"Verblüffend": 3D-gedrucktes Gehirngewebe verhält sich wie im natürlichen Gehirn

Forscher-Team wählt einen anderen Ansatz, um Gehirngewebe per 3D-Druck zu arrangieren. Die neue Art ermöglichte Verknüpfungen, wie sie im Gehirn geschehen.

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Eine Frauenhand greift nach einem im Raum schwebenden Gebilde aus leuchtenden Linien und Punkten, das ein menschliches Gehirn darstellt

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Es ist nicht einfach, dem Gehirn bei der Arbeit zuzusehen. Um zu verstehen, wie es funktioniert und welche Veränderungen zu Krankheiten führen, muss man seine Zellnetzwerke von nahem beobachten können. Das wollen Wissenschaftler um Su-Chun Zhang von der University of Wisconsin-Madison nun mit einem neuen 3D-Druckverfahren erleichtern. Bei dieser Methode werden die lebenden Gehirnzellen nicht vertikal in vielen Schichten übereinandergestapelt, sondern horizontal nebeneinander und in nur wenigen Schichten platziert, eingebettet in ein durchsichtiges Biogel.

Auf diese Weise bauten die Forscher verschiedene Netzwerke, die im Gehirn oft übereinander angeordnet sind, um 90 Grad zur Seite geklappt nach und machten sie damit leichter untersuchbar. Wie Zhangs Team im Fachjournal "Cell Stem Cell" schreibt, knüpften die Nervenzellen Verbindungen zueinander und kommunizierten über diese Synapsen hinweg mithilfe von Botenstoffe miteinander.

Solche Netzwerke seien vertikal nicht gut druckbar, sagt Zhang. Dann müsse das stützende Gel fester sein, damit die Zellschichten nicht verrutschen. In festeren Gelen können die Zellen aber nicht gut aufeinander zuwachsen, um Verbindungen zu knüpfen. Die horizontal gedruckten Zellen hingegen knüpften im weicheren Gel mit allen Nachbarn Kontakte, sowohl seitlich als auch nach oben und nach unten. Die dünne Druckdicke ermöglicht eine gute Versorgung mit Nährstoffen und Sauerstoff. "Wir können auch die elektrische Aktivität der Nervenzellen sowie das Freisetzen und die Aufnahme von Transmittern messen", sagt Zhang.

Der große Vorteil der neuen Methode ist aber, dass sich die Zellen sehr präzise und kontrolliert anordnen lassen. So könne man den Wissenschaftlern zufolge etwa verschiedene Hirngewebe-Arten zusammensetzen, um zum Beispiel das Wachstum des Gehirns, die Signalübertragung zwischen Zellen beim Down-Syndrom oder die Wechselwirkungen zwischen gesundem Gewebe und benachbartem, von Alzheimer betroffenem Gewebe zu untersuchen. Möglich sei es auch, Testgewebe für neue Arzneimittelkandidaten zu drucken.

Zhangs Team druckte etwa einen Ausschnitt des Gehirns, das zwei Gehirnregionen umspannte: die äußere Gehirnrinde (Cortex), in der etwa willkürliche Bewegungen und Sprache entstehen, und die darunterliegende, Streifenkörper (Striatum) genannten Verschaltungsregion. Beide haben ihrer eigenen Nervenzell-Arten. Das Besondere an ihrer Kommunikation ist, dass sie stets nur in eine Richtung erfolgt, nämlich vom Cortex zum Striatum. Genau das beobachteten die Forscher auch in ihrem gedruckten Gehirngewebe. "Es war ziemlich verblüffend. Wir haben diese beiden Gewebearten einfach nur nebeneinander platziert, und trotzdem wissen sie, wie sie miteinander reden sollen", sagt Zhang.

Forscher Yuanwei Yan arbeitet im Zhang-Labor an der University of Wisconsin-Madison, wo Forschende eine neue Methode zum 3D-Druck von Gehirngewebe entwickelt haben.

(Bild: Xueyan Li)

Auch in einem Gewebemodell für die sogenannte Alexander-Krankheit, bei der bestimmte Nervenleitbahnen nach und nach zerstört werden, zeigten die Zellen dieselben fehlerhaften Funktionen wie ihre erkrankten Verwandten im Gehirn.

Für solche Untersuchungen werden bisher oft sogenannte Gehirn-Organoide genutzt. Das sind im Labor gezüchtete Gehirngewebe, die aus sehr wandlungsfähigen Stammzellen entstehen. "Der Vorteil der Organoide ist, dass sie sich selbst organisieren, wie es auch im natürlichen Gehirn passiert", sagt Zhang. "Der Nachteil ist, dass die Entwicklung und Reifung der Stammzellen sehr lange dauern." Hinzu kommt, dass man keinen Einfluss darauf hat, welche Netzwerke und Schaltkreise entstehen.

Um die Schaltkreis-Entstehung bei ihrem Herstellungsverfahren zu beschleunigen, verwendet Zhangs Team viel weiter entwickelte und schon einigermaßen spezialisierte Nervenzell-Vorstufen, die nur zwei bis vier Wochen Entwicklungszeit vor sich haben. Mit ihnen kann man zudem definierte Nervenzelltypen entstehen lassen. Dazu gehören nicht nur verschiedene Nervenzellen (Neurone), die für die die Informationsverarbeitung zuständig sind, sondern – im richtigen Verhältnis zugemischt – auch Gliazellen, die im Gehirn etwa als Gewebestütze, Myelin-Ummantelung von Nervenfortsätzen und Blut-Hirn-Schranke dienen.

(jle)