Offender: Test Land Rover Defender 90 P200

Seite 2: Welcher Schotterpass in welchem Land jetzt?

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Land Rover kombiniert dieses Schnittchen von Motor mit einer unauffällig gut arbeitenden Achtgang-Automatik und 83,5 Litern Tankvolumen. Das bedeutet eine Autonomie von üblicherweise 800 bis ruhigerweise 1000 km. Im Alter wurde ich vernünftiger und mache so alle 200 bis 300 km eine Pause.

Aber ich bin recht frei dabei, wo ich die mache – in Frankreich zum Beispiel auf diesen Rastplätzen in der Pampa mit wunderschöner Parkanlage, aber sonst nichts, also keine Tankstelle, keine Ladestation, kein Kiosk. Beim Tanken dominierte eher der Gedanke: "Hm, in welchem Land tanke ich jetzt am billigsten?" Beim Thema "Reise" hat Land Rover alles so richtig richtig gemacht, und die Reise über Asphalt macht eben in Europa selbst auf dem ärgsten alten Defender fast 100 Prozent der Kilometer aus.

Natürlich testeten wir sehr ausführlich die Schlechtwege-Eignung des Defender und fuhren in den Westalpen Strecken bis SG 4-5 nach Herrn Denzels zugegebenermaßen nur bedingt nützlicher Skala. Diese Schotterstraßen sind nämlich das, was Defenderfahrer schon immer suchten für Touren in Europa. Sie sind (je nach Winterschäden) nämlich meistens wesentlich besser zu befahren als, sagen wir: Westafrika zur Regenzeit und sie haben als alte Militärstraßen einen festen Unterbau aus Steinen, der schweren Fahrzeugen entgegenkommt. Und schwer ist der Defender: Der kurze 90er wiegt bereits 2,3 bis 2,4 Tonnen, der 110er wiegt 2,4 bis 2,5 Tonnen. Auf stabilem Grund steht mit etwas Vorsicht auch SG-5 nichts im Weg. Auf weichem Grund sieht es anders aus.

Land Rover Defender offroad (13 Bilder)

Die Karawane zieht durch den Piemont. Um es den alten Defenderianern nicht noch schwerer zu machen, verzichte ich auf die Darstellung des aktuellen Suzuki Vitara, der da auch mitfuhr. Zugegebenermaßen würzte der Geruch von Kupplung die Bergluft ...
(Bild: Clemens Gleich)

Das hohe Gewicht ist der erste limitierende Faktor des Defender: Sobald der Boden keine Militärstraße mehr ist, sondern weicher Grund wie Waldboden oder Schnee, drückt die Masse die Räder in den Boden, was sehr schnell den zweiten limitierenden Faktor zeigt: die geringe Bodenfreiheit hinten. Die nach unten herausstehenden Aluminium-Querlenker der Hinterräder setzen auf weichem Grund schnell auf, und dann hockt der Defender da erstmal auf seinen Alu-Arschbacken.

Vorausschauende haben sich Luft gelassen, um rückwärts wieder wegzukommen. Beim Luftfahrwerk kann man das Fahrwerk hochfahren, das hilft den Backen aber weniger als dem Rest, weil sie auch im steileren Winkel weit unter den Radachsen hängen. Die Artikulation (Verschränkung) der Räder ist ebenfalls überschaubar. Ein Rad hängt öfter mal in der Luft, was aus Schwerkraftgründen bedeutet: Die anderen drei Räder tragen jetzt noch mehr Gewicht.

Mir ist bewusst, wie das angesichts der ganzen anderen Testberichte klingt, wir hatten jedoch einen Mitsubishi L200 (Test) (Einzelradaufhängung vorn, Starrachse hinten) dabei, der den langen Defender einmal bergen musste und dessen Hinterachse sich im Vergleich geschmeidig wie ein Gymnast fährt, wo das Defender-Straßenfahrwerk hüftsteif wie Oppa durchs Geröll wankt. Kurz: Wer ein wirkliches und deshalb herkömmliches Geländefahrwerk sucht, wird im neuen Defender enttäuscht sein.

Dennoch halte ich Land Rovers Entscheidung kaufmännisch gesehen für richtig: Der neue Defender meistert die typischen Schlechtwegstrecken trotz des neuen Fahrwerks mehr als gut genug. Mit dem Straßenfahrwerk funktioniert alles super, bei dem a) der Boden fest ist und b) bei dem man zwischen den Hinterachsen nur überschaubar Platz braucht. Die Überhänge sind nach heutigen Fahrzeug-Maßstäben kurz. Der neue Defender kann damit alle Wege in Europa fahren, auf denen man sich nicht durchfräsen muss, denn dabei setzt er seinen Hintern fest.

Die meisten Kunden fahren keine Starrachsen im direkten Vergleich, und selbst wenn, mal ganz ehrlich: Welches Starrachsenfahrzeug tritt in irgendeine direkte Konkurrenz zum neuen Defender, rein aus Kundeninteressensicht? Mercedes hat sich bei der G-Klasse von der vorderen Strarrachse und preislich ohnehin in die Stratosphäre verabschiedet.

Land Rover versucht Schlechtwegefähigkeiten (auch) durch über die Jahre weit gereifte Fahrhilfen zu erreichen. Das mit Klimatisierung und "Terrain Response" doppelt belegte Rädchen lässt dich wählen, was du fährst. In der Praxis brauchten wir das System hauptsächlich, weil der "Komfort"-Modus nicht erlaubt, die Geländeuntersetzung einzuschalten. Sehr hilfreich zudem: die Kameras rundum. Bei Wahl des Luftfahrwerks zeigt die Mittelkonsole außer den Sperrzustand der Differenziale obendrein die aktuellen Federwegspositionen an.

Von diesen inflationär angebotenen (weil billig machbaren) "Bergabfahrhilfen" halte ich wenig. Die von Land Rover funktioniert ganz gut. Wer sie so benutzt, wie Hersteller es üblicherweise empfehlen, nämlich fast immer, wird aber selbst die für den Straßenbetrieb dimensionierten Bremsen des Defender irgendwann überhitzen, denn Bergabfahrhilfen arbeiten über ESP-Bremseingriffe. Man vergesse nicht die traditionelle "Bergabfahrhilfe": Low Range, 1. oder 2. Gang, das fährt auch im Defender fast überall besser und lässt die Bremse kalt.

Auf der Straße fährt der Defender bis zu einer gewissen Geschwindigkeit solide. Wer ihn richtig scheucht, erlebt ein sehr früh, teilweise gar schon im 1. Teil der Wechselkurve dem 2. Teil vorgreifendes ESP. Der Grund für die frühen, starken Eingriffe ist wahrscheinlich der hohe Schwerpunkt. Der Defender versucht gern, sich auf dem kurvenäußeren Vorderrad zu drehen, vor allem auf der Bremse oder im Schiebebetrieb, und zwar selbst der lange 110.

Am ehesten einigt man sich mit dem ESP, indem man seriell fährt: Vor der Kurve fertig bremsen, früh Gas anlegen und unter Zug mit progressiv öffnender Lenkung aus der Kurve fahren. Alles Andere führt ab einer gewissen Geschwindigkeit dazu, dass der Defender den Schub am Kurvenausgang noch einmal praktisch komplett abschaltet und von vorne anfängt. Das klingt jetzt wahrscheinlich komisch, aber der Mitsubishi L200 fuhr dagegen trotz traditionellem Geländefahrwerk mit Starrachse und weichen Blattfedern wie ein Sportwagen.

Sie fragen sich hier wahrscheinlich, warum ich das alles schreibe. Wer will schon einen Defender schnell fahren? Ich schreibe das, weil andere Fahrzeuge aus Land Rovers Palette den Straßenbetrieb deutlich besser, sicherer meistern. Range Rover. Range Rover Sport sowieso. Eventuell sogar Land Rover Discovery. Gleichzeitig kommen diese Inhouse-Konkurrenten praktisch überallhin, wo der Defender hinkommt. Es bleiben zur Unterscheidung also nur die (wahrscheinlich) robustere Konstruktion, die Gestaltung und die Ausstattung.

Wenn die größte Konkurrenz nur im eigenen Haus existiert, hast du vieles richtig gemacht. Ich glaube, der Defender wird seine Freunde finden. Ich bin bereits sein Freund. Er erinnert mich in seinen Tugenden an ein anderes tolles Schlechtwegeauto, den Subaru Outback. Nur hat Land Rover das Thema eben richtig cool aufbereitet. Das lässt die Leute nicht kalt. Der Defender profiliert sich als wunderbares, liebenswertes Reisefahrzeug für alle Wege. Seine Limitierungen Gewicht und Bodenfreiheit sind gut einplanbar: felsig ist gut, einsinkweicher Boden wird zur Aufgabe (für solche Fälle: Winch oder Mitsubishi L200 mitnehmen).

Wer durch Afrika muss, sich häufig durch weicheren Grund fräsen oder schwierige Passagen im Geländepark meistern will, kauft groberes Gerät. Die Skala fängt bei einem Pickup an und hört beim aktuellen Jeep Wrangler Rubicon auf. Den gibt es ja noch. Vielleicht bricht einem alten Defender-Fan das Herz, weil Land Rover den Trial-Platz nun Jeep überlässt, aber wie gesagt: Hättet ihr mal fleißiger gekauft!