Edition" hin.

Fantic Caballero 500 (6 Bilder)

Die Fantic Caballero Scrambler Anniversary 500 in Feuerrot und mit Trikolore auf der Tankabdeckung ist ein echter Hingucker.
(Bild: Ingo Gach)

Die Caballero bietet dem Fahrer eine Menge Spaß, dazu braucht es keine gewaltigen Motoren oder die allerneuesten elektronischen Gimmicks. Der 449 cm3 große, wassergekühlte Einzylinder läuft bei Zongshen vom Band, wurde aber von Piaggio in Italien entwickelt. Bei allem Traditionsbewusstsein bezieht Fantic ihren Motor aus China. Daran ist überhaupt nichts Ehrenrühriges, das hat BMW schon 2008 mit der BMW G 650 vorgemacht. Fantic kauft gerne Motoren bei anderen Marken ein, ihre erfolgreichen Sportenduros werden von Yamaha-Motoren (250 und 450 cm3) angetrieben.

Auch wenn Fantic erst letztes Jahr Motori Minarelli übernommen hat, die kleine Zwei- und Viertaktmotoren bauen, ergibt es für sie absolut Sinn, auf die bewährten Antriebe erfahrener Hersteller zurückzugreifen. Der Motor mit vier Ventilen und zwei obenliegenden Nockenwellen entspricht seit diesem Jahr der Euro-5-Norm und leistet weiterhin 38 PS (28 kW) bei 7100 /min, bekam aber ein neues Mapping aufgespielt, um das maximale Drehmoment von 38 auf 40 Nm bei 6000/min anzuheben.

Der Einzylinder reißt zwar keine Bäume aus, gefällt aber durch Drehfreude und geht spontan ans Gas. Zumindest auf kurvigen Strecken kann die Fantic bis Tempo 100 auch leistungsstärkeren Motorrädern folgen, wenn das leichtgängige Sechsganggetriebe fleißig geschaltet wird. Ihr Leergewicht von 157 Kilogramm macht es möglich. Dank eines relativ steilen Lenkkopfwinkels von 66 Grad und eines moderaten Radstands von 1425 Millimeter spielt die Caballero ihren Handlingsvorteil in engen Kehren voll aus und schlägt den schweren Bikes der gehobenen PS-Klasse ein Schnippchen. Zielgenau und ohne Kraftaufwand lässt sie sich einlenken, der 19-Zoll-Vorderreifen wirkt sich nicht nachteilig aus.

Die Pirelli Scorpion Rally in 110/80-19 vorne und 140/80-17 hinten zeigen sich trotz ihres groben Profils erstaunlich haftfreudig auf Asphalt, selbst in großen Schräglagen fangen sie nicht an zu schwimmen. Das Fahrwerk mit 150 Millimeter Federweg vorne und hinten erweist sich als sehr straff. Einstellungen für Druck- oder Zugstufe sucht der Fahrer an der 41-Millimeter-Upside-down-Gabel vergeblich, das Federbein lässt sich immerhin in der Zugstufe verstellen.

Mit der Caballero Scrambler Anniversary 500 lässt es sich in den Alpen auf den nächsten Schotterweg abbiegen oder in der Kiesgrube im Sand spielen. Doch schon auf Asphalt dringen Löcher merklich zum Fahrer durch, Geländefahrten sollten auf der Caballero Scrambler Anniversary 500 im Stehen absolviert werden, sonst drohen harte Schläge ins Gesäß. Wer regelmäßig auf einer Caballero unbefestigte Pisten unter die Stollenreifen nehmen möchte, sollte zur Version Caballero Rally 500 greifen, die mit 200 mm Federweg vorne und hinten sowie einem hochgesetzten Vorderradkotflügel ausgestattet ist.